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Konfliktanalyse – wenn schon, denn schon

03Okt2013
3 min
Aufruf: Praxis-Lupe

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Unstimmigkeiten oder gar Konflikte im Team anzusprechen, steht ganz am Ende im Beliebtheitsranking der Aufgaben von Führungskräften.

Daher verwundert es auch nicht, dass viele Führungskräfte dabei nach  dem Motto agieren: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Diese oberflächliche Konfliktbereinigung kann jedoch ins Auge gehen.

Was ist die Konfliktursache?

Zwei Männer streiten in einer Bibliothek. Der eine möchte das Fenster offen haben, der andere geschlossen. Sie zanken herum, wie weit man es öffnen soll: einen Spalt weit, halb, dreiviertel, offen. Keine Lösung befriedigt beide.

Die Bibliothekarin kommt herein. Sie fragt den einen, warum er denn das Fenster öffnen möchte. „Ich brauche frische Luft“. Sie fragt den anderen, warum er das Fenster lieber geschlossen hat: „Wegen der Zugluft“. Nach kurzem Nachdenken öffnet sie im Nebenraum ein Fenster weit. Auf diese Weise kommt frische Luft herein, ohne dass es zieht.

Zugegeben – ein sehr simples Beispiel. Aber es zeigt gut, was in der Konfliktlösung der Schlüssel zum Erfolg ist. Es geht nicht um das sichtbare Thema „Fenster auf oder zu“, sondern um die Interessen und Bedürfnisse, die hinter den Streitpositionen liegen. Erst mit dem Wissen über die eigentlichen Motive der Konfliktpartner – „Ich brauche frische Luft“ und „Wegen der Zugluft“ – ist eine nachhaltige Lösung des Konfliktes möglich.

Für Führungskräfte heißt das, im Anlassfall ist die Ausgangssituation genau zu analysieren und die Interessen der beteiligten Konfliktparteien müssen sichtbar gemacht werden. Erst danach geht es in die Lösungsfindung.

Konfliktarbeit in der betrieblichen Praxis

Von der oben skizzierten Konfliktanalyse ist die gelebte betriebliche Praxis weit entfernt. Die Konfliktkultur  in vielen Unternehmen zeichnet sich in der Regel dadurch aus, dass Konflikte so lange wie möglich ignoriert oder verdrängt werden. Die Unsicherheit von Führungskräften im Umgang mit Konfliktsituationen ist einer der Gründe für dieses defensive Verhalten.

Nach wie vor hindert aber auch ein falsch verstandenes Rollenbild viele Führungskräfte daran, rasch und transparent auf vorhandene Spannungen und Unstimmigkeiten in ihren Teams zu reagieren. „Konflikt = Fehler“ und Fehler darf ich mir als Führungskraft keine erlauben – diese Sichtweise ist in vielen Köpfen verankert. Die logische Konsequenz – es kann nicht sein, was nicht sein darf. Verdrängung heißt dann das Zauberwort.

Dabei ist es ganz normal, dass überall dort wo Menschen über einen längeren Zeitraum miteinander interagieren, früher oder später Konflikte entstehen. Nicht der Konflikt an sich ist das Übel – sondern die Art und Weise, wie damit umgegangen wird.

Keine Konfliktlösung ohne exakte Diagnose

Aber auch dann, wenn Führungskräfte auf die Konfliktsituation reagieren, läuft das sehr oft nach dem Motto „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Aufgrund mangelnder Konfliktkompetenz versuchen Führungskräfte oft in Einzelgesprächen „harmonisierend“ auf die Streitparteien einzuwirken. Mit Statements wie „Reißt euch zusammen“ oder „Aufsehen können wir jetzt nicht gebrauchen“ wird an die Vernunft der Mitarbeiter appelliert. Mit dem Ziel, möglichst schnell wieder den Mantel des Schweigens über die Situation zu breiten.

Oder es findet sofort ein „Hearing“ statt, indem alle Beteiligten die Möglichkeit haben, die Situation aus deren jeweiliger Sicht darzustellen. Unmittelbar danach entscheidet die Führungskraft aufgrund dieser Schilderungen, was nun zu tun ist. Ohne die Bedürfnisse der Mitarbeiter und mögliche Hintergründe zu hinterfragen. Oft werden Dienstanweisungen oder sonstige Regelungen erlassen – in der Hoffnung, damit möglichst schnell wieder den „Normalzustand“ herzustellen.

Die Überraschung  ist dann groß, wenn nach kurzer Zeit der nächste und viel brisantere Konflikt im Team sichtbar wird.

Fazit

Professionelle Konfliktarbeit ist wie die Analyse von Krankheitssymptomen – erst wenn eine exakte Diagnose vorliegt, kann entschieden werden, welche Lösungsmöglichkeiten zur Heilung führen.

Werden aus Zeitnot oder Unsicherheit vorschnell „faule“ Kompromisse geschlossen, kann das zwar kurzfristig für Erleichterung sorgen, aber der Konflikt schwillt weiter – bis er wieder sichtbar wird. Und zwar größer als je zuvor.

Um Konflikte nachhaltig lösen zu können, müssen Führungskräfte die genauen Hintergründe kennen. Das erfordert die Bereitschaft, Zeit zu investieren und vor allem den Mut, auch hinter die Kulissen zu sehen.

„Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat,
der sieht in jedem Problem einen Nagel.“
(Paul Watzlawick)

Konfliktanalyse – wenn schon, denn schon

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