Ich stelle eine These in den Raum:
Während der Wirtschaftskrise wurde PE auf das notwendige Minimum beschränkt, auch die Führungskräfte-Entwicklung war entsprechend rückläufig. Es wurde ausschließlich das notwendigste / kurzfristig zielführendste geschult.
Mit dieser These wende ich mich an meine Gesprächspartner, die Führungskräfte-Entwicklung als Tagesgeschäft ihr Eigen nennen und für das HRweb Stellung nahmen..
Stimmt diese These aus Ihrer Sicht?
Dr. Wolfgang Reiger (IfM – Institut für Management): Leider stimmte das für viele Unternehmen, die kurzfristige PE oder gar keine betreiben.
Günther Mathé (careercenter e.U.): Die Kürzung der Trainingsmaßnahmen und Coachings durch die Wirtschaftskrise wurde bei den Unternehmen sehr unterschiedlich wahrgenommen. Wir – careercenter – haben nur eine Stornierung bekommen von einem größeren Unternehmen, das alle PE Events und Trainings auf Grund der Wirtschaftskrise gestoppt hat. Viele unserer Kunden haben erkannt, dass jetzt genau die richtige Zeit ist um in Trainings und ihre Mitarbeiter zu investieren. Da die Auftragslage in einigen Firmen nicht optimal war, hatten auch die Mitarbeiter leichter Zeit. Führungskräfteentwicklung wurde in den letzten Jahren auf alle Fälle vernachlässigt und ist jetzt wieder im Aufschwung.
Thomas Kalian (Berlitz Austria GmbH): Das war sowohl von der Branche, als auch von der Verankerung der Wichtigkeit von Humankapital/PE im Unternehmen stark abhängig. Generell kann aber gesagt werden, dass sehr viel mehr auf den ROI von Schulungsmaßnahmen Wert gelegt wurde und Qualität und Bildungscontrolling einen höheren Stellenwert hatten.
Corinna Ladinig (CTC-Academy OG): Für einige Branchen gilt diese Aussage, für andere nicht.
Dipl. Psych. Michaela Stark (Blaufeuer – Beratungsagentur für Führungskompetenz): nein – es wurden zumindest in großen Konzernen die gezahlten Tagessätze durch den zentralen Einkauf gedeckelt und damit die Tagessätze gedrückt. Trainingsformate wurden von der Dauer her reduziert. Buchungen erfolgen kurzfristiger.
Dr. Günter Rattay (Primas CONSULTING GmbH): Es ist zu erkennen, dass in der Entwicklung von Führungskräfte- und Projektmanagement-Curricula Wert auf einen raschen Nutzen für das Unternehmen und auf den Know-how Transfer gelegt wurde, z.B.: Die Möglichkeit aktuelle Projekte des Unternehmens in die Ausbildung zu integrieren. Anfragen und Aufträge nehmen zu, die eine Qualifikationserhebung mittels Skills-Überprüfung an den Beginn einer Ausbildung stellen, um darauf aufbauend, möglichst maßgeschneiderte und kosteneffiziente Entwicklungsmaßnahmen zu setzen.
Univ.Prof. Dr. Dr. Bodo B. Schlegelmilch (WU Executive Academy): Es wurde gekürzt, nicht jedoch auf das Minimum. Bestand hatten Lehrgänge, die über einen längeren Zeitraum laufen und bereits im Unternehmen etabliert waren. Die Rückgänge generell sind eher auf einen höheren Selektionsgrad zurückzuführen, und nur teilweise durch Budgetprobleme zu erklären.
Ist die Krise bereits beendet, zeichnet sich der Aufschwung in der FK-Entwicklung (PE generell) bereits ab? Seit wann?
Mag. (FH) Christina Riedl (trilog G. Riedl KG): seit Herbst 2010
Mag. Clemens Stieger (GfP Gesellschaft für Personalentwicklung GmbH): Die Tatsache, dass die meisten Führungsprogramme wieder gestartet werden, könnte bedeuten, dass die Krise überstanden ist. Der grundsätzliche Aufwärtstrend heißt für uns allerdings nicht, dass die Krise auch tatsächlich zu Ende ist.
Mag. Alexandra Kamper (SEMINAR DMC): Definitiv zeichnet sich bei uns seit Anfang 2010 ein Aufschwung ab. Etwas branchenspezifisch muss ich es allerdings doch werten, gerade der Finanzsektor ist noch relativ zurückhaltend.
Reiger (IfM): Seit Ende 2010 können wir erkennen, dass die Unternehmen wieder in Weiterbildung, die über das unbedingt notwendige hinausgeht, investieren.
Corinna Ladinig (CTC-Academy OG): Im Herbst 2010 konnte ich einen kleinen Aufschwung spüren, allerdings agieren viele nach wie vor recht vorsichtig
Wie sieht die FK-Entwicklung pre-Kirse versus post-Krise aus (aus der Sicht der Anbieter und der Sicht der Personalabteilungen)? Erkennen Sie Unterschiede in der FK-Entwicklung vor der Krise zu jetzt?
Ladinig (CTC): nein
Stieger (GfP): Aus unserer Beobachtung sind die reinen „Modethemen“ und „Schönwetter-Inhalte“ rückläufig. Es dominiert stärker der Pragmatismus und Praxisbezug. Allzu oft wird allerdings auch wieder „mehr-desselben“ gemacht, die Grundlogik von Führungsentwicklung nicht grundsätzlich hinterfragt.
Schlegelmilch (Executive Academy): Die Tendenz geht in Richtung Lehrgänge mit optionaler Teilnahme an Modulen. D.h. nicht jeder Teilnehmer muss alle Module absolvieren (z.B. Ein Controller mit langjähriger Erfahrung, braucht nicht mehr am Controlling Modul teilnehmen, um einen Lehrgang abzuschließen). Undurchdachte „Schnellschüsse“ gehören eher der Vergangenheit an. Wohl auch, weil in den PE-Abteilungen nur mehr die besten Köpfe übrig geblieben sind. Die Krise hat auch eine Professionalisierung der PE mit sich gebracht – die PE etabliert sich langsam als Teil der Wertschöpfung.
Kamper (SEMINAR DMC): Die Unterschiede manifestieren sich vor allem darin, dass post-Krisen-Planungen auf längerfristige Entwicklungspläne setzen. Vor der Krise wurden die Mitarbeiter und Führungskräfte oft nur punktuell geschult. Auch die Themenbereiche haben sich gewandelt. Heute steht der Schwerpunkt der Entwicklungsmaßnehmen im persönichkeitsbildenden Bereich, sowie im Bereich Change.
Rattay (Primas): Die Tendenz geht in Richtung einer noch stärkeren Maßschneiderung. Kompaktheit und hohe Umsetzungsorientierung sind gefragt (Transfer rascher messbar oder erkennbar).
Mathé (careercenter): Durch die Krise wurde in vielen Unternehmen wieder mehr darauf geachtet, dass es rechtzeitig Nachwuchsführungskräfte gibt und die bestehenden Führungskräfte wieder besser geschult sind um auch in Krisensituationen besser und schneller reagieren zu können. In den letzten Jahren mussten einige Manager und FK ihren Hut nehmen und FK aus den eigenen Reihen zaubert man nicht aus der Tasche, sondern sie müssen rechtzeitig aufgebaut und vorbereitet werden.
Wird jetzt nachgeschult, was während der Krise „ausgelassen“ wurde und wird nun verstärkt in PE investiert? Oder wird die Strategie des kurzfristig Notwendigen fortgesetzt?
Reiger (IfM): Auf Grund unserer Erfahrungen wird nach wie vor eher Anlass bezogen geschult und längerfristige Strategien der Mitarbeiterentwicklung sind eher die Ausnahme.
Riedl (trilog): Wir bemerken, dass wieder mehr in langfristige Maßnahmen investiert wird. Kunden suchen nach Lehrgängen, welche bis zu durchschnittlich einem Jahr dauern. Diese Lehrgänge sind so gefragt, da die Themen aufeinander abgestimmt, aufeinander aufbauen und für den Kunden individuell vorbereitet wird.
Kalian (Berlitz): Unternehmen investieren zwar wieder mehr in die Ausbildung der Mitarbeiter, allerdings nicht in dem Ausmaß, wie dies vor der Krise der Fall war (es kann aber auch während der Krise bei der Vielzahl von Unternehmen nicht von einer Strategie des kurzfristig notwendigen gesprochen werden). Es scheint also noch eine gewisse Rückhaltung in Hinblick auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung gegeben zu sein. Nachgeschult wird nicht, da auch selektiver in der Planung von Weiterbildungsmaßnahmen vorgegangen wird. Vielmehr zeigt sich das Bild einer langfristigeren, strategischen Ausrichtung von Personalentwicklungsmaßnahmen.
Die Gesprächspartner
Pre-Wirtschaftskrise versus post-Krise in der FK-Entwicklung
Thomas Kalian Berlitz Austria GmbH |
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Günther Mathé careercenter e.U. |
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Univ.Prof. Dr. Dr. Bodo B. Schlegelmilch WU Executive Academy |
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Mag. (FH) Christina Riedl Trilog G. Riedl KG |
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Dr. Wolfgang Reiger IfM – Institut für Management |
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Mag. Alexandra Kamper SEMINAR DMC |
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Mag. Clemens Stieger GfP Gesellschaft für Personalentwicklung GmbH |
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Dr. Günter Rattay Primas CONSULTING GmbH |
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Dipl. Psych. Michaela Stark Blaufeuer – Beratungsagentur für Führungskompetenz |
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Corinna Ladinig CTC-Academy OG
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Pre-Krise versus post-Krise in der FK-Entwicklung