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Diversity als Weg aus dem Arbeitskräftemangel

13Sep2012
8 min
dim2

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Diversity Management: Kaum ein Tag vergeht, an dem er nicht Thema ist. Der Fachkräftemangel, er schwebt über uns wie ein Damoklesschwert. Mehrere hunderttausend Arbeitskräfte sollen bis 2020 in Österreich fehlen. Grund genug, sich heute zu überlegen, was man dagegen tun kann. Möglichkeiten im eigenen Haus gibt es zahlreiche, viele davon werden jedoch wenig energisch bis überhaupt nicht angegangen. Wer nachhaltiges Personalmanagement betreibt, der findet ausreichend Möglichkeiten, für den Mangel vorzusorgen.  Eine gezielte Beschäftigung mit Diversity Management eröffnet vielfältige Möglichkeiten, im eigenen Betrieb Vorsorge zu treffen. 

Arbeit in den sechs Säulen

Was tut Diversity Management? Die komplexe Antwort ist, die soziale Vielfalt im Unternehmen konstruktiv nutzen, also die individuelle Verschiedenheit von Mitarbeitern für den Unternehmenserfolg nutzbar machen. Die einfache Antwort ist: Alles tun, damit sich alle Gruppen im Unternehmen wohl fühlen und so Leistung bringen (können).

HRweb

Je nachdem welche Literatur Sie gerade vor sich haben, basiert Diversity Management auf sechs bzw. sieben Säulen.

Und tatsächlich verstecken sich in  jeder Säulen zahlreiche – meist wenig genutzte – Möglichkeiten, dem Fachkräftemangel ins Auge zu sehen.

Das Potenzial der älteren Arbeitnehmer gezielt nutzen

Gezielte Förderung langedienter Mitarbeiter bis ins – immer höher werdende – Pensionsantrittsalter ist eine dieser Strategien. Die Zahlen, was Weiterbildungstage älterer Mitarbeiter etwa betrifft, sind in den meisten Unternehmen erschreckend. Fast scheint es so, als würde nach einem gewissen Altersstichtag nur mehr darauf gewartet werden, dass der ersehnte Tag der Pensionierung kommt. Ein Teufelskreis, wenn man genauer hinsieht. Die Investitionen in ältere Mitarbeiter gehen zurück, damit steigt auch deren Bewusstsein, einfach bis zur Pension so weiterzumachen ohne große Entwicklungen, wodurch sich das Unternehmen wiederum bestätigt fühlt, dass es keinen Sinn mehr mache, in die Alten zu investieren, denn „die wollen ja eh nicht mehr leisten“.

Ein ganzheitliches, nachhaltiges Personalmanagement nutzt die Potenziale auch der älteren Arbeitnehmergeneration. Konkret kann das heißen:

  • Gezielte Weiterbildung bis zur Pension: Auch ältere Arbeitnehmer lernen noch gerne und schätzen es, wenn in sie investiert wird. Nicht nur technologische Veränderungen fordern die Generation, es darf auch ruhig in Persönlichkeitsentwicklung investiert werden.
  • Gesundheitsprogramme: Ein steigendes Pensionsantrittsalter heißt auch, dass dafür gesorgt werden muss, dass die Mitarbeiter auch körperlich wie geistig in der Lage sind, so lange zu arbeiten. Wirbelsäulengymnastik, Mental Training, Bewegungsprogramme im Betrieb, Schulungen zu richtigem Sitzen und Heben sind nur einige Beispiele für sinnvolle Angebote.
  • Generationenübergreifendes Arbeiten: Arbeiten in gemischten Teams aus alt und jung kann fruchtbar sein, soferne alle die Offenheit und den Respekt vor der anderen Gruppe wahren können.
  • Mentoringprogramme: Sowohl das Heranführen der nachfolgenden Generation an neue Aufgaben, als auch die Schulung der älteren Generation durch eine junge steigert – wenn institutionalisiert – die Weiterentwicklung und damit Produktivität beider.

Die Studie „Recruiting Trends 2012“ der Jobplattform monster.at hat ergeben, dass Unternehmen zumindest schon mehrheitlich das Potenzial der älteren Arbeitnehmer als Weg aus dem Arbeitskräftemangel erkannt haben.

Immerhin mehr als die Hälfte sieht das so, die Bezahlung (nach Seniorität) ist jedoch einer der bremsenden Faktoren.

Allem Bewusstsein über die Sinnhaftigkeit zum Trotz, stellt derzeit nicht einmal jedes dritte Unternehmen regelmäßig Personen über 50 Jahre ein. Auch das ist aber ein Weg aus dem Mangel. Gezielte Einstellung älterer Arbeitnehmer.

Wer ist willkommen und wen haben wir ausgeschlossen?

Betrachtet man die Mitarbeiterstruktur zahlreicher österreichischer Unternehmen, dann fällt auf, dass die Herkunftsländer der Mitarbeiter in vielen Branchen nicht die Umwelt außerhalb widerspiegelt. Über 1,5 Millionen Menschen in Österreich haben einen sogenannten „Migrationshintergrund“. Etwas mehr als eine Million davon ist tatsächlich im Ausland geboren, die restlichen rund 450.000 Menschen mit Migrationshintergrund sind Nachkommen von Zuwanderern, aber hier geboren. In Wien beispielsweise ist der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund ein noch viel größerer.

Es gibt einige Branchen, in denen ist der Anteil an Mitarbeitern mit Migrationshintergrund überproportional hoch. Wie die Zahlen der Statistik Austria zeigen, sind das die Branchen mit tendenziell niedrigen Anforderungen an Bildung und Sprache.

Viele Unternehmen nutzen das Potenzial, das Mitarbeiter mit Migrationshintergrund mit sich bringen, kaum bis gar nicht. Weder kundenseitig, noch mitarbeiterseitig. Die Frage ist hier: Wen haben wir ausgeschlossen? Wie hoch sind die Barrieren, um in unserem Unternehmen als Mensch mit Migrationshintergrund Fuß fassen zu können? Und was tun wir, um diesen Weg zu erleichtern?

Eine besondere Bedeutung kommt hier dem Recruiting zu. Meist sind die Barrieren – um nicht zu sagen Diskriminierung – bereits bzw. vor allem hier zu finden. Aber auch die Gesamtstrategie vieler Unternehmen bezieht einige Gruppen der Gesellschaft nicht mit ein. Auch hier gäbe es einiges zu tun:

  • Gezielte Analyse der Kundengruppen und noch-nicht-Kundengruppen, auch im Vergleich zur Mitarbeiterstruktur
  • Gezielte Antidiskriminierungs-Policy für alle Mitarbeiter, vor allem jene in wichtigen Funktionen wie der Mitarbeitersuche
  • Sensibilisierungstrainings und Trainings für interkulturelle Kompetenz für Mitarbeiter
  • Sprachkurse für Mitarbeiter mit mangelnden Deutschkenntnissen (es gibt auch zahlreiche Österreicher, die zu dieser Gruppe zu zählen sind)
  • Gezieltes Thematisieren der herkunftsmäßigen Vielfalt in Druckwerken, auf Plakaten, in der Werbung (es gibt auch etwas anderes als schlanke, gut aussehende, weiße Menschen)

Barrieren im Kopf und in der Realität

Viel Potenzial lassen Unternehmen auch im Thema Menschen mit Behinderung auf der Strecke. Neben den bekannten räumlichen Barrieren, wenn man an Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen denkt, sind es vor allem jene im Kopf, die Unternehmen hier dazu führen, Chancen zu vergeben.

Die Jobplattform careermoves – heuriger Gewinner des TRIGOS Preises für verantwortungsvolle Unternehmen in der Kategorie Social Entrepreneurship – hat es sich beispielsweise zum Ziel gesetzt, Menschen mit Behinderung Jobchancen zu eröffnen. Auf der Plattform können Unternehmen Stellen für Menschen mit Behinderung posten. Wer nicht weiß, wie eine solche zu formulieren ist, dem wird ebenfalls geholfen. Über 3000 Jobangebote für Menschen mit Behinderung wurden in den letzten drei Jahren bereits über careermoves gepostet.

Aber nicht nur offensichtliche körperliche Beeinträchtigungen sind hier zu nennen. Auch chronische Erkrankungen sind im weitesten Sinne unter Behinderung zu zählen. So können nach WHO Definition Menschen mit Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) oder Diabetes auch dazu gezählt werden. Einfach Maßnahmen, wie das Bereitstellen entsprechender Speisenzusammenstellungen in einem Mitarbeiterrestaurant können hier bereits wieder die Lebensqualität und damit Produktivität der betroffenen Mitarbeiter deutlich erhöhen.

Sind wir auf dem Umgang mit diesen Menschen vorbereitet? Haben wir ausreichend vorgesorgt? Verschließen wir unseren Jobmarkt nicht vor diesen Menschen?

Vom Umgang mit den Geschlechtern

Das Thema der Geschlechter – im Regel Fall Frauen und Männer, wenngleich es auch noch anderes gibt – ist sicherlich eines der meistdiskutierten. Und dennoch gibt es auch hier einen Schiefstand.

Frauen in Führungspositionen zu bringen ist ein vielgenanntes Ziel. Doch nicht nur Quoten können dazu beitragen, vor allem auch Möglichkeiten der Erleichterung.

  • Kinderbetreuungsangebote im Betrieb
  • Möglichkeiten der Teilzeit auch in einer Führungsposition
  • Jobcoaching für Frauen und weibliche Nachwuchsführungskräfte, sogenannte „Female Empowerment Programme“
  • Ein ganzheitliches, wertschätzendes Karenzmanagement, bei dem der Kontakt aufrecht bleibt, relevante Informationen auch während der Karenz fließen und sauber ein Wiedereinstieg geplant wird

Es gibt tatsächlich Unternehmen mit einem Frauenanteil von über 80%, die keine einzige Frau in einer Führungsebene haben. Nicht zu sprechen von jenen Frauen, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, wenngleich sie könnten. Das Potenzial, das hier der Wirtschaft derzeit verloren geht, ist immens.

Und wenn wir schon bei der Geschlechtergerechtigkeit sind, dann seien auch die Themen der Väterkarenz, Papawoche und Teilzeit bei Männern einmal erwähnt.

Für Arbeitsuchende von heute ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eines der wesentlichsten Kriterien bei der Arbeitgeberwahl. Kein Wort wurde 2011 auf der Arbeitgeberbewertungsplattform kununu öfters gesucht als „flexible Arbeitszeiten“.

Ein Randthema, das in der öffentlichen und unternehmerischen Diskussion wenig Platz findet, ist übrigens das Thema Transgender. Vielen ist noch die Geschichte des Lehrers in Erinnerung, der nach den Sommerferien als Lehrerin wieder in die Schule kam. Ein wahrer Medienhype war das. Und viele rätseln heute noch immer, was Conchita Wurst eigentlich genau ist. Das Thema Transgender umgibt uns mehr als wir oft denken. Wie gehen wir also als Unternehmen damit um? Wie sehr ist es auch „anders“ veranlagten Menschen möglich, bei uns Beschäftigung zu finden?

Da wäre noch die Religion

Oft in einem Atemzug mit dem Thema der ethnischen Herkunft wird das Thema der Religion genannt. Das mag zwar in der Mehrzahl der Fälle richtig sein, dennoch ist diese pauschale Zusammenführung nicht ganz richtig.
Religion gehört zusammen mit der Säule der sexuellen Orientierung zu den am wenigsten diskutierten Themen im Diversity Management. In einer katholischen Mehrheitsgesellschaft, deren komplettes Arbeitsrecht, was Feiertage und religiöse Festivitäten angeht, darauf abgestellt ist, muss niemand, der ernsthaft an der Ausübung seiner Religion interessiert ist, Kompromisse eingehen. Diejenigen unter uns, die tatsächlich Wert auf die Begehung der Marienfeiertage etwa legen, können aufgrund der Situation in Österreich dies ungehindert tun. Die anderen freuen sich über einen weiteren freien Tag („Maria was ist heute? Oder war’s doch Fronleichnam?“)

Jene Menschen, die in anderen Religionen zuhause sind, müssen vielfach um die Ausübung ihrer religiösen Brauchtümer kämpfen oder aber sich dafür von der Arbeit freinehmen. Für viele Menschen, besonders in anderen Religionen, ist das Feiern religiöser Feste jedoch bedeutungsvoller als bei uns. Und tatsächlich gibt es Menschen die dafür von einer beruflichen Betätigung absehen.

Ein offener Umgang mit dem Thema Religion und den dahinterliegenden Bedürfnissen eröffnet einen breiteren Zugang zu Arbeitskräften. Der internationale Spediteur TNT beispielsweise bietet seinen muslimischen Mitarbeitern die Möglichkeit mehrmals täglich während der Arbeit zu beten. An den Standorten stehen eigene Räume dafür zur Verfügung. Für die Mitarbeiter ein wichtiger Bestandteil des Alltages, für das Unternehmen der Zugang zu einer wichtigen Arbeitnehmergruppe.

Sexuelle Orientierung – die vergessene Disziplin

Die im Diversity Management am wenigsten diskutierte Säule ist wohl die der sexuellen Orientierung. Zugegeben – dieser Bereich ist für viele Menschen der sensibelste und nicht jede/r Homosexuelle möchte dies auch publik machen.

Dennoch oder gerade deswegen steckt in diesem Thema ein immenses Diskriminierungspotenzial – bewusst oder unbewusst. Berührungspunkte haben viele Unternehmen dann, wenn das erste gleichgeschlechtliche Paar mit der Urkunde über die Eintragung der Partnerschaft im Personalbüro erscheint und dort wegen des Heiratszuschusses nachfrägt. Wie gehen wir mit der Gleichberechtigung von Ehen und eingetragenen Partnerschaften um, was Zuschüsse, Pflegetage, Einladungen zu firmeninternen Veranstaltungen, etc. betrifft? Wie sehr lassen wir Diskriminierung in den eigenen Reihen zu, sei es über Normen, Regeln oder verbale Äußerungen?

Einige Branchen setzen in ihrer Personalrekrutierung bereits besonders auf Menschen mit anderer sexueller Orientierung. Ob nun zugeschrieben oder tatsächlich wahr, vielfach werden beispielsweise homosexuellen Menschen andere Fähigkeiten zugetraut als heterosexuellen Menschen. Grund genug, sich einmal darüber Gedanken zu machen, ob nicht diese vermeintlichen Fähigkeiten auch im eigenen Betrieb nützlich sein könnten. Aber viel wichtiger als das, ist das offene Ansprechen aller Zielgruppen, damit sich alle im Betrieb wohl fühlen und ihre Leistung erbringen können und wollen.

Es liegt noch einiges vor uns

Wer Diversity Management im Betrieb sinnvoll und ganzheitlich betreibt, dem stehen ungeahnte Potenziale an Arbeitskräften zur Verfügung. Menschen, die gute Qualifikationen und Erfahrungen mitbringen und ebenso bereit sind, ihre Leistung zu bringen.

Allerdings sei auch dazu gesagt, dass die Einführung von Diversity Management in Unternehmen ein Prozess ist, der viele Jahre dauern kann. Vor allem gilt es Management und Mitarbeiter einerseits für das Thema zu sensibilisieren, andererseits auch zu qualifizieren. Das klare Bekenntnis zu Diversity Management durch das Top Management und die feinfühlige, aber zielstrebige Einführung im Unternehmen sind für eine erfolgreiche Implementierung unabdingbar.

Und am Schluss kommt hoffentlich das heraus, was wir mit Diversity Management bezwecken: Das beste Diversity Management ist jenes, das man nicht mehr bemerkt, weil für uns die Vielfalt zur Normalität geworden ist.

Diversity als Weg aus dem Arbeitskräftemangel

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