Alle Personaldaten immer und überall verfügbar, direkt übers Smart Phone. Ist das realistisch? Wünschenswert? Praktikabel?
Nachdem wir im HRweb in den vergangenen Monaten die HR-Software-Themen „SaaS versus InHouse-Software“ und „Datensicherheit“ hinterfragten, wende ich mich heute nochmals an meine Expertenrunde:
Interview
Wie sieht es mit Angebot + Nachfrage mobiler Apps aus?
Manfred Nagl (P&I): Der Markt in Europa ist im wesentlichen Neuland für die meisten Anbieter. Anfragen nach einfach zu bedienenden und alltagstauglichen App´s steigen rasant, die Umsetzungen und Lösungen befinden sich zumeist noch in den Entwicklungsstadien. P&I bietet ab dem 1april2012 direkt oder aber via Partner einen AddOn bzw. APP Marketplace für Bestandskunden an.
Mag. Michael Friedwagner (Infoniqa HR Solutions): Die Angebote bzw. die Erfahrungen mit mobilen Apps im HR-Umfeld sind derzeit noch zu gering um solche Rückschlüsse ableiten zu können. Es gibt viele Funktionen und Prozesse, die sich mit mobilen Apps hervorragend abdecken lassen wie z.B. Reiseabrechnung, Zeiterfassung, diverse Freigabe-Workflows, Kursbuchübersichten inkl. Reservierungen, etc. Interesse und Nachfrage sind gegeben bzw. bedingt durch die rasante Verbreitung der Smartphones tendenziell stark steigend.
Mag. Matthias Dietrich (rexx systems): In der Praxis ist die Nachfrage im HR-Bereich noch relativ gering. Für viele ist ein mobiler Zugang über eine Weboberfläche wichtig, um von zuhause oder unterwegs arbeiten zu können. Der Zugriff auf HR Software über Smartphone & Co ist eher punktuell von Interesse (z.B. bei der Bearbeitung von Urlaubanträgen u.ä.). Ein anderes Bild ergibt sich da im Personalmarketing. Hier ist eine Präsenz des Unternehmens und der Stellenangebote in sozialen Netzwerken genauso wie die schnelle Erreichbarkeit über mobile Endgeräte ein immer wichtigerer Aspekt. Ein modernes Jobportal sollte daher diese Anforderungen unterstützen.
Thomas Scharmer (Lohn & HR): Große Nachfrage besteht in erster Linie bei Zeitmanagementlösungen, dabei ist auch das Angebot schon dementsprechend gegeben. In anderen Bereichen (zB Personalverrechnung) ist Nachfrage gering. Nicht alles was technisch machbar ist, ist auch sinnvoll. Hier sollte der Schutz personenbezogener Daten vor Mobilität stehen. Mitarbeiter-Self-service-Anwendungen mit modernen Web-Oberflächen können einfacher zu bedienen sein und bieten mehr Möglichkeiten als so manche mobile App.
Wo liegen die Grenzen des Machbaren bzw. Sinnvollen?
Mag. Michael Friedwagner (Infoniqa HR Solutions): Ich denke, dass die Grenzen des Machbaren und Sinnvollen noch nicht erreicht oder überschritten wurden.
Gregor Minichberger (ePunkt): Bei reinen Businesslösungen mit vollem Funktionsumfang sind die Grenzen von mobilen Apps auf Grund der nach wie vor kleinen Bildschirmgröße schnell erreicht. Für Recherchezwecke bzw. für das Nachschlagen von Informationen und für schnelles Reagieren auf Anforderungen haben sie jedoch ihre Berechtigung.
Mag. (FH) Wolfgang Rehor (Sage GmbH): Mobile Anwendungen haben dann Sinn, wenn ein erweiterter Anwenderkreis (z.B. Führungskräfte) für bestimmte Aufgaben und Informationen einen HR-Prozess beschleunigen. z.B. Zusammenfassung Bewerberdaten wird am Mobilephone, Tablet angezeigt „Neue Bewerbungen“ und zuständige Führungskraft entscheidet: Einladen | on hold | absagen.
Barrie Crow (Lumesse): Wer viel geschäftlich unterwegs ist, will auch im Zug oder Flughafen Zugriff auf seine Daten haben oder neu eingegangene Bewerbungen sofort einsehen. Ich sehe hier keine Grenzen, sondern denke eher, dass viele Arbeitsfelder gerade neu definiert werden. Durch die starke Integration von Social Media und der wachsenden Verbreitung von Apps müssen Unternehmen wach sein und auf Nutzertrends schnell reagieren. Schließlich verändern all diese Anwendungen die Anforderungen der Nutzer.
Reinhold Immler (JoinVision E-Services GmbH): Mobile Apps im HR-Bereich sind in erster Linie Hilfsmittel für den Bewerber, weniger für den Personalisten. HR-Applikationen, welche der Optimierung des Arbeitsprozesses eines Personalisten dienen, machen daher wenig Sinn. Grundsätzlich machen mobile Applikationen nur dann Sinn, wenn sie tatsächlichen Mehrwert generieren und nicht bloßes Gimmick sind, um ein allfälliges Produkt-Portfolio, weil es aktuell gerade schick ist, abzurunden. Das heißt im Falle eines Apps für die Jobsuche tatsächlich behilflich ist, das Finden eines passenden Angebotes zu verbessern.
Doris Lieber (SAP Österreich): Die Grenzen liegen aus Sicht der IT in der Datensicherheit und dem Gerätemanagement. Ein Großteil der Unternehmen hat unter anderem auch eine Vielzahl von unterschiedlichen Geräten im Einsatz welche unterstützt werden müssen. Auch die Einbindung von mobile Anwendungen in bestehende Prozesse stellt sowohl IT als auch den Fachbereich HR vor eine Herausforderung. Doch die Kosten – Nutzen Betrachtung spricht klar für mobile HR Prozesse. Neben einer höheren Flexibilität der Mitarbeiter, werden auch Kosten für administrative Tätigkeiten erheblich gesenkt. Zukünftig werden auch schnelle Auswertung von Kennzahlen/Key Performance Indicators (KPIs) und die Erstellung von Reports ein zentrales Thema für mobile Applikationen sein.
Welche Trends sehen Sie international bzgl. mobiler Apps?
Barrie Crow (Lumesse): Bedingt durch den Fachkräftemangel reicht es zusehends nicht mehr, Talente nur regional zu suchen. Hier sind Anwendungen von Vorteil, die es erlauben, zum Beispiel firmenintern aber international gezielt nach Kandidaten für bestimmte Positionen zu suchen. Apps ergänzen dieses Bild nur, weil sie letztlich auf dieselbe Datenbank zugreifen. In erster Linie zählt die Geschwindigkeit, mit der Unternehmen auf diese Anforderungen reagieren können.
Simon Lins (Prosolution): Ein Großteil der Apps sind für den Privatkunden ausgelegt, aber der Trend geht dahin, dass immer mehr Business-Applikationen auf den mobilen Endgeräten verfügbar sind.
Mag. Gregor Gutzelnig (Workflow EDV): Im Business-Bereich gibt es bereits einige sehr gute Apps, welche die persönliche Produktivität positiv beeinflussen. Insgesamt steuern wir auf eine zweite Welle zu. Diese wird gekennzeichnet sein von Unternehmen, die auf Standard-Apps setzen bzw. eigens für das Unternehmen geschriebene Apps für den internen Gebrauch, aber auch zur Kundenbindung bzw. Kundengewinnung einsetzen. Eine moderne Personalabteilung kann Ihre Servicequalität stark erhöhen, indem mobile Apps für Themenbereiche wie Zeiterfassung, Reisekostenabrechnung, Projektzeitbuchung und HR Reporting eingesetzt werden.
Die Gesprächspartner
HR-Software: Apps?! Auf jeden Fall: mobil!