Der Einsatz von Mitarbeitern wird zunehmend internationalisiert und mobilisiert. Die rechtlichen Rahmenbedingungen hinken dabei dem Internationalisierungstrend nach, denn sie sind nach wie vor stark national ausgerichtet.
Bei grenzüberschreitenden Entsendungen sind die Rechtsvorschriften von mindestens zwei Staaten zu beachten, was die Sache komplex macht.
Mitarbeiterentsendung – was ist das eigentlich?
Eine Entsendung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer, der gewöhnlich in einem Staat beschäftigt ist (zB in Österreich), von seinem Arbeitgeber vorübergehend in einem anderen Staat (zB in Spanien) eingesetzt wird, und nach einer befristeten Zeit wieder zurückkehrt.
Unterschied zur Dienstreise
Eine Abgrenzung der Entsendung zur Dienstreise ist nicht immer eindeutig möglich, vor allem, wenn der Mitarbeiter seinen Wohnsitz für die Zeit der Entsendung nicht ins Ausland verlagert, sondern pendelt. Die Abgrenzung ist aber vor allem im Hinblick auf zwingende kollektivvertragliche Reisekosten- und Reiseaufwandentschädigungen bei Dienstreisen und steuerliche Unterschiede wesentlich.
… und zur Arbeitskräfteüberlassung
Auch die Abgrenzung zur Arbeitskräfteüberlassung kann schwierig sein. Das wesentliche Kriterium ist hier das Ausmaß der Eingliederung des Mitarbeiters in den Betrieb im Einsatzstaat. Wird der Mitarbeiter in den ausländischen Betrieb eingegliedert und unterliegt er den Weisungen des dortigen Betriebsinhabers, kann Arbeitskräfteüberlassung vorliegen. Hierfür ist abgesehen von der Gewerbeberechtigung eine behördliche Ausnahmebewilligung nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz erforderlich. Bei der Gestaltung des Auslandseinsatzes ist daher darauf zu achten, dass keine verdeckte Arbeitskräfteüberlassung vorliegt.
Arbeitsrecht – Steuerrecht – Sozialversicherungsrecht
Bei einer Auslandsentsendung sind insbesondere und getrennt voneinander drei Aspekte zu beachten:
- Welches Arbeitsrecht ist anwendbar?
- Wo und wie ist der Mitarbeiter sozialversichert?
- Wo ist der Mitarbeiter steuerpflichtig?
Mit der ersten Frage beschäftigt sich dieser Artikel – überblicksartig. Auf die nicht minder komplexen steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Aspekte kann hier nicht näher eingegangen werden.
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Weisungsrecht oder Zustimmungserfordernis?
Ob die Zustimmung des Arbeitnehmers zu einer Auslandsentsendung erforderlich ist, richtet sich nach dem Dienstvertrag. Ein einseitiges Weisungsrecht des Arbeitgebers steht nur innerhalb einer allenfalls vereinbarten Entsendungsklausel zu. Weiters sind die Grenzen der Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer (Lebensplanung, Familiensituation etc) zu beachten. Auslandsentsendungen gegen den Willen des Arbeitnehmers sind aber – abgesehen von der rechtlichen Zulässigkeit – meist nicht zielführend.
Mitspracherecht des Betriebsrates
Eine länger als 13 Wochen dauernde Entsendung muss dem Betriebsrat mitgeteilt werden. Ist mit der Entsendung eine Verschlechterung der Entgelt- oder Arbeitsbedingungen verbunden, ist außerdem seine Zustimmung erforderlich. Eine Verschlechterung liegt etwa vor, wenn der Arbeitnehmer weniger verdient, Zulagen verliert, eine längere Anreise zum Einsatzort oder längere Arbeitszeiten hat.
Interessanterweise ist das Mitspracherecht des Betriebsrates unabhängig von der Zustimmung des Arbeitnehmers. Es kann passieren, dass der Arbeitnehmer schon in den Startlöchern steht, der Betriebsrat sich aber gegen die Entsendung ausspricht – und zwar mit dem Argument, die Entsendung verschlechtere die Arbeitsbedingungen. Rechtlich gesehen wäre die Entsendung dann unwirksam. Allerdings kann diese Rechtsunwirksamkeit nur der Arbeitnehmer gerichtlich geltend machen, nicht der Betriebsrat. Dennoch: Um zeitraubende Unstimmigkeiten zu vermeiden, empfiehlt sich die rechtzeitige Involvierung des Betriebsrates.
Welches Arbeitsrecht gilt?
Die EU-Entsenderichtlinie 97/71/EG gibt einen einheitlichen Mindeststandard in gewissen Arbeitsrechtsfragen vor – im Einzelfall müssen aber vor dem Auslandseinsatz die zwingenden rechtlichen Rahmenbedingungen des Entsendestaates UND des Einsatzstaates geprüft werden.
Da die Entsenderichtlinie teilweise nicht ausreichend umgesetzt wurde, einigte sich der EU-Rat im Dezember 2013 auf eine Richtlinie zur Durchsetzung der Entsenderichtlinie (2012/0061 (COD)). Die nationalen Arbeitsmarktverwaltungen (in Österreich: AMS) sollen verstärkt zusammenarbeiten. Für Unternehmen wird die Durchsetzungsrichtlinie voraussichtlich Dokumentations- und Meldepflichten bringen.
Mangels anderer Vereinbarung ist für die Entsendung grundsätzlich weiterhin das Recht des Entsendestaates anwendbar. Aber: Zwingende, günstigere Rechtsvorschriften des Einsatzstaates sind ebenfalls zu beachten. Dies bedeutet z.B., dass sich der Arbeitgeber erkundigen muss, wie im Einsatzstaat Höchstarbeitszeit, Wochenendruhe, Überstunden, etc geregelt sind, und dann einen Günstigkeitsvergleich mit den diesbezüglichen österreichischen Vorschriften machen muss.
Das „A und O“ – die Entsendevereinbarung
Bei einer Entsendung bleibt in der Regel das bisherige Dienstverhältnis bestehen. Die Entsendevereinbarung ist dann ein Zusatz zum bestehenden Dienstvertrag. Entsendungszeiten sind dann für dienstzeitabhängige Ansprüche, wie Abfertigung alt oder Urlaub, anzurechnen. Das bestehende Dienstverhältnis kann für die Dauer der Entsendung aber auch karenziert oder beendet werden. Das hat dann andere steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen als eine klassische Entsendung.
Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung zum Abschluss einer schriftlichen Entsendevereinbarung. ABER: Aufgrund der vielen, sich im Zusammenhang mit einer Entsendung ergebenden Fragen ist dazu jedoch dringend zu raten.
Mindestinhalt einer Entsendevereinbarung:
- Beginn und Dauer der Entsendung
- Einsatzort, dort geltende Beschäftigungsbewilligungsvoraussetzungen
- Tätigkeit, Verantwortlichkeiten
- Auswirkungen auf das bestehende Dienstverhältnis
- Entgelt, Zulagen, Auszahlungsmodalitäten
- Unterkunft, An- und Rückreise, Dienstfahrzeug
- Entsendeversicherung
- Beendigungsmodalitäten
- Fragen im Zusammenhang mit der Rückkehr in den Entsendestaat.
Visum- oder Bewilligungspflicht im Einsatzstaat?
Überprüft werden muss vor dem Auslandseinsatz unbedingt, ob der Mitarbeiter im Einsatzstaat ein Visum und/oder eine Beschäftigungsbewilligung benötigt, und wie diese rechtzeitig eingeholt werden kann. Bei einer Entsendung in die Schweiz ist z.B. eine Beschäftigungsbewilligung bereits ab dem 91. Einsatztag erforderlich. Das Prozedere und die Mitwirkungspflichten sollten in der Entsendevereinbarung geregelt werden.
… und nach der Entsendung?
Die Rückkehr in den Entsendestaat ist eine kritische Phase (lesen Sie mehr dazu im Artikel Expats finden und repatriieren). Es sollte daher klar geregelt werden, ob Anspruch auf die gleiche/eine vergleichbar Position besteht, welche Wiedereingliederungsmaßnahmen gesetzt werden und ob ein Kündigungsverzicht für eine gewisse Zeit nach Rückkehr gewährt oder verlangt wird.
Summing up …
Die rechtlichen Rahmenbedingungen einer Auslandsentsendung sind komplex. Bevor Sie Ihre Mitarbeiter in die Wüste schicken, erkundigen Sie sich über die jeweiligen arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen in den involvierten Ländern. Schließen Sie vor dem Abflug eine wasserdichte Entsendevereinbarung ab, denn:
Eine gute Reiseplanung erspart Probleme auf dem Weg!
Auslandsentsendung nach Weitfortistan – arbeitsrechtliche Aspekte