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Bauchentscheidungen im Management

29Nov.2011
4 min
Bauchgefühl

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Veranstaltungs-Bericht: Solution Management-Center: Bauchentscheidungen mit Prof. Gerd Gigerenzer, 25nov2011

Was halten Sie von Intuition und Bauchentscheidungen im Business? Unprofessionell? Oder hochwirksam aber „nicht kommunizierbar“? Stellen Sie sich vor, diese Entscheidungen wären nicht nur schneller sondern auch besser. Prof. Gerd Gigerenzer gibt einen Einblick in seine Forschung bei einer Veranstaltung des Solution Management Center in Wien.

 

Wie weiß ein Fußballspieler wo der Ball landen wird? Wie weiß ein Drogenfahnder welcher der Fluggäste Drogen schmuggelt? Wie weiß ein Personalverantwortlicher, welcher Bewerber gut ins Team passt? Man weiß es eben – u.a. aus Erfahrung –  aber erklären kann man es nicht. Solch eine intuitive Entscheidung wird in unserem Sprachraum auch „Bauchgefühl“ genannt. Hier erschließt sich uns ein intuitives, gefühltes Wissen, das im Unbewussten gespeichert ist und bei Bedarf schnell ins Bewusstsein kommt. Die tieferen Gründe dafür sind uns kaum nachvollziehbar, aber das Gefühl ist meist stark genug, um danach zu handeln. Besonders deutlich wird es, wenn wir spüren, was wir NICHT wollen.

So definiert Prof. Gerd Gigerenzer, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin, Intuition. Er ist einer der internationalen Top-Referenten, die am Solutionmanagement Center in Wien ihre Forschungsergebnisse und Erfahrungen im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Highlights der Science of Solutions“ präsentiert. Ihn interessiert vor allem der Aspekt der Qualität von Bauchentscheidungen. Sie sind keine impulsiven Launen des Geistes sondern beruhen vielmehr auf einfachen Faustregeln, die das menschliche Gehirn im Rahmen der  Evolution und der individuellen Erfahrung erworben hat. In verschiedenen Studien stellt er intuitive Entscheidungen und Faustregeln komplexen rationalen Modellen gegenüber. Und er zeigt damit, dass „weniger“ oft  „mehr“ sein kann.

Die Effizienz von intuitiven Entscheidungen

Stellen Sie sich bitte vor, Sie wollen Ihr Geld veranlagen und auf mehrere Anlageformen aufteilen. Wie könnten Sie vorgehen? Sie könnten zum Beispiel das nobelpreisgekrönte Veranlagungsmodell von Harry Markowitz verwenden (Mean Variance Model) oder sie verwenden einen einfachen, intuitiven Lösungsweg  indem Sie ihr Geld gleichmäßig auf die verschiedenen Alternativen aufteilen. Das Kennzeichen einer Heuristik bzw. einer Faustregel ist das man sich auf wenige, zentrale Informationen beschränkt und anhand dieser eine Entscheidung trifft. Ein statistisches Modell  oder ein sonstiges rationales Entscheidungsmodell hingegen versucht alle möglichen Einflussfaktoren zu berücksichtigen. Welche Konsequenzen könnte es geben? Wie wahrscheinlich sind die?

Tatsächlich sind all diese Daten in der realen Welt aber nicht bekannt und müssen geschätzt werden. Und hier liegt der Haken. Prof. Gigerenzer konnte in seiner Forschung nachweisen, dass die einfache Heuristik „gleichmäßig aufteilen“ in allen Szenarien konstant mehr Geld gemacht hat als das preisgekrönte Modell. Dieses würde nämlich ca. 500 Jahre an Datenbeständen brauchen um richtig zu rechnen. Und mit einem Augenzwinkern verrät Prof. Gigerenzer, dass Harry Markowitz sein Geld auch nach der Faustregel gleichmäßig und nicht anhand seines Modells investiert hat. Sein Fazit: Intuitive Entscheidungen sind nicht nur viel schneller und damit zeit- und ressourcenschonend sondern sehr oft auch besser.

Was passiert mit Bauchentscheidungen in Unternehmen?

A: „Dabei hab ich echt ein schlechtes Gefühl.“ B:  „Warum?“ A:  „Hmm, kann ich nicht erklären, aber ich bin mir sicher, dass da was nicht stimmt.“

Was glauben Sie, wie viel Prozent der Entscheidungen in einem internationalen Unternehmen  intuitiv getroffen werden? Im Rahmen eines Forschungsprojektes in einem Technologie- und Dienstleistungsunternehmen wurden die Manager vertraulich dazu befragt. Das Ergebnis: Über alle Hierarchien hinweg wird durchschnittlich die Hälfte (!) aller Entscheidungen intuitiv gefällt. Hätten Sie das gedacht? Was passiert mit diesen Entscheidungen? Prof. Gigerenzer erzählt lebendig und anschaulich von den „Methoden“, wie auf kostenintensive und damit ineffiziente Weise mit diesen Entscheidungen umgegangen werden kann:

Nachträgliche Rationalisierung

Um die innerlich längst getroffene Entscheidung nach außen verkaufen zu können, beschäftigt man sich selbst oder einen Mitarbeiter (oder noch besser ein großes Beratungsunternehmen) mit der Durchführung aller möglicher Analysen und der Ableitung der Gründe und Argumente für die Entscheidung. Je nachdem, wen man dafür einsetzt, kostet diese Strategie jede Menge Zeit und Geld.

Defensive Entscheidungen

Die zweite und noch teurere Möglichkeit sind defensive Entscheidungen. Sie passieren vor allem in Unternehmen, die eher eine Absicherungs- als eine gelebte Fehlerkultur haben. Die Führungskraft hat eine klare Intuition entscheidet sich aber dagegen und wählt eine zweit- oder drittbeste Alternative, die er besser erklären kann. Damit entsteht der Firma ein Schaden.

Mut zur Intuition

Gerd Gigerenzer beschreibt drei klassische Irrtümer bezüglich Entscheidungen:

  • „Bauchentscheidungen sind zweitklassig. Optimierungsverfahren sind besser.“
  • „Komplexe Probleme brauchen eine komplexe Entscheidung.“
  • „Mehr Information, Berechnung und Zeit ist bei Entscheidungen immer besser.“

Was es braucht ist Mut. Mut zur Einfachheit – sich zu überlegen, was sind die ein bis zwei wesentlichen Informationen? Und wenn Sie auf Basis Ihrer Intuition ein klares, gefühltes Wissen zur Lösung haben, dann stehen Sie dazu. Fehler werden so oder so gemacht und ohne sie könnte man nichts Neues lernen. Besser aber zur intuitiven Entscheidung zu stehen, als dann bewusst aus Argumentationsnot die falsche zu treffen. Oder so lange nach äußeren Bestätigungen und Gründen für das Bauchgefühl zu suchen, bis es irgendwann zu spät für eine Entscheidung ist.

Abschließend ein kleiner Tipp zur Intuition  und zur Entscheidungs-beschleunigung: Wenn Sie zwischen zwei Alternativen wählen dürfen oder sollen, dann werfen Sie eine Münze und achten Sie darauf was Sie denken BEVOR  die Münze wieder auf Ihrer Hand landet: „Was soll auf keinen Fall kommen – Kopf oder Zahl???“

Literaturtipp

Gerd Gigerenzer: Bauchentscheidungen – Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition, Goldmann-Verlag, Wissenschaftsbuch des Jahres 2007.

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