Eine umfangreiche HR-Ausbildung, die gleichzeitig eine Coaching- / Train-the-Trainer- / sonstige Ausbildung darstellt … in wie fern ist das sinnvoll? Ich fragte (m)eine Experten-Runde. Und immer wieder eine brisante Frage: Wie sieht es mit dem Praxis-Bezug in der theoretischen Ausbildung aus?
Experten-Interview: Mehr als nur 1 HR-Ausbildung?!
Bieten Sie im Zuge/innerhalb Ihrer HR-Ausbildungen auch weitere vollwertige Ausbildungen wie eine Coaching- oder Trainer-Ausbildung an? Wie stehen Sie dazu?
Prof. Dr. Ralph Sichler (FH Wiener Neustadt): Dies im Rahmen eines Hochschulstudiums vollwertig integriert mit anzubieten und abzudecken halte ich nicht für seriös. Unsere Studierenden lernen die theoretischen, methodischen und praktischen Grundlagen von Coaching und Training als wichtige Elemente moderner professioneller Personalentwicklung kennen. Eine Ausbildung in diesen Methoden ist dies aber noch nicht. Und ich halte es auch für besser, wenn dies auf einem hohen qualitativen Niveau von seriösen, möglichst zertifizierten Anbietern geleistet wird. Dies kann auch eine Hochschule tun, es sollte sich dann aber um eine eigene Ausbildung handeln und nicht in ein Studium integriert sein.
Mag. David Schütze, MBA (WIFI Steiermark): Wir bieten sowohl Coaching als auch Trainerausbildungen an. Da es sich um umfangreiche Lehrgänge handelt, sind diese nur ergänzend zur HR Ausbildung zu absolvieren.
Mag. Beate Huber (FHWien der WKW): In unserem Bachelor-Studiengang Personalmanagement könnend die Studierenden im Rahmen des Studiums ein Zertifikat als Trainer erwerben, da alle dazu notwendigen Elemente auch Teil des Studiums sind. Im Master-Studiengang Organisations- und Personalentwicklung können die Studierenden ein Coaching-Zertifikat erwerben. Einige Teile dieser Ausbildung sind im Studium enthalten. Die fehlenden Teile müssen gesondert erworben werden. Da unsere Studiengänge die für die Zertifikate notwendigen Ausbildungselemente enthalten, sehen wir es als sinnvolle Ergänzung an, diesen Kompetenzerwerb durch ein zusätzliches Zertifikat explizit zu machen.
Mag. Armand Kaáli-Nagy (ÖPWZ): Mit der ÖPWZ-Personal-Akademie bietet das ÖPWZ eine umfassende HR-Ausbildung an. Eine Professionalisierung von HR-Teilgebieten decken Ausbildungen, wie der Lehrgang Personalentwicklung, Lehrgang Recruiting, Lehrgang Personalcontrolling oder Lehrgang für Nachwuchsführungskräfte ab. Teilnehmer erhalten nach erfolgreicher Prüfung ein Diplom.
Mag. Sonja Schloemmer, MBA, MAES (Schloemmer & Partner): Unsere Zielgruppe sind Führungskräfte und HR Spezialisten in Unternehmen, daher bieten wir nur für unsere Netzwerkpartner im Unternehmen Trainerausbildungen und Coachingausbildungen an. Jedes unserer 1-tägigen HR-Module kann jedoch auch in Form von 2-stündigen Einzelcoachings absolviert werden, damit man nicht an Seminartermine gebunden ist.
Franz Dinhobl (KICK OFF): HR-Ausbildungen und die Ausbildung zum Coach sind weitgehend unterschiedliche Themen. Eine Coaching-Ausbildung stellt für uns eine spezielle Professionalisierung für berufserfahrene Menschen dar. In der Ausbildung sind sowohl das intensive theoretische Lernen sowie die praktische Umsetzung während des Lehrganges Bedingung. Kriterien für die Aufnahme in den Lehrgang sollten die bisherige Ausbildung, Berufserfahrung und daraus auch ein Mindestalter sein.
Wie schlagen Sie die Brücke theoretischen HR-Thematiken zum relevanten Praxisbezug?
Mag. Clemens Stieger (GfP): Es scheint in der HR-Branche einen „Praxis-Hype“ zu geben: Praxiserfahrungen sind gut und dienen dem „copy-paste“-Lernen (Lernen am Modell). Dabei wird aber lediglich die „Handwerkseite“ von HR betrachtet. Für professionelles Handeln braucht es aber mehr. Ein zentraler Aspekt dabei ist die „reflektierte Praxis“: das infrage stellen der aktuellen Praxis und eine kritische Distanz zum alltäglichem Handeln. Dafür braucht es aber Suchraster und „Brillen“. Dazu braucht es Theorien und Modelle. Praxis braucht Theorie – Theorie braucht Praxis. Es ist auch unsere Verantwortung, die Teilnehmerinnen auf die zukünftigen Herausforderungen vorzubereiten. Es geht als auch um „HR-Innovation“. Dafür muss ich mich von der eigenen Praxis auch lösen können. Unsere Berater und Trainer bringen viel Praxiserfahrung mit. Das ist uns aber zu wenig. Sie müssen auch in der Lage sein, die eigenen Tätigkeit zu hinterfragen, weiterzutreiben und „das Gras wachsen hören“.
Mag. David Schütze, MBA (WIFI Steiermark): Durch unsere Praktiker, die im Lehrgang unterrichten! (Personalentwickler und HR Manager internationaler Unternehmen)
Mag. Beate Huber (FHWien der WKW): Die Studiengänge sind so aufgebaut, dass theoretisches Wissen und praktische Erfahrung verzahnt werden. Das erfolgt durch praxisnahe Lehrende und Praxisprojekte wie auch die Möglichkeit, dass die berufsbegleitend Studierenden ihre berufliche Erfahrung ins Studium einbringen können.
Mag. Armand Kaáli-Nagy (ÖPWZ): Wir wählen unsere Vortragenden sehr sorgfältig aus. Wichtig ist uns dabei, dass sie in der Praxis stehen bzw. vielfältige Erfahrungen gesammelt haben. Unsere Vortragenden kennen die Herausforderungen und Problemstellungen unserer Teilnehmer und können deshalb wirklich relevante Praxisbeispiele und Übungen liefern. Passt es zur Thematik, unterstützt auch die Möglichkeit zur Selbsterfahrung diesen Brückenschlag.
Christina Pritz, MSc (ARS): Basis unseres gesamten Aus- und Weiterbildungsprogramms bildet die Kombination von fundiertem Theorie-Input und Praxis Know-how, welches beispielsweise in Form von Best-Practice Berichten oder Praktiker-Workshops vermittelt wird. Dies ist ebenso ein bedeutender Punkt bei der Auswahl unserer Trainer. Seit einigen Jahren bieten wir auch gezielte Veranstaltungsformate an, in deren Fokus besonders die Praxis steht – sogenannte „Praktiker JourFixes“. Diese finden quartalsweise statt und widmen sich nach einem kurzen „Neuerungen-Part“ ausschließlich den Teilnehmeranliegen und Erfahrungsaustausch.
Univ.- Prof. Dr. Irena Zavrl (FH Burgenland): Unser Masterstudiengang Human Resource Management mit Arbeitsrecht MOEL besticht durch die einmalige Verknüpfung von Vermittlung des theoretischen Wissens mit länderspezifischem Wissen über Arbeitsmärkte und Bildungssysteme MOEL. Durch erfahrene, aus der Praxis kommende, Vortragende und durch zahlreiche Fallstudien, Projekte und Exkursionen in das jeweilige Zielland schaffen wir einen hohen Praxisbezug. Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass es ohne Praxis keine Theorie gibt und umgekehrt.
Dr. Martina Scheinecker (Trigon): Unser Lehrgang für Personalentwicklung „Trigon HR Forum“ ist keine universitäre Ausbildung, sondern primär eine handlungsorientierte Weiterbildung für Praktiker. Praxiswissen hat für uns und für die Teilnehmer Vorrang. Durch die starke Einbindung von Praktikern aus Unternehmen in das Trigon HR Forum wird dies sehr unterstützt. Aber: „Nichts ist praktischer als eine gute Theorie“ – nach diesem Motto bringen wir einige theoretische Konzepte, die sich aus unserer eigenen Beratungserfahrung in der Praxis bewährt haben, d.h. die helfen, komplexe Phänomene der Realität zu verstehen, um dadurch besser handlungefähig zu werden.
Die Gesprächspartner
Mag. Armand Kaáli-Nagy ÖPWZ – Österreichisches Produktivitäts- und Wirtschaftlichkeits-Zentrum Christina Pritz, MSc ARS – Akademie für Recht, Steuern & Wirtschaft Univ.-Doz. Dr. Ralph Sichler FH Wr. Neustadt Mag. Clemens Stieger GfP – Gesellschaft für Personalentwicklung Dr. Martina Scheinecker Trigon Entwicklungsberatung Mag. Beate Huber FHWien – Studiengänge der WKW www.fh-wien.ac.at Mag. David Schütze, MBA WIFI Steiermark Univ.-Prof.Dr. Inrene Zavrl Fachhochschulstudiengänge Burgenland GesmbH Franz Dinhobl KICK OFF Management Consulting GmbH Mag. Sonja Schloemmer, MBA MAES Schloemmer & Partner KG Unternehmensberatung |