Experten-Interview: Coaching-Ausbildungen
Vergangene Woche hinterfragte ich in einem HRweb-Experten-Interview „Coaching-Voraussetzungen: sind Sie dazu bereit?“, was einen Coach ausmacht und in wie fern sich Führungskräfte selbst als Coaches eignen. Heute spanne ich den Bogen ein wenig weiter und gehe ein auf
- Qualitätssicherung,
- die Coaching-Langschaft en gros,
- wie man den richtigen Coach identifiziert und
- die Frage, welche Details tunlichst VOR dem Coaching geklärt werden sollten.
… um nicht nach dem Coaching dazuhängen wie die Couch unterm coach-wütigen Hund.
Was halten Sie von den Versuchen, im Coachingkontext Qualitätssicherungsmechanismen zu etablieren?
Ing. Stefan Gros, MSc (Kepos): Wenn sie auf formale Qualifikationen ausgerichtet sind, mag das durchaus relevant sein, wobei ich anmerken will, dass kaum ein Zertifikat das am Markt ist, auch nur irgendwas über die „Qualität“ des Coaches aussagt. Wie viele Institute lehnen denn wirklich in einem relevanten Maß Menschen für Ausbildungen ab, solange diese zahlen. Auch Rahmenbedingungen gesetzlich geregelter Ausbildungen werden ganz offiziell unterlaufen. Was sind also die Scheine noch wert? Lediglich die formale Qualifikation lässt sich so überprüfen. Die eigentliche und viel wichtigere ist aber jene, die ausschließlich der Klient feststellen kann. Auch das ist schon gar nicht so einfach, kann es doch zu Abhängigkeiten kommen. Hier glaube ich aber an die Autonomie unserer Kunden und an die Professionalität meiner Kollegen … meistens.
Doris Andreatta, MSc (Training&Beratung): Qualitätsstandards für das Berufsbild Coaching orientieren sich vorwiegend an den Standards der Unternehmensberatung, der Lebens- und Sozialberatung und an den Richtlinien, wie sie für Psychotherapie bzw. psychologische Beratung bestehen. 2011 wurde auf unsere Initiative hin in Zusammenarbeit mit der Fa. SystemCert das Zertifizierungsprogramm Coach nach EN ISO 17024 erarbeitet und verabschiedet. Dieses Programm zur Kompetenzzertifizierung berücksichtigt berufsgruppenbezogene Standards und Qualitätsmodelle führender Coachingverbände geleichermaßen, wir wünschen uns deshalb, dass die ISO 17024 – Kompetenzzertifizierung Coach zukünftig dazu beitragen kann, das Berufsbild Coaching klarer zu etablieren, abzugrenzen und weiter zu professionalisieren.
Sollte Coaching „akademisch“ werden?
Dr. René Reichel, MSc (Donau-Universität Krems): Das wird sich auf jeden Fall weiter dorthin entwickeln, da die Anbindung an akademisch-wissenschaftliche Standards eine der wenigen Möglichkeiten ist, Seriosität in den derzeitigen Wildwuchs zu bringen, denn die wachsende Verwirrung der Kunden (was ist da wirklich brauchbar?) wird sonst mittelfristig „Coaching“ als Ganzes abwerten bzw. in Verruf bringen.
Wie sehen Sie die Coaching-Landschaft?
Mag. Peter Schütz, MSc (Arthur Schütz & Co NLP Unternehmensberatung): Sehr differenziert, ca 20 % sind wirklich gut, der Rest besteht aus 1. sehr vielen Pfuschern & Möchtegerns die in keiner Firma mehr unterkommen sind und 2. sektenartige Anbietern mit Pseudodiplomen.
Wie finde ich nun aus der Vielzahl an Angeboten den richtigen Coach?
Roman Braun (Trinergy International): Dazu möchte ich eine Anekdote erzählen, die ich auch in meinem Buch „Die Coaching Fibel – Vom Ratgeber zum High Performance Coach“ verwende: Der Rhetoriklehrer Isokrates wurde auf dem Platz vor der Akropolis von einem Neider öffentlich zur Rede gestellt: „Du, der du noch nie selbst ein Wort an eine Versammlung gerichtet hast, wie kannst du es wagen, andere in der Kunst des Redens zu unterrichten?“ Isokrates ist zu Zeiten Platons der bedeutendste Rhetoriklehrer Griechenlands. Obwohl er wegen seiner schwachen Stimme von öffentlichen Auftritten und einer eigenen politischen Karriere absieht, geht die geistige Elite in seine Schule: von den Historikern Ephoros und Theopompos über die Politiker Demosthenes und Timotheos, ja selbst der Vater von Alexander dem Großen, Philipp von Makedonien, findet zu ihm. Neider hatte Isokrates daher viele, aber nach seiner Antwort an jenen wurde er nie wieder öffentlich angegriffen. Seine Replik war: „Wenn du ein Messer schleifen wolltest, was würdest du nehmen: ein anderes Messer oder einen Schleifstein?“
Welche Prämissen sollten zwischen Coach und Coachee vor dem Coaching abgeklärt sein?
Mag. Günther Kampitsch, MBA (WIFI Steiermark): Gute Coaches erkennt man an folgenden drei Voraussetzungen: 1. muss ein Coach inhaltlich entsprechend qualifiziert sein und diese Ausbildung durch ein anerkanntes Zertifikat bestätigt sein; 2. sollte er ein klar strukturiertes Coaching-Konzept haben, das er dem Kunden im Vorfeld erklären kann und das er selbst authentisch lebt; 3. muss er das nötige Vertrauen zum Klienten aufbauen können – also auch durch seine Persönlichkeit zu überzeugen verstehen.
Mag. Esin Suvarierol (Systemische Lösungen): Besonders wichtig ist es, die Kunden transparent über das Was und Wie des Coaching-Prozesses zu informieren, d.h. darüber, wie man arbeitet, auf welche Prämissen und Grundannahmen man sich als Coach bezieht und auch woher, aus welcher Richtung/Ansatz diese Prämissen kommen. Die Prämissen beim systemischen Coaching nach SySt® (Systemische Strukturaufstellungen) kommen von systemisch-konstruktivistischen Ansätzen (Heidelberger Schule, Mailänder Schule), vom lösungsfokussierten Ansatz (Steve de Shazer, Insoo Kim Berg) und der modernen Hypnotherapie nach M. Erickson. Ein systemischer Coach sollte immer aktiv meta-kommunizieren (können), wie sie arbeitet und in welcher Weise diese oder jene Richtung, die man im Coaching Prozess einschlägt, zu der vom Kunden gewünschten Zielrichtung beitragen kann. Aktive, transparente Informationsstrategie setzt natürlich voraus, dass der Coach sich auf ein fundiertes Hintergrundwissen und Prämissen und Haltungen bezieht.
Ist Coaching per Telefon oder Internet möglich und worauf muss dabei besonders geachtet werden (auf Coach- als auch auf Kundenseite)?
Dr. Klaus Rückert (ARGE Bildungsmanagement): Das ist durchaus möglich, allerdings verändern sich durch die Online-Medien – im Vergleich zur face-to-face-Situation – auch die Methoden der Beratung. Eine Methoden- und Wahrnehmungsschulung für Online-Coaching ist unumgänglich.
Sabine Piotrowski (Treffpunkt Glückspsychologie): „Komisch, das hab ich meiner Therapeutin noch nie gesagt“ sagt eine Burnout-Klientin nach der ersten halben Stunde am Telefon. Nach meiner Erfahrung hat Telefoncoaching vor allem einen Vorteil: Der Coachee öffnet sich rascher. Die „Gefahr des Gesichtsverlustes“, wenn man Dinge anspricht, die einem sonst unangenehm oder peinlich sind ist viel weniger gegeben, da man räumlich getrennt ist und den Coach eben nicht ins Gesicht sieht. Die teilweise fehlenden nonverbalen Informationsquellen kann man als Coach auch als Vorteil nützen, nämlich als Stützung der Haltung des Nicht-Wissens. Denn nicht immer ist ja die Interpretation von nonverbalen Aspekten korrekt. So kann ich also noch mehr erfragen, z.B. „Wie geht es Ihnen jetzt damit, wenn Sie mir das erzählen?“, „Wie fühlt sich diese Lösungsidee in Ihrem Körper an?“
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Die Gesprächspartner: Coaching-Landschaft hinter den Kulissen
Dr. René Reichel, MSc Donau-Universität Krems Mag. Peter Schütz, MSc Arthur Schütz & Co NLP Unternehmensberatung Mag. Esin Suvarierol Unternehmensberatung für Systemische Lösungen Doris Andreatta, MSc Training & Beratung Roman Braun Trinergy Dr. Klaus Rückert ARGE Bildungsmanagement Wien Ing. Stefan Gros, MSc Kepos MMag. Sabine Piotrowski Treffpunkt Glückspsychologie – Lebensfreude Mag. Günther Kampitsch, MBA WIFI Steiermark |