Psychische Erkrankungen treffen Mitarbeiter mit oder ohne Vorwarnung. Auf Unternehmens-Seite sollte die Überraschung durch bereits getroffene Vorbereitungs-Maßnahmen abgefangen werden.
Von sinnvoller Vorbeugung bis zu rechtlichen Notwendigkeiten.
Experten-Interview: psychische Erkrankungen
Interview: Burnout – Unternehmen sollten sich vorbereiten
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Welche rechtlichen Vereinbarungen können von Unternehmens-Seite getroffen werden, um einen humanen Umgang mit diesem prekären Thema zu schaffen (zB generelle Details in der Betriebsvereinbarung, konkrete Hilfestellung im Einzelfall, etc)?
Mag. Manuela Palotay: Zuallererst sollten Arbeitspsychologen die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz evaluieren. Das hat den Vorteil, dass Faktoren, welche bereits die Entstehung von psychischen Erkrankungen begünstigen, identifiziert werden. Durch die Umsetzung von individuellen Maßnahmen, wie z.B. Betriebsvereinbarungen zur Veränderung dieser ungünstigen Faktoren hat man den größten Schritt bereits getan. Zusätzlich tendieren Firmen dazu Verhaltensvorgaben zu definieren, damit rasch klar ist wie man im Falle des Falles mit einem erkrankten Mitarbeiter umgeht. Wird Coaching oder therapeutische Unterstützung angeboten, gibt es alternative Arbeitsformen, etc.
Ein bekanntes Beispiel ist Volkswagen. Der bekannte Auto-Riese sperrt für alle Mitarbeiter (Manager sind ausgenommen) per Betriebsvereinbarung eine halbe Stunde nach Dienstschluss bis eine halbe Stunde vor Dienstbeginn die Weiterleitung der E-Mails auf das Handy. Es gibt in sehr vielen Firmen zahlreiche konkrete Maßnahmen. Ob sie im Einzelfall zielführend ist, wird sich im Laufe der Zeit weisen.
Dr. Margit Burger (Health and Skills): Seit 1jan2013 müssen Unternehmen erstmals die psychischen Belastungen zum Schutz der Arbeitnehmer erfassen und Maßnahmen zur Prävention setzen. Das ist ein wichtiger Schritt! Ideal wäre, wenn das Kontakthalten zum Unternehmen im Fall von Krankenstand schon im Vorfeld innerbetrielblich geregelt wird. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass v.a. bei psychischen Erkrankungen eine große Scheu zur Kontaktaufnahme besteht sowohl seitens des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers. Günstig wäre es im Rahmen einer innerbetrieblichen Vereinbarung festzulegen, dass ein Mitarbeiter ab einer bestimmten Krankenstandsdauer routinemäßig vom Betriebsrat und/oder Personalverantwortlichen kontaktiert wird. So können für die Rückkehr aus dem Krankenstand alle notwendigen Vorbereitungen getroffen werden, zum Beispiel kann eine anfängliche Stundenreduktion vereinbart werden. Für ein gutes Wiedereingliederungsmanagement ist es wichtig, dass nach individuellen Lösungen gesucht wird. Die Einbeziehung von Integrationsfachdiensten wie der Arbeitsassistenz ist hier hilfreich, weil schwierige Situationen mit Hilfe externen Experten erfahrungsgemäß leichter zu bewältigen sind.
Claudia Kaltenböck (CKapunkt7 Training): Es ist hier weniger die rechtliche Lage ausschlaggebend, denn alles mit Gesetzen und Vorschreibungen zu-zu-pflastern, lässt uns wenig Freiheit, um individuell mit dem Thema (im Unternehmen) umzugehen. Vor allem kann es nicht nur um den humanen Umgang mit diesem Thema gehen, sondern generell um das Menschlich-sein und da gehören Krankheiten nun mal dazu. Ein individueller Ansatz ist daher einer allgemeinen rechtlichen Vereinbarung unbedingt vorzuziehen, weil sich die Symptomatik und die Auswirkungen speziell des Burnout-Syndroms individuell verschieden äußern.
Da wir offensichtlich mehr Zeit als früher am Arbeitsplatz verbringen, den Medien nach die Leistungsgesellschaft und somit das Leisten als „Sündenbock“ im Fokus der Aufmerksamkeit stehen, sind die Unternehmen jetzt gefordert, die Gesundheit der MitarbeiterInnen aufrecht zu erhalten und dem Wertewandel entgegenzuwirken. Gezielt eingesetzte Maßnahmen wie Seminare oder Workshops zur Sensibilisierung für die Thematik, sowie Führungskräfte Coaching / Beratung und Förderung einer persönlichen und offenen Kommunikationskultur, können unterstützend wirken. Dies setzt allerdings den eigenverantwortlichen Umgang mit der Gesamtthematik eines jeden Einzelnen voraus. Eigenverantwortung bedeutet hier im Speziellen, die Verantwortung für die eigene Gesundheit nicht dem Unternehmen bzw. den rechtlich getroffenen Vereinbarungen oder speziellen Angeboten der Versicherungen zu überlassen, sondern selbst alles zu tun, um in Balance zu bleiben bzw. zu kommen und um als Mensch mit seinen individuellen Bedürfnissen wahrgenommen und geschätzt zu werden.
Dr. Lisa Tomaschek-Habrina, MSc (E•S•B•A): Häufig fallen in Betrieben arbeitsbedingte psychische Fehlbelastungen erst auf, wenn deren Wirkungen chronisch und unübersehbar geworden sind. Falscher Umgang mit psychisch kranken Mitarbeitern führt zu zusätzlichen Belastungen, Konflikten und Fehlzeiten. Viele der dabei entstehenden Probleme lassen sich vermeiden, indem man Vorgesetzte und Mitarbeiter aufklärt und ihnen praktische Hilfestellungen für den Umgang mit psychisch erkrankten Mitarbeitern gibt.
Das Arbeitnehmerschutzgesetz sieht ab 1jan2013 eine verpflichtende Auswertung der psychischen Fehlbelastungen in Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern vor. Viele Unternehmen haben bereits bislang psychische Faktoren in ihre Arbeitsumfeldbewertung miteinbezogen, denn nur wenn man Belastungen eruiert, können Maßnahmen gesetzt werden.
Hilfreiche / notwendige Maßnahmen:
• Sensibilisierung – Awareness schaffen
• Leadership-Competence Programme – Integration von Gesundheitskompetenz bereits in die Leadership und Managementausbildungen
• Installieren von Reintegrationsmanagment
Wie kann Burnout sinnvoll vorgebeugt werden?
Ing. Karin Krammer: Burnout berührt immer die Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens. „Es gibt nichts in der Welt, was so sehr imstande wäre, einem Menschen über innere Beschwerden oder über äußere Schwierigkeiten hinwegzuhelfen, wie das Wissen um eine spezifische Aufgabe, das Wissen um einen ganz konkreten Sinn, nicht im Großen seines Lebens, sondern im Hier und Jetzt, in der konkreten Situation, in der er sich befindet“ sagte Viktor Emil Frankl.
Sinn schafft Leistungsmotivation, aber er kann nicht erzeugt oder angeordnet, nicht gemanagt und nicht gegeben werden. Schon gar nicht durch Hochglanzunternehmensleitbilder oder Wertefibeln. Sondern es braucht „sinnorientierte Unternehmensführung“ durch authentische Vorbildwirkung des Managements und den Willen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Mitarbeitern Sinnmöglichkeiten eröffnen. Weiters gilt es, den Mitarbeitern zu ermöglichen, ihre persönliche Fachkompetenz (pro-)aktiv auszuleben sowie Kreativität und Ideenreichtum zu fördern. Denn wenn Mitarbeiter ihre individuelle Leistungsfähigkeit und Gestaltungsmöglichkeit einbringen können, wird das als sinnstiftend erlebt.
Nachdem in den meisten Unternehmen das ökonomische Prinzip vorherrscht, höre ich jetzt so manchen Manager fragen: „Und wer soll diese „Sozialromantik“ bezahlen?“ Glaubt man aktuellen Zahlen, die besagen, dass Burnout die Wirtschaft in Österreich jährlich rund 7 Milliarden Euro kostet, beantwortet sich diese Frage aus meiner Sicht von selbst.
Ulrike Lackner: In erster Linie ist es wichtig, dass man in körperlicher und geistiger Hinsicht auf sich selber achtet und Verantwortung für sich selber übernimmt. Sich Pausen gönnen, abschalten, sich entspannen. Nicht dem Anspruch nachjagen, dass man immer und überall dabei sein bzw. immer erreichbar sein muss. Delegieren können, Verantwortung und Vertrauen zum Mitmenschen haben bzw. aufbauen.
Wenn es zu Stresspunkten kommt, hilft immer wieder ein Perspektivenwechsel, andere Sichtweisen zulassen; Emotionswahrnehmung, sich einfühlen können, in sich selber und auch in Andere; den Humor nicht verlieren, Lachen ist sehr wichtig; regelmäßige Bewegung; …
Die Gesprächspartner
Mag. Manuela Palotay Persönlichkeitsmanagement+ Claudia Kaltenböck CKapunkt7 Training Dr. Margit Burger Health and Skills Ulrike Lackner Ulrike. Lackner Dr. Lisa Tomaschek-Habrina, MSc E•S•B•A – European Systemic Business Academy Ing. Karin Krammer Selbständige Unternehmensberaterin und Coach |