Gutes Coaching erfordert einen breiten Katalog an Techniken, Methoden, Theorien, … doch (danke, Corinna Ladinig, CTC, für deinen Ausspruch): „a fool with a tool is still a fool“. Wie wahr!
Interview
Was schätzen Sie wichtiger ein – die persönlichen Fähigkeit eines Coaches oder einen vollen Handwerkskoffer an Methoden und Fragetechniken?
Veronika Aumaier MAS, MSc (Aumaier Coaching | Consulting): Beides, wobei meiner Meinung nach die Persönlichkeit, und hie bei vor allem die Haltung das Ausschlaggebende ist: Ein Coacktail aus Wertschätzung, Ruhe, Gelassenheit, Souverenität, Neugierde, Offenheit, Interesse, Lösungsorientierung und Humor des Coaches bilden ein Klima des Vertrauens und Zutrauens, das rasche Fortschritte und Entwicklungen ermöglicht.
Handwerkskoffer und Methoden unterstützen die Effektivität und Effizienz eines Coachings. Sie sollten selbstverständlich sein und die Basis bilden. Aber sie reichen meiner Meinung nach alleine nicht aus.
Corinna Ladinig, MBA (CTC Academy): Frei nach dem Spruch: a fool with a tool is still a fool muss Mann bzw. Frau unbedingt persönlich als Coach geeignet sein. Aus Untersuchungen wissen wir, dass eine gute persönliche Beziehung zwischen Coach und Coachee den Coachingeffekt besonders begünstigt. Darüber hinaus braucht man natürlich auch einen Methodenkoffer – vor allem eine gute Fragetechnik – dieser erhöht die Effizienz und man ist rascher am Punkt.
Mag. Sabine Prohaska (seminar consult prohaska): Es freut mich, dass Sie diese Frage stellen, dennzukünftige Coaches interessieren sich zu Beginn einer Ausbildung hauptsächlich für unterschiedliche Methoden, die man in der Praxis schnell und einfach anwenden kann. Doch Coaching ist viel mehr als ein voller Handwerkskoffer. Es ist vor allem eine Haltung: Mein Menschenbild beeinflusst natürlich die Wahl meiner Interventionen bzw. Methoden. Es ist wichtig zu erwähnen, dass der Coach als Mensch eine wesentliche Bedeutung für den Coachingprozess hat. Es ist hilfreich und wichtig, Techniken und Methoden zu lernen, aber die eigene ethische und professionelle Haltung als Coach darf nie außer Acht gelassen werden.
Mag. Michael Tomaschek, MSc (E.S.B.A – European Systemic Business Academy): Coaching per se ist keine Methode und Technik, sondern ein Setting und damit eine definierte Rolle, die mit einer sehr spezifischen Haltung einhergeht. Coaching ist eine Prozessberatung, die als Begleitung und Anregung zur Reflexion und Weiterentwicklung der persönlich vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen konzipiert wurde. Im Unterschied zur klassischen Fachberatung beruht diese Intervention auf einer Aktivierung zur Selbstreflexion und Eigenverantwortung und nicht auf einem Input von außen. Fachberatung schafft unweigerlich und beruht oftmals sogar beabsichtigt auf einem hierarchischen und damit autoritären Beziehungsgefälle, das in manchen Fällen sogar zu einer Abhängigkeit und Entmündigung der Kundin führt. Coaching braucht daher eine Grundhaltung der Wertschätzung und des Respekts vor der Kompetenz und Einzigartigkeit der Kundin, um dieser auf Augenhöhe ein gleichwertiger Sparringspartner sein zu können. Diese Haltung ist leider in unserer Gesellschaft mittlerweile eine neuartige und muss erst wieder mühsam erlernt werden, da wir alle in einer Fachexpertenkultur sozialisiert sind. Diese Haltungsänderung hat sehr viel mit der eigenen Persönlichkeit, unserer Prägung und inneren Werten zu tun und ändert sich nicht in einem Wochenendseminar. Ist diese aber erst einmal da, wirkt sie wie ein Virus oft auch in anderen Lebensbereichen und Menschen nutzen diese persönliche Veränderung.
Mag. Renate Strommer (ASO & WiLAk ): Eine Frage analog zu Henne und Ei? Der Coach holt den Kunden in seiner Gedankenwelt ab und unterstützt den Kunden, seine Problemsituation zu dekonstruieren und über neue Erkenntnisse eine Konstruktion einer meisterbaren Situation zu erschaffen.
Hat man nur einen Hammer zur Verfügung, wird man vielleicht jedes Problem mit dem Hammer zu lösen versuchen. Je voller der Werkzeugkoffer, desto präziser kann auf den Kunden und sein Anliegen eingegangen werden. Methoden und Techniken unterstützen den Weg und haben dort ihren Stellenwert.
Es hängt aber an den Fähigkeiten, der Persönlichkeit und der Einstellungen des Coachs, was in dem Coaching-Prozess möglich wird. Coaching ist zielorientierte Prozesssteuerung, die bewusst und unbewusst geführt wird. Bewusst wird über die Auftragsklärung und Zielvereinbarung, Methoden und Fragetechniken gesteuert, unbewusst über Beraterhaltung, Menschenbild, Bewertungen und Interpretationen aufgrund der eigenen Lebensgeschichte (Bedürfnisse, Werte, Ziele, Einstellungen und Erwartungen und allem, was in der eigenen Welt selbstverständlich ist,…). Die unbewusste Steuerung ermöglicht oder verhindert.
Luzia Fuchs-Jorg (KICK OFF Management Consulting): Auf die Frage: „Woran erkennt man einen guten Coach“, erhielt ich einmal von einem meiner Supervisoren die kluge Antwort : „Einen guten Coach erkennt man daran, dass er einen vollen Terminkalender hat und dass Coachees ihn weiter empfehlen“. Diese Antwort mag zwar irritieren, hat aber einen hohen Wahrheitsgehalt. Irgendetwas scheint einen erfolgreichen Coach von anderen zu unterscheiden. Meine Erfahrung zeigt, dass es viele Coaches gibt, die bestens ausgebildet sind und einen vollen Handwerkskoffer haben – trotzdem werden sie wenig gebucht. Letztlich unterscheidet sich ein guter Coach über seine Persönlichkeit, seine Haltung und durch sein Menschen-, bzw. Weltbild.
Eine gut reflektierte Lebensgeschichte, Integration von Projektionen, Erkennen und Steuern von teils destruktiven Mustern, Erkennen von Gegenübertragungsphänomenen… und noch vieles andere mehr – sind wesentliche Elemente, um die eigene Persönlichkeit zu stärken. Für einen Coach ist Persönlichkeitsentwicklung und -pflege ein Muss! Denn nur auf diese Weise ist er in der Lage, mit bedingungsloser Aufmerksamkeit mit Menschen und deren Problemen zu arbeiten. Andernfalls kommt es oft zu Unverständnis oder unangemessener Ab- oder Aufwertung – und der gewünschte Erfolg für den Coachee bleibt aus.
Welche weiteren Fähigkeiten, Eigenschaften eines Coaches sind ebenso aus Ihrer Sicht unablässig?
Veronika Aumaier MAS, MSc (Aumaier Coaching | Consulting): Erfahrungen in unterschiedlichen Managementfunktionen, unterschiedlichen Unternehmungen und Branchen, Empathie und gute inhaltliche und persönliche Distanziertheit, um Abhägigkeiten zu vermeiden.
Dr. Michaela Judy (ASYS): Mit Verweis auf das ECVision-Glossar – ein Coach sollte zu folgenden Kerndimensionen ein klares und reflektiertes Verständnis mitbringen: Ambiguitätstoleranz, Erfahrungsorientierung & Lernen, Ethik & Werte, Führung und Management, Funktion und Rolle, Integration von Theorie und Praxis, Interaktion & Kommunikation, Contracting, Organisation, Reflexion, Ressourcenorientierung, Wechselwirkung, Ziel- und Bedürfnisorientierung.
Dr. Josef Krobath (Berufsförderungsinstitut Steiermark): Wichtig ist zu erkennen, bei welchen Fragestellungen ich als Coach hilfreich sein kann und wo nicht. Notwendig sind Sicherheit im Prozess, Verbindlichkeit im persönlichem Kontrakt und menschliche Wärme. Eine große Portion an Humor ist „das Salz in der Suppe“. Die Reflexionsfähigkeit im Erkennen der eigenen blinden Flecken, meiner Stärken aber auch Schwächen sind eine Grundvoraussetzung. Dazu kommt die Fähigkeit die Coachees zu ermutigen „über den Tellerrand zu schauen“, kreative Lösungen zu suchen und neue Wege zu gehen.
Mag. Günther Kampitsch, MBA (WIFI Steiermark): Detaillierte Beschreibungen würden hier zu lange werden, deshalb nur in Stichworten: analytische Fähigkeiten, Lösungsorientierung, Empathie und Anpassungsfähigkeit, professionelle Distanz, Fähigkeit zur Allparteilichkeit und zum Perspektivenwechsel, Kreativität, Flexibilität, gefestigte ethische Orientierung, Arbeits- und Zeitmanagement, Selbstreflexion und Lernorientierung.
Und abschließend ist ein Punkt besonders zu betonen: Der Coach benötigt ein solides Organisationswissen und entsprechende Feldkompetenz, damit nicht Verständnisfragen im Vordergrund stehen, sondern Fragen, die den Kunden durch einen für ihn ergiebigen Coaching-Prozess führen.
Mag. Dr. Günter Lueger (Solution Management Center): Ich will ein paar Fähigkeiten erwähnen, die unerlässlich sind, aber in der Literatur zu wenig betont werden. Da ist z.B. „Flexibilität“ des Coaches wichtig: Flexibilität meint, dass ein Coach nicht an seinen Methoden und Vorgehensweisen festhält, sondern flexibel ist und mit dem „Flow des Coachees“ mitgeht, unabhängig davon, was er sich als nächstes vorgenommen hat. Eine weitere wichtige Fähigkeit und Technik ist das Fokussieren von kleinen Erfolgen und kleinen Schritten und das Ermutigen im Zweifelsfalle kleinere als größere Veränderungsschritte zu machen.
Mag. Christine Gsur (Coachinggalerie): Es ist wichtig dem Coachee einen geschützten Rahmen für seine Selbstreflexion bieten zu können. Das bedeutet u.a. die uneingeschränkte Akzeptanz und Nicht-Verurteilung dessen, das der Coachee gemacht hat. Ich werde als Coach nicht als moralische Instanz eingesetzt. Durch die ehrliche Selbstreflexion, die möglich wird, wenn gemeinsam „neutral“ auf das Geschehene zurückgeblickt wird, können viele Lernschritte für die Zukunft abgeleitet werden.
Weiters ist wichtig, dass der Coach selbst das zu bearbeitende Thema nicht akut in seinem eigenen Leben offen hat. Wenn z.B. der Coach gerade selbst mit seinem Gewicht zu kämpfen hat, erscheint mir der Zeitpunkt nicht günstig für den Coachee, mit diesem Coach an diesem Thema zu arbeiten. Das bedeutet, dass der Coach erkennen muss, welche Themen er annehmen kann, und welche er an Kollegen weitergeben sollte.
Ich persönlich schätze es sehr, mit meinen Coachees in den Sitzungen auch immer wieder zu lachen. Humor beschleunigt einfach den Coachingfortschritt. Über sich selbst zu lachen, eine Situation aus einer humoristischen Perspektive zu sehen, und den Ärger auf sich selbst dadurch ein Stück loszulassen kann viel bewirken. Hier halte ich mich gerne an eine Maxime von Dr. Michael Bohne „Coaching ohne Humor ist wie eine Operation ohne Narkose“. Für die Arbeit mit Humor sind jedoch die von Carl Rogers formulierten Voraussetzungen für den Erfolg von Therapie (Coaching) – ‚Empathie‘, ‚Echtheit‘ und ‚Wertschätzung‘ – unabdingbar.
Corinna Ladinig, MBA (CTC Academy): Einfühlungsvermögen, Selbstreflexionsfähigkeit, Zielorientierung, Fähigkeit Beziehung aufzubauen, zu halten und dennoch zielorientiert zu begleiten. Intuition und gute Fähigkeit sich konstruktiv abzugrenzen. Breite Driftzonen – das bedeutet die Fähigkeit sich in die Landkartensysteme anderer Menschen einzufühlen um sie auf ihrem ganz eigenen Weg begleiten zu können. Die Liebe zu Menschen und den unerschütterlichen Glauben an die verborgenen Potentiale der Coachees – if you can dream it, you can make it.
Univ. Lektor, Mag. Alfred Lackner (Lackner & Kabas): Wenn ein Coach im Businessbereich arbeitet ist ein Verständnis von der Wirtschaft- und Arbeitswelt unumgänglich. Viele Psychologen und Psychotherapeuten, die (von attraktiven Honoraren angelockt) in der Wirtschaft arbeiten wollen, scheitern. Ihnen fehlt die Anschlussfähigkeit an die Werte- und Lebenswelt. Manchmal sind ganz einfach die Menschenbilder nicht kompatibel. Welche Führungskraft lässt sich gerne in ihren zentralen Glaubenssätzen in Frage stellen und zahlt dafür noch freiwillig ein gutes Honorar?
Ideologiefreiheit: Coachingansätze sind Strömungen und Moden unterworfen. Nach außen hin werden diese oft durch die „noch bessere“ Wirksamkeit/Effektivität beworben und begründet. Gerade wenig erfahrene Coaches kompensieren die noch nicht entwickelte (und mögliche) „innere“ Sicherheit durch die idealistische Anhängerschaft zu einer Schule. Das tragende Element im Coaching ist die Beziehung zwischen Coach und Klient. Hier „wirken“, wie schon vor hundert Jahren durch die Psychoanalyse ausführlich beschrieben, die Phänomene der Übertragung und Gegenübertragung. Der Coach ist für die Wahl der Methode und des Settings verantwortlich. Die unterschiedlichen Fragestellungen fordern bei der Wahl der „Bearbeitungstiefe“ die Flexibilität des Coaches. Ideologiefreiheit unterstützt diese Flexibilität und ist daher ein Qualitätsmerkmal des Coaches.
Es taucht immer wieder die Frage nach der sogenannten Feldkompetenz eines Coaches auf. Was hat es damit auf sich?
Luzia Fuchs-Jorg (KICK OFF Management Consulting): Es gibt viele widersprüchliche Aussagen dazu. Meine pragmatische Antwort lautet, dass es nicht nötig ist, Feldkompetenz zu haben – aber dass es auch nicht schadet. Für den Coach ist es nur viel schwerer, dem Kunden seine oft verschüttete Selbstorganisation zuzutrauen und nicht schon vorzeitig Lösungen anzubieten.
Meine Erfahrung zeigt auch, dass es für viele Manager in sehr hohen Positionen wichtig ist, einen Coach zu buchen, der aufgrund seiner Felderfahrung ein besseres Verständnis für Situationen des Firmenalltags mitbringt. Oft entsteht sonst eine unangemessene Hierarchie („Sie verstehen ja nicht, was in so einem Unternehmen vorgeht…!“), die den Coaching-Prozess stört und oft maßgeblich behindert. Insbesondere im interkulturellen Coaching zeigt es sich, dass ein Coach, der selber nie im Ausland gelebt und gearbeitet hat, die negativen Affirmationen des Kunden und „Ab- oder Aufwertungen“ für Kulturen übernimmt und dadurch die Möglichkeit der Perspektivenerweiterung für den Kunden behindert.
Was sagt die Wissenschaft? Gibt es wissenschaftlich fundierte Erfolgsfaktoren für zielführendes Coaching?
Mag. Dr. Günter Lueger (Solution Management Center): Interessanterweise zeigt die aktuelle Forschung zu Einflussfaktoren des Coachingerfolgs, dass Motivation und Veränderungsbereitschaft des Coachees und eine positive Beziehung zwischen Coach und Coachee den stärksten Einfluss auf ein gelingendes Coaching haben. Daher ist es in Coaching-Ausbildungen wichtig, den angehenden Coaches Methoden für die Erhöhung von Zuversicht und eine gute Gestaltung der Beziehung zu vermitteln. Beispielsweise vermitteln wir den Leuten Techniken, um „Pre-Coaching Change“ zu nutzen, der die Zuversicht, dass Coaching hilft, sehr positiv beeinflusst. Eine solche Technik ist, dass die Coachees vor der ersten Sitzung gebeten werden, Anzeichen für positive Veränderungen zu beobachten und diese dann zu besprechen. Dann kommt jemand schon mit mehr Zuversicht und kleinen funktionierenden Dingen zur Session, denn es gibt immer etwas, das zwischen der Terminvereinbarung und der ersten Sitzung schon etwas besser läuft.
Mag. Michael Tomaschek, MSc (E.S.B.A – European Systemic Business Academy): Alle Wirkstudien der letzten Jahrzehnte kommen immer zum selben Ergebnis: dass die Beziehungsebene mehr als 35% und in Kombination mit der Wahrnehmung und dem Wohlbefinden des Kunden über 50% ausmacht. Technik und Tools sind in diesen Ergebnissen bei lächerlichen 10-15% angesiedelt. Achtung, jedoch funktioniert die Wirksamkeit immer nur im Ganzen und da kann man nicht einfach ein Tortenstück aus der Statistik wegschneiden!
Die Gesprächspartner
Coaching – Methoden & Techniken
Aumaier Coaching | Consulting Dr. Josef Krobath Berufsförderungsinstitut Steiermark Mag. Michael Tomaschek, MSc E.S.B.A Mag. Christine Gsur Coachinggalerie
Solution Management Center Corinna Ladinig, MBA CTC Academy OG Uni Lektor, Mag. Alfred Lackner Lackner & Kabas KG Mag. Sabine Prohaska seminar consult prohaska Mag. Günther Kampitsch, MBA WIFI Steiermark Luzia Fuchs-Jorg Kick Off Management Consulting GmbH Mag. Renate Strommer ASO & WiLAk GmbH Dr. Michaela Judy ASYS – Arbeitskreis für Systemische Sozialarbeit, Beratung und Supervision |