Veranstaltungs-Bericht
BGM 2014 – Kongress: Betriebliches Gesundheitsmanagement,
Business Circle, 3-4juli2014, Wien
Das Jahresforum Betriebliches Gesundheitsmanagement (kurz:BGM) des Business Circle feierte 2014 sein 3-jähriges Jubiläum – und das mit so vielen Teilnehmern wir noch nie zuvor. Die Stimmung im Hotel Courtyard war gut, das Publikum aufmerksam und konzentriert. Kein Wunder bei der Vielzahl an interessanten Vorträgen. Hier ein kurzer Bericht aus der Sicht der Verfasserin, einer Rechtsanwältin:
Zahlen, Daten, Fakten zum Aufwärmen
Für all jene, die nicht bereits mit der Überzeugung und dem Wissen um die unbestreitbare Relevanz von BGM im Vortragssaal saßen, lieferte Josef Papousek Mercer aussagekräftige Daten, Zahlen und Fakten im Hinblick auf die Wichtigkeit vom BGM und zog interessante Schlüsse aus Statistiken, die auch erfahrene Gesundheitsmanager staunen ließen. Er warnte vor der Einführung von Maßnahmen ohne vorherige umfassende Analyse der Rahmenbedingungen. Er griff die umstrittene Frage auf, wie man Betriebliches Gesundheitsmanagement messbar machen könnte und vertrat die Meinung, dass die Bemühung des Return on Investment als Kennzahl kein Allheilmittel sei. Eines der größten Themen sei laut Studien der Stress, damit verbunden Leistungs- und Zeitdruck, und psychische Belastung der Mitarbeiter. Nicht ganz unerwartet ergaben Studien, dass große Unternehmen und Konzerne zunehmend über ein strukturiertes BGM verfügen, während KMUs hier noch nicht wirklich gut gerüstet seien. Papousek führt dies nicht zuletzt darauf zurück, dass KMUs über Förderungen nicht ausreichend informiert und die steuerlichen Anreize für BGM gering bis nicht existent seien.
Dabei sei Betriebliches Gesundheitsmanagement im Grunde (auch) eine gesetzliche Verpflichtung, die Arbeitgeber in Zugzwang bringe, wie Ausserlechner (ebenfalls Mercer) in ihrem Vortrag zur ArbeitnehmerInnenschutzgesetz-Novelle schilderte. Sie arbeitete den Unterschied zwischen Belastung und Beanspruchung heraus und betonte, wie individuell der Grad der positiven Belastung für jeden Mitarbeiter sei. Neben der Beschreibung von Methoden und Vorgangsweisen bei der Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Verminderung psychischer Belastungen und der derzeitigen Aktivitäten des Arbeitsinspektorats in der Praxis gab sie Tipps für einfache, kostengünstige Maßnahmen, etwa die Definition einer täglichen „störungsfreien Zeit“ für jeden Mitarbeiter.
Unserer Gesellschaft mangelt es am Mangel – spannende Überlegungen zum Einstieg
80% der Menschen wünschen sich laut einer Studie einen „Führer“ – mit diesem Statement begann Thomas Nagy (NATURamente, Foto) seinen Impulsvortrag. Gemeint ist entgegen manch anderer Assoziation ein Führer als Entscheidungsträger, ein Vorbild. Sind Führungskräfte heute solche Führer? – laut Nagy leider nicht immer, sie hätten oft keinen Entscheidungsspielraum und/oder keine Führungspersönlichkeiten, seien eher „Schimpansen“. Geld allein mache nicht glücklich, das Gefühl der Impotenz und der Angst hingegen starr. Wenn der Sinn verloren gehe, mache das krank. Nagy sieht Führungskräfte wie „normale“ Mitarbeiter als Opfer des Systems, die keine Gestalter, sondern mehr Erfüllungsgehilfen seien. Ein sehr emotionaler Vortrag, der das Publikum betroffen machte und zum Nachdenken anregte. Zum Schluss gab Nagy den Teilnehmern mit auf den Weg: Begeisterung ist ansteckend. Wertschätzung, Anerkennung, Respekt und Menschlichkeit seien gefragt, um Burnout nicht das „Biotop einer schlechten Unternehmenskultur“ zum Gedeihen zu bieten.
Foto:Dr. Irene Kloimüller, MBA (Wert:Arbeit + fachliche Leiterin der Konferenz) Projektleiterin Mag. Alexandra Förster-Streffleur (Business Circle, Projektleiterin der Konferenz) und Thomas J. Nagy, MSc (NATURAmente + fachlicher Leiter der Konferenz)
Unternehmensethik als Präventionsinstrument
Der beeindruckende Vortrag von Heinz Spranger (Institut für Nachhaltige Gesundheitswissenschaften) war für viele Teilnehmer schwere Kost. Er regte mit einem plastischen Gedankenspiel zum Nachdenken an: Ein Mann in einer U-Bahn-Station, am äußeren Rand des Bahnsteiges stehend; es scheint, als würde er gleich springen – würden Sie ihn zurückreißen oder nichts tun? Mit diesem und anderen Beispielen veranschaulichte Spranger, dass wir nicht nach Logik, Moral oder Ethik unsere Entscheidungen treffen, sondern aufgrund von Emotionen.
Wenn nicht bald eine Weiche kommt, sind wir verloren – Umgang mit Burnout
Der Lachs und sein Burnout – mit dieser Methapher startete Lisa Tomaschek-Habrina (Institut ibos für Burnout und Stressmanagement) ihren Vortrag über das vielbemühte Thema Burnout. Sie schilderte, welche Beschwerden und Probleme Arbeitnehmer am Arbeitsplatz laut Umfragen haben, wie Burnout zustande kommt und vor welche Herausforderungen Burnoutfälle Unternehmen stellen. Ihr Ansatz ist es, BGM in die Führungskultur zu integrieren, Stichwort: gesundes Führen im Sinne einer „umsichtigen, sozialen, kompetenten Führung mit Vertrauensqualität“. Wertschätzung, Empathie und Unterstützung wurden als Defizite bei Führungskräften ermittelt, denen es oft an einem „3. Auge/3. Ohr“ mangle. Problematisch sei, wie man gesundes Führen messen kann. Als mögliche Maßnahmen für Führungskräfte nannte sie Aufklärung, Kooperationen mit externen Partnern, Gespräche, Anbieten von Unterstützung und Organisation von Entlastung, um bei Anzeichen von Burnout frühzeitig zu reagieren.
Aus der Praxis für die Praxis – der Betriebsarzt des ORF erzählt
Karl Böhm (Österreichischer Rundfunk) veranschaulichte in seinem Vortrag die Wichtigkeit, Mitarbeiter bereits vor dem Ausbruch physischer Erkrankungen mittels verschiedener Programme (zB Sportangebote) zu erreichen. Anerkennung und Kommunikation wurden als wichtigste Elemente in der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hervorgestrichen, denn ohne Anerkennung und Kommunikation würden all die von ihm und auch den anderen Vortragenden geschilderten Angebote nicht helfen, um Mitarbeiter motiviert und nicht erschöpft zu halten. Böhm hob auch das 360°-Feedback als mögliche Maßnahme des BGM hervor, was bei manchen Teilnehmern auf Verwunderung stieß (da solche Maßnahmen in der Praxis eher der Leistungs- und Persönlichkeitsevaluierung als dem BGM zugeordnet werden) und zu interessanten Fragen führt.
Wer anwesend ist, ist gesund; wer abwesend ist, ist krank – ist das so?
Der Nachmittag war dem brisanten Thema Präsentismus gewidmet. Irene Kloimüller (Wert:Arbeit, Foto oben), Christian Scharinger (Beratung-Coaching-Entwicklung) und Reinhard Faber (Wiener Krankenanstaltenverbund) erklärten, was unter dem Begriff Präsentismus im BGM überhaupt zu verstehen ist, welche Mitarbeiter und Unternehmen davon besonders betroffen sind sowie welche Determinanten, Gründe und Auswirkungen für Präsentismus erforscht sind. Interessante Statistiken zu Krankenständen und Präsentismus und die dadurch hervorgerufenen Probleme und Kosten machten deutlich, dass eine Beschäftigung mit diesem Thema unumgänglich ist. Den Teilnehmern wurden Handlungsansätze und Messgrößen vorgestellt. Auch auf den Krankmacher Großraumbüro wurde hingewiesen. Dass man für erfolgreiches BGM einen langen Atem brauche, schilderte Faber aus eigener Erfahrung. Die anschließende Podiumsdiskussion warf spannende Fragen auf, etwa das Thema Teilkrankenstand.
Kabarett und Round Tables durften nicht fehlen
Bevor der informative erste Tag bei Getränken und einem Tischtennis-Turnier in entspannter Atmosphäre ausklang, brachte Roland Düringer (Foto) mit seinem „Vortrag“ über die Angst der Menschen, ihr Leben zu verlieren, die Teilnehmer zum Schmunzeln und Lachen.
Die Round Tables am Morgen des zweiten Tages des Jahresforums waren sehr informativ. Die Teilnehmer hatten die Qual der Wahl – Vertreter von fünf Unternehmen plauderten praxisnah über ihre Erfahrungen mit BGM, stellten eigene Maßnahmen vor und standen für Fragen zur Verfügung. Jeder konnte an zwei Round Tables teilnehmen.
Resilienz – Die Kunst Krisen kraftvoll zu kontern oder „I bin die Resi aus Lienz und I steh immer wieder auf“
Der letzte Teil des Jahresforums war dem spannenden Thema Resilienz verschrieben. Barida Monshi (iVip – Institut für Vitalpsychologie) erklärte in seinem erfrischenden Vortrag, was sich hinter dem Begriff verbirgt, was Resilienz ausmacht und wann Resilienz kippen kann. EFWAG („Energy flows where attention goes“) und WIDEG („Wofür ist das eine Gelegenheit?“) waren Schlagworte, die sich bei den Teilnehmern einprägten.
Georg Frabergers (Psychologe) Ausführungen über die Seele im Kontext der Wirtschaftlichkeit zu lauschen, war für die Teilnehmer ein Abschluss des Jahresforums, der in Erinnerung bleibt. Auch er hob hervor, dass Menschen in Emotionen denken und dass Menschlichkeit eine wichtige Rolle spielt, besonders im BGM.
Summing up …
Alles in allem war das Jahresforum BGM 2014 eine spannende Veranstaltung, aus der man wertvolle Ideen, Anregungen und Erkenntnisse mitnehmen konnte. Empfehlenswert ist das Jahresforum BGM 2014 aus meiner Sicht auch für „Neulinge“ in der Welt des BEtrieblichen Gesundheitsmanagements – wie ich es noch vor wenigen Tagen war. Man hörte vereinzelt aus der Teilnehmerschaft, dass manche Vorträge teilweise zu wenig praxisnah gewesen seien und für „erfahrene BGMler“ keine wesentlichen neuen Erkenntnisse brachten. Andere Teilnehmer wiederum fühlten sich bestärkt, dass das eigene Unternehmen am richtigen „BGM-Weg“ ist. In den Pausen und beim Abendprogramm konnten der eine oder andere Kontakt geknüpft werden und bei den Round Tables wurde viel diskutiert. Die Stimmung war durchwegs positiv und „gesund“.
Keywords: Betriebliche Gesundheitsförderung, Betriebliches Gesundheitsmanagement, Betriebliches Gesundheitsmanagement Österreich, BGF, BGM
Die fabelhafte Welt des Betrieblichen Gesundheitsmanagements