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Mit Psychologen per Gesetz gegen Burn-out vorgehen

29Jan2013
4 min
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HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Arbeitspsychologie nun stärker gesetzlich verankert … Anschlusstext an Peter Rieder 16nov2012 „Burn-out Prävention per Gesetz?

Mit der ASchG-Novelle am 1jan2013 werden psychische Krankheiten (Burn-out, etc) & Arbeitspsychologen stärker im Gesetz verankert. Aber was können diese überhaupt bewirken? Lassen sich mit der verpflichtenden Arbeitsplatzbewertung alle Burn-out-Fälle verhindern? Und sind dann immer die Arbeitgeber die Schuldigen am Pranger?

HRweb wandte sich an die Personal- und Arbeitspsychologin Mag. Veronika Jakl und bat um einen Gast-Beitrag zu diesem Thema!

Gesetzliche Neuerung

Seit 1jan2013 gilt nun in Österreich ein überarbeitetes ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (kurz ASchG). Die Novelle soll helfen die aktuell hohe Anzahl von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz und psychisch bedingten Krankenständen zu reduzieren. Die Wichtigkeit dieser psychischen Gesundheitsfaktoren wurde nun vom Gesetzgeber stärker betont und im selben Atemzug Arbeitspsychologen stärker im Gesetz verankert.

Konkret sind Arbeitspsychologen explizit als Fachkräfte angeführt, welche zur Ermittlung und Beurteilung von (psychischen und physischen) Gefahren herangezogen werden können. Die Evaluierung soll vor allem nach Unfällen geschehen oder nach Zwischenfällen mit „erhöhter arbeitsbedingter psychischer Fehlbeanspruchung“.

Peter Rieder hat das Gesetz daher in seinem Artikel vom 16nov2012 als „Anti-Stress-Gesetz“ bezeichnet.

Ängste auf allen Seiten

Doch die Vorurteile gegen Psychologen sind immer noch spürbar und schnell werden in Diskussionen die Ängste sowohl von Arbeitgebern als auch von Arbeitnehmern klar. „Psychische Belastung ist doch gar nicht messbar“, heißt es da von Laien. Die Führungskräfte befürchten, dass sie pauschal als Sündenböcke hingestellt werden und dass die Mitarbeiter unrealistische Wünsche äußern. Viele Leute wollen grundsätzlich nicht mit Psychologen arbeiten: „Da gehen doch nur Verrückte hin.“.

Und grundsätzlich macht allein die Vorstellung von Veränderungen Angst: „Bei uns war das schon immer so. Da kann man halt nichts machen.“

Aber sind diese Vorbehalte gerechtfertigt?

Ablauf in der Realität

Wie läuft eine Evaluierung eigentlich ab? Wie kann der Stress gemessen und reduziert werden?

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  1. Nach der Kontaktaufnahme gibt es zunächst eine Klärung der genauen Situation: Wie ist das Unternehmen strukturiert? Wie viele Mitarbeiter gibt es? Gab es einen konkreten Anlassfall für die Anfrage? Soll das Projekt in Abstimmung mit der betrieblichen Gesundheitsförderung stattfinden?
  2. Hat der Arbeitspsychologe alle wichtigen Informationen gesammelt, so erstellt er ein maßgeschneidertes Angebot und holt sich dazu Feedback von dem Auftraggeber.
  3. Ist das Projekt fixiert, so werden alle Mitarbeiter und Führungskräfte transparent informiert über die Ziele und die geplante Vorgehensweise.
  4. Dann folgt eine systematische Erhebung der Belastungen. Das kann mit standardisierten und qualitätsgesicherten Fragebögen geschehen oder auch Leitfaden-Interviews, Beobachtungen oder Gruppen-Workshops. Professionelle Arbeitspsychologen wählen hier individuell für das Unternehmen das optimale Instrument aus einem wissenschaftlichen Methodenkoffer. Es werden idealerweise alle Sichtweisen miteinbezogen: Mitarbeiter, Führungskräfte, Betriebsräte, …
  5. Danach folgt die Beurteilung der angenehmen Aspekte und der stressenden Belastungen.
  6. Anschließend werden bei Bedarf konkrete Maßnahmen zur Optimierung der Arbeitsumgebung, der Arbeitsabläufe und Organisation geplant. Auch dies geschieht wieder von den Betroffenen selbst, nur moderiert von dem Arbeitspsychologen. Es geht nicht um Schuldzuweisung, sondern um Lösungsorientierung. Dadurch werden gewünschte aber auch realistische Schritte gesetzt.
  7. Wurden die Maßnahmen umgesetzt, kann einige Zeit später beurteilt werden, ob die Ziele erreicht und der Stress reduziert wurde.

Können alle Burn-out-Fälle verhindert werden?

Das „Burn-out“-Syndrom und berufsbedingte Krankenstände haben in den letzten Jahren drastisch zugenommen. Nach dem österreichischen Arbeitsgesundheitsmonitor 2012 sind mehr als 60 % der Arbeitnehmer belastet in ihrem Stressbefinden. Seit 1994 gibt es heute fast 3 Mal so viele Krankenstände aufgrund psychischer Fehlbeanspruchung.

Für den Erschöpfungszustand „Burn-out“ gibt es unterschiedliche mögliche Ursachen, wobei sowohl tätigkeitsbezogene Merkmale wie Entscheidungsspielraum und Kontrolle aber auch personenbezogene Merkmale wie emotionale Belastung und Überforderung eine Rolle spielen können. Es ist davon auszugehen, dass beide Aspekte (die Person und die Tätigkeit) eine Rolle spielen.

Aber Arbeitspsychologen wollen die Tätigkeiten (und alles was dazu gehört) optimieren und nicht privaten Stress lösen. Daher wird es auch bei einem scheinbar „perfekten Job in der perfekten Firma“ möglicherweise Leute geben, die wegen „Burn-out“ in Krankenstand gehen. Genauso können auch bei den größten Sicherheitsmaßnahmen leider trotzdem Arbeitsunfälle geschehen.

Bringt es den Firmen dann überhaupt etwas?

Eine Evaluierung bringt in jedem Fall eine neue Sichtweise auf das eigene Unternehmen. Durch die systematische Beleuchtung vieler Aspekte und die Einbeziehung vieler Personen kommen automatisch Dinge zu Tage, welche im Arbeitsalltag oft nicht sichtbar sind oder verdrängt werden. Jedoch ist hier die Chance gegeben, eine präzise Klärung von Stärken und Stressfaktoren zu erhalten hinsichtlich einzelner Tätigkeiten, der Abläufe im Unternehmen und des Arbeitsklimas.

Selbstverständlich sind Veränderungen immer ein bisschen unangenehm, weil der Mensch nun mal ein Gewohnheitstier ist. Aber durch konstruktives Feedback, eine zielgerichtete Feedbackkultur und gemeinsame Maßnahmenplanung können schnell sichtbare Erfolge erzielt werden. Zusätzlich fördert die aktive Mitgestaltung die emotionale Bindung der Personen an das Unternehmen.

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Langfristig können so Absenzen und auch Präsentismus verringert werden, wenn das Unternehmen bereit ist, offen zu arbeiten und einen objektiven Blick auf die Arbeitsbereiche wünscht.

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Gastautorin: Mag.a Veronika Jakl ist selbstständige Arbeits- und Personalpsychologin. Sie begleitet Firmen bei Veränderungen, führt Arbeitsplatzevaluierungen durch und bietet Seminare an für Führungskräfte und HR-Mitarbeiter. www.veronikajakl.at


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