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Mindestgehälter in Inseraten – Wunsch und Realität

14Apr2011
4 min
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HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Seit 1. März 2011 ist es Gesetz. Unternehmen müssen in Stellenanzeigen das kollektivertragliche Mindestgehalt bzw. die Bereitschaft zur Überzahlung angeben. Das soll vor allem mehr Einkommenstransparenz bringen und Frauen dabei helfen, sich nicht unter ihrem Wert zu verkaufen. Im Februar schrieb bereits Claudia Bergner im HRweb über „Einkommenstransparenz – Equal Pay“. Mittlerweile sollten wir bereits mitten in der Umsetzungsphase sein. Doch momentan ist die Angabe eher eine Wunschvorstellung. Und es gibt auch Kritik an der Regelung.

Mindestangaben sind noch die Ausnahme

Schaut man die Karriereteile österreichischer Zeitungen durch, dann wird schnell klar: von einer flächendeckenden Angabe der Mindestgehälter sind wir noch weit entfernt. Im Moment sind diese Angaben die Ausnahme. Ein „Unternehmen“, das ab Juni eine Vorreiterrolle übernehmen will (bzw. muss), ist das Arbeitsmarktservice. Andere warten noch ab. Was aber vor allem auch daran zu liegen scheint, dass heuer noch nicht gestraft wird. Ab 2012 sind dann pro Verstoss EUR 360,- fällig. Wer und wie kontrolliert wird ist aber ebenso wenig klar, wie die Frage, was eigentlich genau in den Inseraten stehen soll.

Kollektivvertrag hat oft nur untergeordnete Bedeutung

Ziel des Gesetzes ist es, dass Frauen und Männer gleich bezahlt werden und sich Arbeitnehmer nicht unter ihrem Wert verkaufen bzw. unter Kollektivvertrag beschäftigt werden (siehe dazu HRWeb-Artikel Einkommentransparenz von Claudia Bergner). In Hinblick auf die bevorstehende Öffnung des Arbeitsmarktes eine durchaus sinnvolle Maßnahme. Kritik kommt allerdings von zahlreichen Unternehmen. Ihr Vorwurf: gerade in höheren Positionen sage der Kollektivvertrag nichts aus. Die Bezahlung für leitende Angstellte erfolge ohnehin nicht auf Basis eines Kollektivvertrages, sondern weit darüber. Die Angabe des Kollektivvertragsgehalts mache also keinen Sinn.

Auch für diesen Fall hat der Gesetzgeber vorgesorgt. Denn in diesem Fall soll die Bereitschaft zur Überzahlung angegeben werden. Unklar ist allerdings ob es ausreicht, eine Angabe zu machen wie „überkollektivvertraglich entlohnt“ oder ob konkrete Zahlen genannt werden müssen.

Mittelweg: Bandbreiten

Diese Unklarheit und die Tatsache, dass viele Unternehmen keine konkrete Zahl angeben wollen, dürfte offenbar zu einer typisch österreichischen Lösung führen. Unternehmen entscheiden sich zur Angabe von Bandbreiten. Das ist auch nicht verboten. Eine solche Angabe kann beispielsweise lauten: „Für diese Position bieten wird EUR 1.850,– – EUR 2.150,– je nach Ausbildungsabschluss. Zusätzliche Erfahrung und Qualifikation werden entsprechend höher entlohnt.“ Natürlich müssen die genannten Bandbreiten über dem oder gleich dem kollektivvertraglichen Mindestgehalt liegen. Allerdings stellt sich angesichts dieser Vorgangsweise die Frage, ob damit das Ziel der Transparenz und der besseren Verhandlungsbasis von bestimmten Gruppen tatsächlich erreicht wird.

Verhandlungsvorteil für Frauen?

Kritik am neuen Gesetz kommt aber nicht nur von Unternehmen und Beratern. Auch Arbeitnehmervertreter sehen das angestrebte Ziel des Verhandlungsvorteils für Frauen skeptisch. Gerade wenn Bandbreiten angegeben werden oder ein konkretes Mindestgehalt, sehen sie die Gefahr, dass sich Frauen gerade dann nicht trauen, sich an der Obergrenze anzusiedeln oder mehr zu verlangen, auch wenn sie  mehr verdienen würden oder wollten. Gehalt wird also weiterhin eine Verhandlungssache bleiben außer dort, wo tatsächlich strikt nach Kollektivvertrag entlohnt wird.

Welcher Kollektivvertrag?

Ein interessantes Detail am Rande: im Stelleninserat muss nicht angegeben werden, um welchen Kollektivvertrag es sich handelt. In Österreich gibt es aber weit über 600 Kollektivverträge und rund 25 Mindestlohnvereinbarungen. Und nicht immer ist auf den ertsen Blick ersichtlich, nach welchem Kollektivvertrag in dem Unternehmen bezahlt wird. Dazu kommt, dass Tochterfirmen, die beispielsweise Serviceleistungen für ihre Muttergesellschaften erbringen, nicht zwangsläufig dem gleichen Kollektivvertrag unterliegen müssen. So hat das Callcenter einer Bank einen anderen Kollektivvertrag als die Bank selbst, auch wenn dort per Telefon Bankgeschäfte abgewickelt werden. Für Arbeitnehmer, die sich im österreichischen Arbeitsrecht nicht gut auskennen, können die neuen Angaben also mit einiger Recherchearbeit verbunden sein, will man wissen, was wirklich gilt.

Einkommensbericht

Ergänzend zu den Regeln der Mindestgehaltsangabe tritt aber mit den Gleichbehandlungsgesetz noch eine Regelung in Kraft: Unternehmen mit mehr als 1.000 Angestellten müssen einen Einkommenbericht dem Betriebsrat abliefern, aus dem hervorgeht, wie es um die Bezahlung von Männlein und Weiblein so steht. Erst in den kommenden Jahren müssen dann Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitern einen solchen Bericht anfertigen. Eine Erstellung für Firmen mit weniger als 150 Mitarbeitern ist aber nicht vorgesehen. Doch gerade diese sind häufig die Übeltäter, wenn es um unterkollektivvertragliche Bezahlung geht. Während große Konzerne es sich aufgrund der vielen Kontrollinstanzen und Öffentlichkeitswirksamkeit häufig nicht leisten können, schlechte Publicity wegen mieser Bezahlung zu erhalten, so trifft das häufig auf kleine Unternehmen nicht zu. Hinzu kommt, dass der Bericht nur dem Betriebsrat kenntlich gemacht werden muss. Eine Mitteilung an die Mitarbeiter ist nur dann vorgesehen, wenn es keinen Betriebsrat gibt.

Fazit

Das neue Gleichbehandlungsgesetz lässt noch vielfach Raum zur Interpretation. Wie sehr es tatsächlich zu einer Verbesserung vor allem der Einkommensschere zwischen Mann und Frau beiträgt, bleibt abzuwarten. Dennoch ist jeder Schritt in diese Richtung jedoch grundsätzlich zu begrüßen. Bei aller Einkommenstransparenz sollte man aber auch nicht vergessen, dass es außer dem Gehalt noch andere Faktoren gibt, die für Frauen (aber auch Männer) attraktiv sein können. Die Möglichkeit einer guten Vereinbarkeit von Familie und Beruf beispielsweise. Für eine solche wären viele Arbeitnehmer auch bereit, auf ein höheres Gehalt zu verzichen, denn für 9 von 10 Arbeitnehmern unter 40 mit Kindern ist dieses Thema gleich wichtig oder wichtiger als das Gehalt. Auf dem Weg zu mehr gleicher Bezahlung hilft zudem nur die konsequente Orientierung an Jobprofilen und Berufsbilden, ungeachtet des Geschlechts oder der Herkunft. Aber das ist in vielen Branchen derzeit auch noch eher eine Wunschvorstellung.

 

Mehr Information

Eine Zusammenfassung der wesentlichen Fragen zur neuen Angabepflicht der KV-Mindestgehälter finden Sie hier auf der Seite der Wirtschaftskammer.

Mindestgehälter in Inseraten – Wunsch und Realität

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