Experten-Interview: psychische Erkrankungen
Schneller, besser, perfekter, lächelnder, effizienter … bis hin zum Burnout.
Heute geht es um Ursachen & Hintergründe, um Burnout & zahlreiche ebenso häufige psychische Erkrankungen, um noch mehr Einblick in ein Thema, das doch noch immer zu gern unangesprochen bleibt.
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Welche psychischen Erkrankungen haben in den letzten Jahren zugenommen?
Claudia Kaltenböck (CKapunkt7 Training): In den letzten Jahren werden vermehrt psychische Erkrankungen in Folge von Stressüberlastung diagnostiziert. Das Burnout-Syndrom oder auch Erschöpfungsdepression ist in diesem Zusammenhang die meist genannte. Ich nehme an, dass dies nicht nur auf die zunehmenden Belastungen zurückzuführen ist, sondern auch auf ein gewachsenes Bewusstsein, dass auch psychische Krankheiten ernst zu nehmen sind.
Ralph Bartel (No Burnout): Depression, Burnout, Anpassungs- oder Angststörung, Alkoholismus & Co: Natürlich wollen wir diese Sprösslinge unserer Leistungsgesellschaft beim Namen nennen. Doch wie relevant sind diese Termini tatsächlich? Schnell einmal verliert der Laie den Überblick. So gilt etwa das Burnout-Syndrom nicht als Erkrankung, kann daher nicht diagnostiziert werden und ist statistisch schwer erfassbar. Dennoch hat sich der Begriff „Burnout“ wie ein Lauffeuer verbreitet. Wie kommt’s? Er bezieht sich eben nicht auf die aus der chronischen Überforderung resultierenden, vielfältigen und individuell verschiedenen psychischen und körperlichen Reaktionen. Er beschreibt einfach das Gefühl, eben das des „Ausgebrannt-Seins“, welches der Betroffene erlebt und somit (be)greifbarer wird. Immer mehr Menschen leiden darunter, die Symptome sind individuell verschieden. Zudem weist uns das Wort „Burnout“ auf die gemeinsame Ursache vieler psychischer Erkrankungen hin: Wer ausgebrannt ist, muss einmal gebrannt haben.
Mag. Manuela Palotay: Man liest häufig, dass vor allem Burnout vermehrt in der Bevölkerung auftritt. Eine Krankheit, die als solche bislang oft nur indirekt über „Anpassungsstörungen“, „Neurasthenie“, „Erschöpfungssyndrom“ oder „Depression“ diagnostiziert wurde und immer noch wird, da bis dato eine Aufnahme in gängige Klassifikationssysteme zwar geplant aber noch nicht erfolgt ist. Aus diesem Grund gibt es keine stichhaltigen Zahlen zu der Erkrankung „Burnout“.
Laut Statistik sind die 5 häufigsten psychischen Erkrankungen 2011: „Starke Depressionen“ (30,30 Mio.), „Spezifische Phobien“ – z.B. Spinnenphobie (22,70 Mio.), „Somatoforme Störungen“ – körperliche Beschwerden, die sich nicht (hinreichend) auf organische Ursachen zurückführen lassen (20,40 Mio.), „Alkoholabhängigkeit“ und „Insomnia“ – Schlafstörungen (jeweils 14,60 Mio.).
Welche Ursachen für psychische Erkrankungen zeichnen sich am häufigsten ab?
Dr. Margit Burger (Health and Skills): Wir leben in einer Turbogesellschaft und zahlen dafür den Preis. Belastungen liegen sowohl in der Arbeit als auch in der Freizeit. Dass Menschen zusammenbrechen hat einerseits mit der Person selbst zu tun, dass sie ihre eigenen Grenzen nicht erkennt jedoch immer mehr erreichen möchte und dabei übersieht, dass der Körper auch Zeiten der Ruhe braucht. Untersuchungen haben gezeigt, dass gerade jene Menschen besonders gefährdet sind, welche in gesunden Zeiten sehr leistungsstark, verantwortungsbewusst, loyal und ehrgeizig sind.
Die Anforderungen in der Arbeitswelt, wie die ständige Erreichbarkeit, das kategorisch geforderte Lächeln im Dienstleistungssektor, ein hoher Leistungsdruck, Konflikte und schlechtes Arbeitsklima, mangelnde Wertschätzung von Seiten der Vorgesetzten, ungenügende Erholungszeiten, mangelnde Mitbestimmung und vieles mehr sind typische Belastungen im Arbeitsumfeld. Ängste spielen dabei eine große Rolle, die Angst zu versagen, die Angst vor Konkurrenz, oder die Angst den Arbeitsplatz zu verlieren.
Ulrike Lackner: Es gibt mehrere Gründe:
1. Der Druck Jedem und Allen gerecht zu werden, versetzt die Arbeitnehmer zusehends unter Stress. Mann und Frau muss immer und jeder Zeit, sei es beruflich oder privat 100% leisten bzw. immer noch mehr geben. Die Werbung suggeriert uns einen Perfektionismus, mit dem wir nicht Schritt halten können. Außerdem kommt der Wettbewerb mit dazu, dass man immer mehr haben und erreichen will, als der Andere.
2. Die sogenannte „Schnelllebige Zeit“ betrifft ja nur die schnelle und rasante technologische Entwicklung. Die Zeit an sich vergeht ja immer gleich schnell. Es scheint ja grad so zu sein, dass man immer weniger Zeit für viele Dinge hat. Die Angebote und auch die Leistbarkeit zB. an Freizeitgestaltung, die immer währende Erreichbarkeit durch unsere Handys (ca. 12 Mill. SIM Karten in Österreich bei einer Einwohnerzahlzahl von 8,3 Mill.), lässt für uns keine Ruhepausen mehr zu.
3.Angst den Arbeitsplatz zu verlieren. Alle Krankenstände verschiedenen Ursprungs sind rückläufig. Nur die Krankenstandstage bei psychischen Erkrankungen sind drastisch angestiegen.
Die Gesprächspartner
Psychischen Erkrankungen | Macht das Leben krank?
Mag. Manuela Palotay Persönlichkeitsmanagement+ Claudia Kaltenböck CKapunkt7 Training Dr. Margit Burger Health and Skills Ulrike Lackner Ulrike. Lackner Ralph Bartel Dipl. Burnout-Prophylaxe-Trainer |