Kochen im Team – das ideale Rezept, um als Team besser zusammen zu wachsen! Eva Selan: Ob ich das einfach unhinterfragt glauben kann? Outdoor-Trainings mit Hochseilgarten und viel Action! So sahen Teamtrainings noch vor wenigen Jahren aus.
Ich besuchte ein Seminar, das genau das zum Inhalt hatte. Als einprägende Conclusio und Aussagen von Teilenehmern lauteten:
- Es war für mich erstaunlich, wie authentisch alles war – vieles war genauso wie bei uns im Büro.
- Verblüffend war allerdings die Entdeckung veränderter Beziehungsqualitäten, wenn es um eine andere Art der Aufgabe ging.
Genau diese beiden Sätze widersprechen einander auf den ersten Blick. Genau diese beiden Sätze sind es, die ich hinterfrage. Ich hinterfrage sie hinsichtlich … lassen Sie mich laut denken: Im Unternehmensumfeld sind die Kompetenz- Level klar festgelegt – nehmen wir zum Beispiel eine Führungskraft, drei Fachkräfte, zwei Assistenten. In der neuen Situation – in diesem Fall Kochen – werden die Rollen neu verteilt. Nehmen wir an, ein Assistent und eine Fachkraft sind Hobbyköche, die Führungkraft hatte noch nie einen Kochlöffel in der Hand und der Kompetenz-Level der anderen liegt irgendwo dazwischen. Das Verteilen der Rollen im Koch-Seminar funktioniert ganz automatisch. Und genau im “automatisch” liegt das spannende Element: Übernimmt die Führungskraft die Führung, auch wenn sie keine Ahnung vom Geschehen hat? Im Zweifelsfall könnte sie ausschließlich die Position des Delegierens besetzen. Übernimmt der Hobbykoch, der täglich “nur” als Assistent fungiert, jetzt eine Führungsrolle oder ist er weiterhin “Zuarbeiter”? Akzeptieren die anderen die neue Rollenverteilung? Was sagt die neue Rollenverteilung über die künftige Zusammenarbeit aus – dann, wenn eben nicht das Kochen, sondern wieder das Alltagsgeschäft im Fokus steht? Angenommen, die Führungskraft übernimmt auch hier das Sagen, ist dann die Erkenntnis dieses Trainings, dass sie im Unternehmen auch an der richtigen Position ist? Angenommen, sie akzeptiert die Expertise der Hobbyköche und begnügt sich mit dem Klein-Schneiden des Gemüses – bedeutet das, dass sie im realen Leben besser keine Führungskraft wäre? Oder bedeutet es das Gegenteil: dass sie sehr wohl einschätzen kann, worin ihre Stärken liegen und wann besser andere die Führung übernehmen?
Kann ein Training die Realität abbilden?
Kann “Kochen im Team” die reale Arbeitssituation abbilden – in dieser anderen Umgebung, mit geänderten Rollen und Inhalten, mit völlig neuen Kompetenz-Leveln? Oder breiter gedacht: Welche Teamentwicklungs- Trainings haben generell eine hohe Reliabilität?
“Die Reliabilität von diversen Trainingsmethoden lässt sich nicht immer einwandfrei empirisch feststellen”, erklärt Günther Mathé, MBA (Geschäftsführer, careercenter). “Kochen im Team, gemeinsames Malen, Orientierungswanderungen, Teamaufstellungen, Teamvideodrehs – alle Methoden haben ihre Berechtigung und ihren Erfolg. Das Angebot von kreativen Methoden zur Stärkung des Teams wird immer facettenreicher.” Der Erfolg einer Methode hängt sowohl von der Gruppe als auch von der Durchführung und Anleitung des Trainers ab. Inwiefern das Gelernte im Job umgesetzt wird, liegt auch an den Führungskräften und Teamleitern. Die Vorgesetzten müssen den Prozess, der am und im Teamtraining gestartet wurde, begleiten und zulassen. Mathé weiter: “Leider wurden viele Methoden in den letzten Jahren durch selbst ernannten ‚Trainer’ in ein schlechtes Licht gestellt. Eine gute Köchin sollte nicht Kochen im Team anbieten, nur weil sie gut kocht und eine Malerin kein Teammalen und dann wird zwanghaft versucht irgendetwas ‚herbei zu interpretieren’. Daher achten wir immer darauf, dass wir mit Profis in ihrem Spezialgebiet zusammenarbeiten, wenn es erforderlich ist, und die Reflexion und Transferarbeit beim prozessleitenden Trainer und Coach bleibt.”
Die Reliabilität eines Teamtrainings ist eng verbunden mit dem erwünschten Output, der Zielsetzung des Team-Workshops. Generell finden sich unter dem Titel “Teamentwicklung “ die unterschiedlichsten Vorstellungen und Erwartungen. Gunhard Keil (Geschäftsführer, 5p consulting): “Geht es um den Aufbau von Vertrauen, um die Reduktion von Spannungen oder um effizientere Kooperationsprozesse? – Je nach Zielsetzung können z. B. Kochevents oder andere gemeinsame Aktivitäten, die Spaß machen (Rafting, Volleyball, Theaterspielen, …) dazu führen, dass Menschen erfolgreiche Kontakte haben. Und Vertrauen entsteht nun mal nur durch die Summe der erfolgreichen Kontakte.”
Das heißt, wir haben zwei Ebenen der Teamentwicklung: eine kognitive und eine emotionale. Günter Rattay (Geschäftsführer, Primas Consulting): “Daher bieten sich Trainingsmaßnahmen an, die ‘Brainfood’ liefern – einfache Modelle und Hilfsmittel, die Teamphänomene nachvollziehbar machen und praktisches Üben an Situationen, die möglichst nahe der Praxis-Situation sind”, und somit genau diese beiden Ebenen vereinen. Rattay: “Für Projektmanager und deren Teams sind Simulationen von Projekten zu empfehlen, wie zum Beispiel die Errichtung eines technischen Objekts (als Muster), bestehend aus mehreren voneinander abhängigen Teilen, die wie in der Praxis in Teilteams zu planen und zu gestalten sind. Wenn sich zusätzlich noch ein tiefer gehender Sinn oder ein realer Nutzen mit der Projektsimulation verbinden lässt, ist der nachhaltige Wert erfahrungsgemäß am höchsten. Dafür eignen sich z. B. kleine Sozialprojekte – wie Errichtung eines Baumhauses für eine karitative Einrichtung, der Bau eines Hochbeets für ein Behindertenheim oder die ‘72 Stunden ohne Kompromiss’-Aktion (eine gemeinsame Aktion von Ö3, Caritas und der Katholischen Junged Österreich, www.72h. at).”
Ein Training kann nur dann eine hohe Reliabilität aufweisen, wenn es zu dem passt, was trainiert werden soll. Einfach auf Standardprodukte zurückzugreifen, weil sie vor zwei Jahren auch so großartige Ergebnisse lieferten und so viel Spaß machten, wird nicht zum Ziel führen. Idealer Weise ist das Training so nah wie möglich an der individuellen Realität des Teams, sagt auch Yvonne van Dyck (Geschäftsführerin, id‘ institute consulting): “Es müssen konkrete Resultate aus den Trainings erfolgen, die nachhaltig wirksam sind. Kurze Impulsworkshops, die effizientes, elegantes und einfaches Lernen ermöglichen. Trainings, die die Teilnehmer selbst zu Lösungen kommen lassen, die ein klares was vorgeben und in denen das wie vom Team erarbeitet wird. Trainings, die sowohl die Kommunikation im Team, als auch zwischen den Teams und darüber hinaus in einem Arbeitsgang behandeln.“
DI Gernot Stöger, MC (Geschäftsleitung, Solution Management Center) spricht von Real-Time-Trainings: “Man erspart sich die mühsame und sinnlose Diskussion um Transferprobleme, wenn man gleich an den ‘Echtzeit-Problemen’ des Teams direkt arbeitet. Man diagnostiziert, was im Team funktioniert und was nicht funktioniert und setzt dort unmittelbar mit den Learnings an.”
Fazit
Kochen im Team kann das perfekte Teamtraining sein. Wenn das Team genau die darin enthaltenen Elemente braucht. Die Tatsache, dass es bei dem einen Unternehmen, der einen Abteilung die ideale Lösung war, bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass es auch für das Team XY zum Erfolg führt. Nicht ein “Das klingt witzig, das wollen wir machen!” ist das Erfolgsrezept, das Erheben des Bedarfs steht an erster Stelle. Danach werden mögliche Maßnahmen diskutiert – diese können dann natürlich sehr wohl witzig sein und dem Team Spaß machen.
Gemeinsames Kochen allein erzeugt noch kein Team