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Die Führungskraft als Coach – kann das gut gehen?

24Jun2014
8 min
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HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Welcher Mitarbeiter würde sich nicht freuen, einen kompetenten Coach stets abrufbar zu haben?! Aber wenn dieser Coach nun die eigene Führungskraft ist … Da sieht es dann schon ein wenig anders aus.

Experten-Interview

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Meine heutige Experten-Runde setzt sich zusammen aus Coaching-Ausbildungs-Veranstaltern, denn ein (wie unten noch deutlich werden wird) besuchen ein erstaunlich hoher Prozentsatz an Führungskräften genau diese Weiterbildungen.

Los geht’s:

Wie kann eine Führungskraft die Rolle eine Coaches und eines Vorgesetzten in einer Position vereinen? Worin liegen die Herausforderungen, wo die Grenzen?

Mag. Günther Kampitsch, MBA (WIFI Steiermark): Im Grunde gar nicht. Der eigene Mitarbeiter wird immer dominierend die Rolle des Vorgesetzten sehen, es wäre daher fast grotesk, zu verlangen, dass der Mitarbeiter seine Führungskraft „für die kommende Stunde“ als seinen Coach sehen sollte.
Was bleibt also an Kombinationsmöglichkeiten: Der Vorgesetzte,  der professionell zu coachen gelernt hat, kann selbstverständlich viel von der Haltung des Coaches lernen und Elemente daraus in sein eigenes Führungsverhalten übernehmen (Distanz und gleichzeitig Empathie, Perspektivenwechsel, systemische Sichtweisen etc.); und er kann für Aspekte seiner Führungsarbeit (Beziehungsarbeit, Betreuen, Begleiten, Fördern, Entwickeln)  Tools aus dem Coaching-Eck durchaus anwenden.
Ohne das dann zwangsweise Coaching zu nennen – dafür fehlt es letztlich an Diskretion, an Vertraulichkeit, an der Chance für gleiche Augenhöhe und an der Möglichkeit, seinem Mitarbeiter „als dessen Coach“ und – gleichzeitig – als Führungskraft dem Unternehmen gegenüber gleichermaßen loyal zu bleiben, wenn sich entsprechende Problemstellungen ergeben.

Mag. Claudia Müller (Solution Management Center): Coaching als Führungskraft wird dann sinnvoll und nützlich sein, wenn es um Situationen im Führungsalltag geht, wo Mitarbeiter in die Entwicklung von Zielen bzw. Entscheidungen einbezogen werden und in der Umsetzung Verantwortung tragen, also wo Führungskräfte delegieren, Potenziale und Innovation fördern wollen. Wenn die Führungskraft die Haltungen eines Coaches (zB. Fragen stellen statt anweisen, Wertschätzung ausdrücken, kleine Erfolge anerkennen etc.) in ihren Führungsalltag integriert, wird sich das in weiterer Folge auf den Führungsstil und auf die Beziehung zu den Mitarbeitern potenzialfördernd auswirken.
Mögliche Grenzen: Die FK hat  immer eine funktionale Rolle im Unternehmen in Bezug auf die Aufgabe; in dieser Rolle und Verantwortung ist die Führungskraft den Unternehmenszielen verpflichtet. Deshalb muss den Mitarbeitern immer der sogenannte Zielrahmen klar kommuniziert werden: Das erwarte ich mir, das brauche ich von dir, das ist unverhandelbar, weil…! Nicht zielführend sind unter dem Deckmantel Coaching versteckte Anweisungen oder das „auf Linie bringen“, wenn die Umsetzung nicht genau den eigenen Ideen entspricht!
Chancen: durch Etablierung einer internen Coaching-Kultur kann die Organisationskultur positiv beeinflusst werden: wenn Vertrauen, Wertschätzung, lösungsorientierter Umgang mit Problemen im Führungsalltag sichtbar werden, verbreiten sich diese „success stories“ der positiven Unterschiede schnell (nicht nur) innerhalb des Unternehmens.

Mag. (FH) Martin Lion (ÖAGG– Sektion Supervision, Coaching, Organisationsberatung): Bei jeder Komplementärbeziehung (hierarchische Differenz), kann Coaching nur in dem Maß erfolgen, als das auf der Beziehungsebene Offenheit möglich ist und der Mitarbeiter sicher sein kann, dass diese nicht missbraucht wird. Die Führungskraft muss ihre Kompetenz als Coach und ihr Aufgabenfeld in der Führungsrolle für sich klar trennen können und sich die Schnittfläche, in der sie neutral sein kann bewusst sein. Hier liegt die Herausforderung und Chance. Die Grenzen liegen in den Bereichen wo sie Entscheidungen nicht vollständig dem Mitarbeiter überlassen kann bzw. die Führungskraft aktiv aufgrund ihrer Führungsverantwortung etwas durchsetzen will/muss. Coaching muss aus Mitarbeiter-Sicht außerdem immer freiwillig bleiben und darf nicht verordnet werden.

Eine Schätzung: Wie hoch ist der %-Satz an Führungskräften, die bei Ihnen eine Coachingausbildung absolvieren und dies für ihre Führungsaufgaben einsetzen wollen?

Luzia Fuchs-Jorg (KICK OFF): Wir bieten seit dem Jahr 2000 jährlich Coaching-Ausbildung an und haben seither etwa 200 Coaches zertifiziert. Etwa die Hälfte aller Teilnehmer waren Führungskräfte, die sich stärker professionalisieren wollten. Darüber hinaus bekommen wir immer wieder den Auftrag, unternehmensspezifische, interne Programme anzubieten, die –  ähnlich aufgesetzt wie die öffentlichen Coaching-Ausbildungen – die Führungskraft zum Coach entwickeln sollen.

Mag. Wolfgang Steger (FUTURE Training Beratung Coaching): In den letzten 20 Jahren waren immer über 50 % der Teilnehmer der FUTURE-Coaching-Ausbildung Führungskräfte. Ein wesentlicher Aspekt war dabei der Erwerb von Selbstcoaching-Kompetenz, die ein wichtiger Bestandteil dieser Ausbildung ist. Ebenso die Entwicklung der personalen, der sozialen und der Methoden-Kompetenz sowie der Zukunftskompetenz, die eine deutliche Erweiterung der Führungskompetenz mit sich brachte, so die Rückmeldung der Teilnehmer über viele Jahre hinweg.

In diesem Punkt scheinen sich die Interview-Partner einig: ca 50 % der Teilnehmer sind Führungskräfte. Quer über alle – hier interviewten – Anbieter hinweg. Nicht hinterfragt habe ich hier, ob diese Führungskräfte ihr neu erlangtes Wissen in der Position als Führungskraft für ihr Team einsetzen möchten/werden oder künftig (vermehr/ausschließlich) als (externer) Coach tätig werden. Zu dieser Fragestellung gibt es sicherlich bereits Studien – über diesbezügliche Links freue ich mich à bitte einfach ins Kommentarfeld unterhalb des Interview!

Welche Coachingmethoden wenden Führungskräfte immer wieder gerne an?

Mag. Günther Kampitsch, MBA (WIFI Steiermark): Am häufigsten eingesetzt wird wohl die breite Palette der Fragetechniken, wobei der Schwerpunkt auf den systemischen Fragen liegt. Prinzipien wie Perspektivenwechsel oder Metaebene werden fast automatisch auch in die Führungsebene transferiert. Weniger gut lassen sich Methoden transferieren, die handlungs- und erlebnisorientiert sind oder Materialeinsatz (z.B. Systembrett, Arbeit mit Figuren) abverlangen.

Mag. Claudia Müller (Solution Management Center): Sehr hilfreich für die Führungskräfte sind die sogenannten lösungsorientierten bzw. potenzialfokussierten Fragen: dabei geht es einerseits um das genaue und bildhafte Beschreiben des erwünschten Zustands in der Zukunft mit dem Fokus darauf, was der Mitarbeiter dann ganz konkret tut und wie sich das auswirkt. Andererseits werden Ressourcen aktiviert und Potenziale sichtbar gemacht, die die ersten Schritte in Richtung Umsetzung ganz selbstverständlich und leicht machen. Die Ermutigung zum kleinen Schritt erweist sich in der Praxis als  wahrer Motivations- und Energiebooster: Die dadurch möglichen kleine Erfolge erhöhen das Selbstvertrauen und verstärken die Sogwirkung Richtung gewünschte Zukunft und Zielerreichung.

Mag. (FH) Martin Lion (ÖAGG – Sektion Supervision, Coaching, Organisationsberatung): Als Führungskraft eignen sich allgemein besonders gut Methoden, welche Ziele und Strategien im Auge haben, Methoden, die helfen die Komplexität von Aufgaben zu bearbeiten, Methoden, wo Beziehungs- und Sachebene analysiert werden, Konfliktinterventionsmethoden wenn es um Konflikte zwischen Mitarbeitern geht und Teamentwicklungsanalysemethoden. In allen Fällen geht es darum, Komplexität zu vereinfachen, überschaubar und bearbeitbar zu machen um letztendlich Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Beispiele wären zirkuläre Fragen, Aufstellungsbrett um Zusammenhänge aufzuzeigen, das Arbeiten mit Skalen, Beobachtungs- und Verhaltensaufgaben, sowie Refraiming.

Mag. Sabine Prohaska (seminar consult prohaska): Die systemischen Fragetechniken sind sehr brauchbar und universell einsetzbar.
Es bringt einer Führungskraft viel, auf die ziel- und ressourcenorientierten Fragen zu setzen. „Was oder wer könnte Ihnen in dieser Angelegenheit behilflich sein?“, „Was unternahmen Sie bisher, damit das Problem nicht größer wurde?“ „Was genau wollen Sie erreichen?“, „Was wird sich durch das Erreichen des Ziels verändern?“ (zum Beispiel in dem Projekt? Oder bei unserem Umgang mit Kunden?).
Skeptiker fragen hier oft, ob  es nicht doch die Aufgabe einer Führungskraft ist, eine Lösung anzubieten.
Doch wenn Führungskräfte regelmäßig zu schnell selber mit einer Lösung kommen und diese womöglich  auch gleich umsetzen, generieren sie passive Mitarbeiter. Deshalb sollten sie vor allem zu Beginn von Gesprächen versuchen, die  Mitarbeiter selber Lösungen entwickeln zu lassen.
Eigene Ideen kann man später immer noch einfließen lassen.

Corinna Ladinig, MBA (CTC Academy): Das lässt sich pauschal nicht so beantworten, weil Methoden-Vorlieben ja sehr individuell sind. Führungskräfte und Coaches sollten auf jeden Fall ein leicht anwendbares Zielklärungsmodell beherrschen, eine lösungsorientierte Fragetechnik und systemisches Wissen. Ich empfehle Grundlagenliteratur zusätzlich zur Ausbildung zu lesen sowie DVDs von einigen Coachingprofis anzusehen sowie auch außerhalb des Unternehmens zu coachen – das erhöht die Praxiserfahrung. Die Teilnahme an Peergroups ist auch über die Ausbildung hinaus anzuraten.

Was bedeutet für Sie „Die Führungskraft als Coach?“

Mag. Wolfgang Steger (FUTURE Training Beratung Coaching): Ein wesentlicher Aspekt von Coaching ist die Begleitung in der Entwicklung des möglichst vollen Potenzials des Coachees. Überall dort, wo Führungskräfte ihre Aufgabe auch darin sehen, ihre Mitarbeiter darin zu unterstützen, ihr Potenzial zu entfalten, können sie mittels Coaching-Kompetenz und aus einer Coaching-Haltung heraus genau diese Aufgabe wahrnehmen. Allerdings bleibt ein Spannungsfeld: die Führungskraft ist auch Repräsentantin des Unternehmens. Als solche muss sie möglicherweise Entscheidungen treffen, die mit den Wünschen und Anliegen des Mitarbeiters im Widerspruch stehen.

Kann ich mit einer Coaching-Ausbildung alle Schwierigkeiten des Führens meistern?

Luzia Fuchs-Jorg (KICK OFF): Oft werden Führungskräfte von ihren Vorgesetzten  in ausgewählte Coaching-Ausbildungen geschickt – mit der Erwartung, dass danach alle „Probleme“ (die meist in der Persönlichkeitsstruktur der Führungskraft liegen) gelöst werden. Die Antwort ist schlichtweg: Nein! Wenn die nötige Coaching-Haltung – die schwer zu trainieren ist – nicht eingenommen wird, dann nützt die beste Ausbildung nichts, dann wird die hervorragendste Fragetechnik zu einem Marterinstrument. und jede andere angewandte Technik ist nur ein Mittel zum Zweck.
Wenn ich kein Interesse an Menschen habe und es nicht schaffe, einen „Herzenskontakt“, der sich in einem wertschätzenden Umgang, im Zuhören und Ernstnehmen des anderen ausdrückt, herzustellen, dann sind alle eingesetzten Instrumente des Coachings kontraproduktiv – beliebig und abwertend. In diesen Fällen wäre der Führungskraft anzuraten, sich selbst einem langen Coaching-Prozess oder gar einer Psychotherapie zu unterziehen

Tragen Coachingausbildungen dem Thema „Die Führungskraft als Coach“ Rechnung?

Mag. Sabine Prohaska (seminar consult prohaska): Wir haben bei unserer Coachingausbildung hierzu einen klaren Standpunkt: Eine Führungskraft kann kein Coach sein, kann aber in manchen Gesprächssituationen ähnlich wie ein Coach agieren.  Und genau diese Differenzierung arbeiten wir mit den Teilnehmenden der Ausbildung auch heraus.  Zum Beispiel macht es bei unserem Modul „Contacting bis Contracting“ einen beachtlichen Unterschied, ob ich ein selbstständiger Coach bin und ein Coachee zur mir in die Praxis kommt oder ob ich Vorgesetzter bin und sich alles im Unternehmenskontext bzw. in der eigenen Abteilung abspielt. Ich habe bei den Lehrtrainern der Ausbildung darauf geachtet, dass jemand aus dem Unternehmenskontext im Team dabei ist.

Welche Trends sehen Sie hinsichtlich Coaching-Ausbildung & Führungskräfte?

Corinna Ladinig, MBA (CTC Academy): Einen Trend sehe ich bei der Anwendung von Telefoncoachings zwischen Führungskräften und vor allem Außendienstmitarbeitern bzw. virtuellen Teams – das wird von den Mitarbeitern sehr positiv beurteilt, weil es rasche punktgenaue Unterstützung bedeutet und es erspart dem Unternehmen Reisekosten.


Die Gesprächspartner

„Die Führungskraft als Coach – kann das gut gehen?“


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Mag. Claudia Müller
Solution Management Center Graz

Solution Management Center


ladinig_corinna_ctcCorinna Ladinig, MBA
Geschäftsführerin

CTC Academy OG


lion_martin_oaggMag. (FH) Martin Lion
Stellvertretender Sektionsleiter

ÖAGG – Sektion Supervision, Coaching, Organisationsberatung


prohaska_sabine_100Mag. Sabine Prohaska
Geschäftsführerin

seminar consult prohaska


Kampitsch_Guenther_ACCMag. Günther Kampitsch, MBA
Leiter Coaching-Lehrgang

WIFI Steiermark


fuchs-jorg_lucia_kickoffLuzia Fuchs-Jorg
Geschäftsführende Gesellschafterin

Kick Off Management Consulting GmbH


steger_wolfgang_futureMag. Wolfgang Steger
Trainer, Berater und Coach

FUTURE Training Beratung Coaching


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