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Experten-Interview: NO-GOs im Coaching

07Sep.2012
8 min
Coaching

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Voraussetzungen für einen guten Coach und folglich gutes Coaching diskutierten wir im HRweb-Coaching-Interview „Coaching-Voraussetzungen: sind Sie dazu bereit?“ im juli2012. Ausgespart blieben die zahlreichen No-Go’s. Eine Runde aus erfahrenen Coaches muss nur kurz angepiekst werden und schon prasseln die „Nur-ja-enicht“s auf mich ein:

Experten-Interview

Welche absoluten No-Go´s sollte ein Coach Ihrer Meinung nach auf jeden Fall vermeiden?

Mag. Peter Schütz, MSc (Arthur Schütz & Co  NLP Unternehmensberatung): 1. dem Klienten Versicherungen, Autos, Seminare etc verkaufen; 2. Privatbeziehungen eingehen & Abhängigkeiten schaffen; 3. Deutungen  und Interpretationen aufs Aug drücken

Mag. Sabine Prohaska (seminar consult):

  • In die Rolle des Beraters fallen und gleich eine Lösung des Problems anbieten. Beim Coaching stehen die Eigenverantwortlichkeit der Klienten im Vordergrund und ihre Fähigkeit, Prozesse selbst steuern und ein Problem selbstständig lösen zu können.
  • In das Problem des Klienten kippen. Hier hilft eine grundsätzlich positive Grundhaltung, mit der Einstellung „Es könnte auch anders sein!“
  • Gar keine oder unzureichende Zielarbeit. Als Coach darf man sich nicht zu früh mit einem scheinbar klaren Ziel des Coachees zufrieden geben. Ziele und Motive müssen ausführlich hinterfragt werden um damit auch dem Coachee zu helfen, einen vielleicht vorhandenen Gedankenkäfig zu verlassen. Erst wenn das Ziel hinter dem Ziel gefunden ist, wird die Motivation spür- und nutzbar.
  • Linear kausales Denken. Wer sich als Coach bei der Frage „Wer ist daran schuld?“  aufhält, sollte berücksichtigen, dass eine solche Aufarbeitung zwar wichtig sein kann, aber zumeist nicht ausreicht, um Lösungen zu finden. In den häufigsten Fällen haben wir es mit mulitfaktoriellen Wirkzusammenhängen zu tun.

Michael Tomaschek (E•S•B•A): sich selbst in dem Mittelpunkt stellen, Ratschläge erteilen, bewerten, Coaching-Inhalte ohne Einverständnis des Coachees an Dritte weitergeben.

Mag. Clemens Stieger (GfP): Coaching ist immer ein Balance-Akt, ein Weg auf einem schmalen Grad. Fehlermöglichkeiten und Fallen gibt es jede Menge. Die zentralen Wirkfaktoren liegen in der Haltung und in der Beziehungsgestaltung, nicht in den eingesetzten Methoden und Ratschlägen. Reine Methodengläubigkeit und Standardprozesse sind Widersprüche zur Coachinglogik. Kunstfehler sind definitiv dort, wo Grenzen verletzt und die Autonomie des Coachees untergraben wird. Das Grundprinzip von Coaching – im Unterschied zu anderen Beratungsformen – ist, „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu bieten. Das verträgt sich nicht mit reinem Expertentum, Machbarkeitswahn, und Besserwissen. Da ist es dann besser, gleich von Manipulation zu reden.

Karl Wegmaier, MBA (CTC-Akademy): Überheblichkeit, Besserwisser, Ratschläge erteilen, Unfreundlichkeit, ständig eigene Erfahrungen mit einbringen

Sabine Pollak (WIFI Wien): Viel zu reden und wenig zu denken; mehr zu sagen als zu fragen; für den Anderen zu handeln anstelle den Anderen zum Handeln zu bewegen; sich hinter Techniken und Methoden zu verstecken; Angst vor der eigenen Courage zu haben; den Bauch vor lauter Kopf zu verlieren. Kurz: alles und vor allem sich selbst zu ernst zu nehmen.

Dr. Günter Lueger (Solution Management Center): Sich für die Lösung der Klienten verantwortlich fühlen, der Coach ist Experte und verantwortlich für den Prozess im Coaching und die Klienten sind die Experten für ihre Situation. Die Unsitte aus der Unternehmensberatung zu übernehmen, Klienten(systeme) abhängig zu machen, indem der Beratungsablauf auf Folge-Aufträge und somit beratungsverlängernd hingetrimmt wird. Ein verantwortungsvoller Coach wird dafür Sorge tragen, dass die Klienten möglichst rasch das „Steuerrad ihres (Berufs)Lebens“ voll in die Hand nehmen und damit die Selbstkompetenz stärken. Ein weiteres No-Go ist ein herumdoktern an Psychothemen: wenn Klienten psychotherapeutische Hilfe benötigen so müssen diese an Therapeuten, Ärzte bzw. andere Vertreter von Heilberufen weiter vermittelt werden.

Dr. Werner Vogelauer (Trigon-Entwicklungsberatung): Therapeutische Interventionen, Arbeit am System (Organisation), Tipps und Tricks und durch Schaffen von Abhängigkeit/ Passivität.

Elisabeth Jelinek (Jelinek Akademie): Verletzung der Verschwiegenheitspflicht, arrogantes und besserwisserisches Auftreten, auch Diagnostizieren oder Ratschläge erteilen, wild in der Seele der Coachees herumfuhrwerken ist ein absolutes No-Go. Es gibt rechtliche Abgrenzungen, die sollen auch eingehalten werden auch wenn die Grenzen manchmal schwimmend sind.

Martin Lion (ÖAGG): Ein Coach hat gegenüber seinem Coachee eine hohe Verpflichtung dessen Anliegen bestmöglich zu unterstützen. Dazu gehört eine professionelle, ethische Grundhaltung. Unter diesem Gesichtspunkt fallen unter no go’s alle Settings, die diese Verpflichtung gefährden. Beispiele wären das Coaching von zwei Coachees, die sich für denselben Job bewerben oder auch die eigene Bewerbung für einen Job von dem man im Rahmen eines Coachings erfahren hat.  Auch die Übernahme eines Falles, der der Psychotherapie zuzuordnen ist, etwa weil man seine eigenen Grenzen nicht kennt, ist ohne eine entsprechende Ausbildung zu haben ein nogo. Was für den Coach richtig sein mag, muss es noch lange nicht für den Coachee sein. Hier muss sich der Coach permanent selbst reflektieren und vermeiden, den Coachee in eine Richtung zu manipulieren. Ich persönlich könnte auch keinen Klienten übernehmen, dem ich aufgrund seiner ideologischen, unmoralischen oder sogar fanatischen Haltung nicht unbefangen und positiv gegenüberstehen kann, weil ich dadurch die Unterstützungsarbeit nicht bestmöglich leisten kann

Katharina Kendöl (Sympaideia): Absolut zu vermeiden ist, dass sich der Coach „über“ den Coachee stellt und „besser weiß“ welche Lösungen für den Coachee passen. Ein weiteres absolutes „No-Go“ ist das Anwenden manipulativer Techniken und Interventionen, die den Coachee unter Druck setzen und keine Transparenz im Coachingprozess gewährleisten.

Mag. Walter Hackl, MA (Bildungsforum Wien): Völlig inakzeptabel sind manipulative Tendenzen, die meist zu untragbaren Ergebnissen führen. Des Weiteren ist es mit der Rolle eines Coaches nicht vereinbar, wenn sich der Coach selber bzw. seine eigenen Interessen in den Vordergrund stellt. Unangebracht ist auch, wenn der Coach seine Klienten nach „Schema F“ begleitet, indem er die Individualität seiner Coachees schubladisiert und pauschalisierend urteilt.

Mag. Esin Suvarierol (Systemische Lösungen): Eine der Prämissen, mit der ein Systemisches Coach nach SySt® (Systemische Strukturaufstellungen) arbeitet ist, dass Menschen und Organisationen komplexe, autonome Systeme sind. Daher sieht sich der Coach ausschließlich als Experte für die Gestaltung des Coaching Prozesses, der im Dialog mit dem Kundensystem einen „Möglichkeitsraum“ öffnet, d.h. ein Feld, in dem das Kundensystem (Einzelperson oder eine Personengruppe) ihre Lösungs- und Handlungsmöglichkeiten erweitern kann. Bezogen auf die Inhalte der Kunden nimmt der Coach eine Haltung des Nicht-Wissens und Nicht-Deutens ein. Und das ganz bewusst, um neugierig Fragen zu können und nicht zu früh zu „wissen“ oder zu verstehen, was beispielsweise erfolgreich genau in diesem Zusammenhang für dieses spezifische Kundensystem bedeutet.

Mag. Günther Kampitsch, MBA (WIFI Steiermark): Coaching ist keine Fachberatung wie das Erklären eines Computerprogramms (ich weiß, wie’s geht und anders geht’s sicher nicht!), sondern eine Prozessberatung. Ein absolutes No-Go ist daher das Aufoktroyieren der eigenen Meinung – Coaches sind dazu da, dass der Kunde im Laufe des Coaching-Prozesses selbst eine gut reflektierte, bestmögliche Entscheidung treffen kann. Coaching ist Begleitung, nicht Führung. Ein weiteres No-Go, das leider häufig vorkommt, ist die Eigeninterpretation des Auftrags ohne Absprache mit dem Kunden, z. B. indem der Coach den Auftrag selbstständig erweitert. Im WIFI-Coaching-Lehrgang wird das ausführlich thematisiert: Am Anfang jedes Coaching-Prozesses steht immer ein klar definierter, offizieller Auftrag, der entweder zwischen Coach und Kunden direkt vereinbart wird oder aber als Dreiecksvertrag zwischen Coach, Kunden und dessen Führungskraft.

Mag. Renate Strommer (ASO & WiLAk): Alle Tabus der systemischen Arbeit, z.B. ohne Auftrag oder auftragsüberschreitend arbeiten, Verantwortung des Kunden übernehmen; Inhalte bewerten, deuten oder sogar verurteilen, entscheiden was für den Coachee gut oder weniger gut wäre; Einbringen der eigenen Erfahrungen, Sichtweisen, Werte oder Ziele in das System des Coachees; Aufbau von Widerstand und Blockaden; Problemorientierung; Ratschläge erteilen; Themen-Hopping, Verzicht auf Fokussierung oder Zielorientierung; den Kunden behindernde oder beeinträchtigend wirkende Muster unterstützen oder verstärken; die Prozessführung dem Kunden überlassen

Doris Andreatta, MSc (Training & Beratung: Drängt eigenes Wissen / eigene Lösungen auf; gibt ständig Erklärungen, erzählt ausschließlich von eigenen Erfahrungen und Vorgehensweisen.

Nicolas Fitz (Coach Akademie Schweiz): No-Go`s sind: Wertung des Klienten, sei es Abwertung – oder Aufwertung! Der Coach verhält sich absolut neutral und objektiv. Des Weiteren wird ein guter Coach niemals dem Klienten Vorschläge machen oder Worte „in den Mund“ legen. Es muss auch ein Selbstverständnis sein, nur Menschen zu coachen, die keine Symptome mit Krankheitswert haben. Das heißt, wir würden niemals depressive oder z.B. Menschen mit Bulimie coachen. Die klare Definition und die Erkennung der verschiedenen Symptome u.a. fixer Bestandteil unserer Coach-Lehrgänge.

Dr. René Reichel, MSc (Donau-Universität Krems): Sich als Solist bzw. Star gebärden; alle Themen bzw. Aufträge annehmen; sich negativ über Kollegen äußern, außer bei eindeutigen ethischen Verfehlungen.

Dr. Kornelia Steinhardt (Universität Wien): Ein Coach darf sich nicht verführen lassen, dass er alles besser weiß als sein Coachee!  Der Coach ist nicht die bessere Führungskraft! Auch wenn es noch so attraktiv erscheint, sich einzumischen – er muss es aushalten, nicht im Unternehmen mitzumischen. Keine Angst vor Emotion! Coachees kommen oft mit heftigen Gefühlen – Wut, Ärger, Ängste, die im Berufsalltag keinen Platz haben. Wenn der Coach es nicht schafft, Emotionalität von Coachees zu verstehen und zu reflektieren, kann er nicht wirksam werden.

Mag. Günther Nausner (Kaleidos): Seine Verschwiegenheitsverpflichtung zu verletzen und Informationen aus dem Coaching an Ditte weiterzugeben.

Dr. Michaela Judy (ASYS): Fehlende Sorgfalt in der Auftragsklärung (Anliegen, Settings, Berichtswünsche etc. v.a. bei Dreiecksakquise nicht gründlich klären); sich Verstricken lassen (eigene Lösungsvorschläge durchsetzen wollen und damit Partei im Beziehungsgeschehen werden); Retterattitüde (Probleme der Klienten linearkausal und/oder um jeden Preis „lösen“ zu wollen).

 

Die Gesprächspartner

Experten-Interview: NO-GOs im Coaching

HRwebDr. Werner Vogelauer
Geschäftsführer

Trigon Entwicklungsberatung


HRwebElisabeth Jelinek
Geschäftsführerin

Jelinek Akademie


HRwebMag. Clemens Stieger
Geschäftsführer

GfP Gesellschaft für Personalentwicklung


HRwebDr. René Reichel, MSc
Geschäftsführer

Donau-Universität Krems


HRwebMag. Renate Strommer
Geschäftsführerin

ASO & WiLAk


HRwebDr. Günter Lueger
Geschäftsführer

Solution Management Center


HRwebMichael Tomaschek
Geschäftsführer

E•S•B•A – European Systemic Business Academy


HRwebDr. Kornelia Steinhardt
Lehrgangsleiterin Coaching und Supervision

Universität Wien – SuCo (Universitätslehrgang Supervision und Coaching)


HRwebMartin Lion
Mitglied der Sektionsleitung Supervision, Coaching und Organisationsberatung

ÖAGG Sektion Supervision und Coaching


HRwebKarl Wegmaier
Businesstrainer & -coach, Mentaltrainer

CTC Academy


HRwebDoris Andreatta, MSc
Geschäftsführerin

Training & Beratung


HRwebMag. Peter Schütz, MSc
Geschäftsführer

Arthur Schütz & Co  NLP Unternehmensberatung


HRwebMag. Sabine Prohaska
Geschäftsführerin

Seminar Consult


HRwebDr. Michaela Judy
Lehrgangsleiterin

ASYS


HRwebMag. Esin Suvarierol
Geschäftsführerin und Lehrgangsleiterin

Unternehmensberatung für Systemische Lösungen


HRwebKatharina Kendöl
Vorstandsmitglied

Sympaideia (Verein für Beratung, Aus-, Fort- & Weiterbildung)


HRwebMag. Walter Hackl, MA
Fachbereichsleiter Kommunikation & Beratung

Bildungsforum – Institut Dr. Rampitsch


HRwebMag. Günther Kampitsch, MBA
Lehrgangsleiter

WIFI Steiermark


HRwebNicolas Fitz

Coach Akademie Schweiz


HRwebSabine Pollak

WIFI Wien


HRwebMag. Günther Nausner

Kaleidos


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