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(Un)Klare Verhältnisse – Kollektivvertrag Österreich

23Sep2014
4 min
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HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Das aktuelle EuGH-Urteil zum AUA-Kollektivvertrag rückt das Thema Kollektivvertrag Österreich wieder ins Rampenlicht. In der betrieblichen Praxis wird der Ermittlung des anwendbaren Kollektivvertrages und der korrekten kollektivvertraglichen Einstufung der Arbeitnehmer oft nicht die Bedeutung gegeben, die diese Themen für Arbeitgeber haben. Der AUA-Kollektivvertragsstreit zeigt aber wieder ganz klar: Mit der Frage des anwendbaren Kollektivvertrages ist nicht zu spaßen. Einige Aspekte zum Thema Kollektivvertrag – Österreich sollen nachstehend geschildert werden:

Was ist eigentlich ein Kollektivvertrag (Österreich)?

Ein Kollektivvertrag ist – vereinfacht gesagt – eine Vereinbarung, die zwischen der Gewerkschaft und der Wirtschaftskammer für eine oder mehrere bestimmte Branchen verhandelt und jährlich angepasst wird.

Anders als in anderen Ländern gilt: Kollektivvertrag Österreich = zwingend. Ein Arbeitgeber kann sich den für seinen Betrieb anwendbaren Kollektivvertrag nicht aussuchen oder mit seinen Arbeitnehmern vereinbaren.

Der Kollektivvertrag nimmt eine hohe Stellung ein. Im Stufenbau der „Arbeitsrechtsordnung“ steht er auf nationaler Ebene an Platz 2, direkt nach dem zwingenden Gesetzesrecht. Hinter den Kollektivvertrag reihen sich Betriebsvereinbarung, Arbeitsvertrag, dispositives Gesetzesrecht und Weisungen.

Was regelt ein Kollektivvertrag?

Kollektivverträge ergänzen die gesetzlichen Regelungen. Typische Regelungsbereiche von Kollektivverträgen sind Arbeitszeit, Mindestlöhne/gehälter, Sonderzahlungen, Kündigungsfristen, bezahlte Freistellungen, Verfallsfristen, Telearbeit und/oder Anrechnungsbestimmungen – also durchaus nicht unwichtige Themen in der Arbeitswelt. Im Verhältnis zwischen Kollektivvertrag und Gesetz gilt – wie oft im Arbeitsrecht – das Günstigkeitsprinzip. Einzelvertragliche Vereinbarungen, die den Arbeitnehmer schlechter stellen als dieser nach dem anwendbaren Kollektivvertrag stünde, sind in der Regel unwirksam.

Wo finde ich Kollektivverträge?

Viele Kollektivverträge sind im Internet downloadbar. Bei der Befragung von „Dr. Google“ ist jedoch Vorsicht geboten – nicht immer sind die im Internet kostenlos verfügbaren Versionen vollständig und aktuell. Eine gezieltere Recherche ermöglicht die Kollektivvertragsdatenbank der Wirtschaftskammer. Daneben gibt es kostenpflichtige Datenbanken, die verschiedene Zusatzservices anbieten.

Achtung: In den meisten Branchen gibt es getrennte Kollektivverträge für Arbeiter und für Angestellte. Diese können sehr unterschiedliche Regelungen umfassen.

Unterliegen alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer einem Kollektivvertrag?

Nein, aber fast alle. Auf über 90 % der österreichischen Arbeitsverhältnisse ist ein Kollektivvertrag anwendbar. Es gibt einige wenige Branchen, für die kein Kollektivvertrag gilt, etwa Rechtsanwaltsanwärter, Freizeitbetriebe oder Vergnügungsbetriebe.

Welcher Kollektivvertrag gilt für meine Arbeitnehmer?

Welcher Kollektivvertrag anwendbar ist, richtet sich im Wesentlichen nach der Mitgliedschaft des Arbeitgebers zu einer bestimmten Fachgruppe bei der Wirtschaftskammer. Welcher Fachgruppe ein Arbeitgeber angehört, richtet sich wiederum nach der (erforderlichen) Gewerbeberechtigung.

Zur Ermittlung des anwendbaren Kollektivvertrages sind zunächst folgende Basisfragen zu klären: Schritt 1: Welches Gewerbe wird ausgeübt (mit oder ohne Gewerbeberechtigung)? Schritt 2: Welche Fachgruppenmitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer ergibt sich aus diesem Gewerbe? Schritt 3: Welcher Kollektivvertrag wurde von dieser Fachgruppe ausverhandelt bzw. gilt für diese Fachgruppe?

Um zwei Mythen auszuräumen: Durch das Nichtanmelden eines Gewerbes kann die zwingende Anwendbarkeit eines Kollektivvertrages nicht unterlaufen werden. Auch Arbeitnehmer von Arbeitgebern, die eine gewerbliche Tätigkeit ohne die hiefür erforderliche Gewerbeberechtigung ausüben, unterliegen jenem Kollektivvertrag, der bei rechtmäßiger Gewerbeausübung anwendbar wäre. Und: Auf die Mitgliedschaft der Arbeitnehmer bei einer Interessenvertretung kommt es nicht an.

Können mehrere Kollektivverträge zugleich anwendbar sein?

Die oben geschilderten Ermittlungsschritte funktionieren bei Unternehmen, die nur eine gewerbliche Tätigkeit ausüben, recht gut. Spannend wird es aber, wenn ein Arbeitgeber mehreren Fachgruppen bei der Wirtschaftskammer angehören (müsste).

Beispiel: Die neu gegründete Eifrig GmbH betreibt Handel mit Maschinen und bietet auch Wartungsleistungen hierfür an. Sie verfügt über zwei Gewerbeberechtigungen. Welcher Kollektivvertrag gilt für die Mitarbeiter?

Aus der komplizierten Regelung in § 9 Arbeitsverfassungsgesetz lässt sich folgender „Basis-Prüfplan“ ableiten:

  • Gibt es zwei oder mehr Betriebe bzw. organisatorisch und (!) fachlich getrennte Betriebsabteilungen? Wenn ja, findet auf die Arbeitnehmer der jeweilige dem Betrieb/Betriebsteil in fachlicher und örtlicher Beziehung entsprechende Kollektivvertrag Anwendung. Im Beispiel: Hat die Eifrig GmbH ihr Vertriebszentrum in Wien und ihre Werkstätte in Graz, gilt für die Vertriebsmitarbeiter der Handelskollektivvertrag, für die Mitarbeiter der Werkstätte der Gewerbekollektivvertrag.
  • Wenn nein, findet jener Kollektivvertrag Anwendung, der für den fachlichen Wirtschaftsbereich gilt, der für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat. Bei der Ermittlung der „maßgeblichen wirtschaftlichen Bedeutung“ muss nach Meinung des Obersten Gerichtshofes eine Gesamtbetrachtung im Einzelfall durchgeführt werden. Kriterien sind dabei Umsatz, Gewinn, Betriebsmittel, Unternehmensziel, Zahl der Arbeitnehmer, Kunden und viele mehr. Im Beispiel: 10 Vertriebsmitarbeiter und 3 Technikmitarbeiter der Eifrig GmbH teilen sich ein Büro und sind alle im Außendienst beschäftigt. Der Großteil des Umsatzes kommt durch den Vertrieb. Wartungsleistungen werden nur speziellen Kunden auf Anfrage angeboten und sind im Außenauftritt nicht erwähnt. Alle Arbeitnehmer unterliegen wahrscheinlich dem Handelskollektivvertrag.
  • Kann weder eine organisatorische/fachliche Trennung noch eine maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung ermittelt werden, ist jener Kollektivvertrag anwendbar, dessen Geltungsbereich österreichweit die größere Anzahl von Arbeitnehmern in der betroffenen Branche erfasst.

Klare Verhältnisse schaffen!

Gewarnt werden soll hier auch vor einer unüberlegten „Vereinbarung des anwendbaren Kollektivvertrages“ im Arbeitsvertrag – in diesem Fall müsste dann ein Günstigkeitsvergleich zwischen Arbeitsvertrag, vereinbartem Kollektivvertrag und tatsächlich anwendbarem Kollektivvertrag gemacht werden und die jeweils für den Arbeitnehmer günstigste Regelung angewendet werden.

Der Kollektivvertragsdschungel ist oft nicht einfach zu durchqueren. Es ist aber besonders aufgrund der drohenden Verwaltungsstrafen sowie Nachforderungen der Arbeitnehmer und Sozialversicherung wichtig, durch sorgfältige und zeitgerechte Prüfung klare Verhältnisse zu schaffen.

 

(Un)Klare Verhältnisse – Kollektivvertrag Österreich

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