Das frische Magazin
für Human Resources
Mayerhofer-Trajkovski

Coaching von Führungskräften – Tipps & Tabus

17Okt2014
7 min
coaching-ausbildung-oesterreich_wien_coach-ausbildung_business-coaching

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Heute darf ich Mäuschen spielen! Denn: Führungskräfte-Coaching ist immer ganz individuell, ganz zielgerichtet, ganz effektiv. Die Führungskraft im Fokus, der Coach als Unterstützer. Und hier endet die Ähnlichkeit auch schon, denn jedes Coaching ist anders.

Genau jetzt ziehe ich mein Mäuschen-Dasein aus dem Hut und sehe – im Interview eher verbal – genau hin: gehen die Fragestellungen der Führungskräfte tatsächlich so sehr auseinander? Welche Methoden sind für die Coaches die treffsichersten? Und: was ist in einem Führungskräfte-Coaching tabu?

Experten-Interview

Los geht’s

Meine heutige Experten-Runde kann tief im Erfahrungsschatz wühlen. Und genau das ist in diesem Intrerview gefragt:

Wie sieht es bei euch in der Praxis des Coachings aus?

Mit welchen Themen im Führungskräfte-Coaching haben Sie am Häufigsten zu tun?

Mag. Günther Kampitsch, MBA (WIFI Steiermark): Sehr häufig geht es in meinen Coaching-Prozessen um die Akzeptanz von Führung, um die Effizienz des eigenen Führungsverhaltens und um den Umgang mit Konflikten. Auch häufige Themen sind die Verbesserung der Arbeitsqualität, die Optimierung der Life-Domains-Balance und auch die Planung der weiteren Karriere.

Univ. Lektor, Mag. Alfred Lackner (Lackner & Kabas): Wir begleiten vor allem neue Führungskräfte bei der Übernahme von Führungsverantwortung und etablierte Führungskräfte und Manager in schwierigen/herausfordernden Situationen. Bei neuen Führungskräften geht es um die Positionierung als Führungskraft. Das inhaltliche Rüstzeug für die Anforderung Führung ist schnell vermittelt. Im Coaching geht es dann darum, das Wissen und die vorhandenen Kompetenzen angemessen zum Einsatz zu bringen. Bei etablierten Führungskräften sind die Themen sehr unterschiedlich. Oft geht es um die Übernahme von „Mehrverantwortung“, Konflikte mit einem Vorgesetzten, Kollegen oder Mitarbeiter oder die berufliche Neupositionierung. Große Veränderungsprozesse im Unternehmen – in letzter Zeit Einsparungs- und Abbauprogramme – sind ebenfalls eine große Herausforderung für Führungskräfte, die wir im Coaching begleiten.

Veronika Aumaier MAS, MSc (Aumaier Coaching | Consulting):
♦ Unternehmensführungs- und Organisationsthemen wie Abteilungszusammenlegung, /-reduktion, Strategiefindung kurz- und mittelfristig, Definition strategischer Zielsetzungen, Arbeitsverteilungen/Schnittstellen im Team, Restrukturierungen, Wachstum und
♦ persönliche Themen wie Auftreten und Wirken, Souverenität und Gelassenheit, work-life Balance, Mitarbeiterführungsthemen wie Akzeptanz, Sachorientierung versus Beziehungsorientierung, Respektvoller Umgang, Teamkonflikte.

Mag. (FH) Elke Winkler (New Solutions): Persönliche Karriereplanung, Mitarbeiterführung, zwischenmenschliche Themen die sich bei der Zusammenarbeit ergeben strategische Ausrichtungen (z.B. auch Unternehmensausrichtung bei EPUs)

Wie haben sich die Anforderungen im Führungskräfte-Coaching in den letzten Jahren verändert?

Mag. Sonja Rieder, MSc (Büro für Karriereberatung & Business Coaching): Die Themen Erschöpfung und Karriereunsicherheit verstärken sich deutlich und sie hängen zusammen. Rascher Aufstieg und tiefer Fall können heute innerhalb kürzester Zeit aufeinander folgen. Ein konstruktiver Umgang mit Kränkungen, Rückschlägen und – ab einer gewissen Alters- und Karrierestufe – potentieller Arbeitslosigkeit ist ein Schlüsselthema. In der Beratung ist die Erarbeitung von strategischen Präventionsmaßnahmen ebenso wichtig wie die Arbeit am Selbstwertgefühl von Klienten.

Welche Tools setzen Sie im Detail bei Führungskräfte-Coaching ein?

Veronika Aumaier MAS, MSc (Aumaier Coaching | Consulting): Systemische Fragetechniken, Gesprächssimulation, Lösungsorientiertes Probehandeln, Rollenspiele, Perspektivenwechsel, Miniaturen aus der Organisations- und Strukturaufstellung, Aufstellungsarbeit mit Bodenankern. Der Mix ist ausschlaggebend und der gut gefüllte Werkzeugkoffer, sodass jederzeit ein neues Tool gewählt werden kann, wenn das angebotene nicht angenommen werden kann oder nicht Wirkung erzielt.

Univ. Lektor, Mag. Alfred Lackner (Lackner & Kabas): Wir starten im Coaching mit einer persönlichen Standortbestimmung – dabei kommt die Wiener Potenzialanalyse zum Einsatz. Die konkrete Fragestellung im Coaching wird auf dem Hintergrund der gesamten Persönlichkeit betrachtet und eingeordnet. Führungskräfte schätzen es, ein differenziertes Feedback zu ihrer Person zu erhalten. Der Coachingprozess dauert in der Regel zwischen 5 und 10 Sitzungen in einem Abstand von ca. 3 Wochen. In der Coachingsitzung wird das Anliegen mit verschiedensten Methoden (abhängig von der Fragestellung und der Führungskraft) bearbeitet und ein Aktionsplan abgeleitet. In der Zeit zwischen den Coachingsitzungen ist die Führungskraft gefordert den Aktionsplan umzusetzen. In der nächsten Coachingsitzung werden die neuen Erfahrungen gemeinsam reflektiert und ausgewertet. Am Ende des Coachingprozesses wird der Output des Coachings systematisch evaluiert.

Mag. Sabine Prohaska (seminar consult prohaska): Viele Coachees melden nach Coachingeinheiten zu den vorher genannten Fragestellungen zurück, dass alleine die Tatsache, laut darüber nachgedacht zu haben, neue Einsichten gebracht hat. Somit sind gerade bei diesem Themenbereich nicht allzu viele Interventionen vonseiten des Coachs nötig. Angenehme Rahmenbedingungen, aktives Zuhören und den Fokus am Coachingziel zu halten, sind hier die Hauptaufgaben.
Ein zentrales Element im Coaching Allgemein, hier aber im Speziellen, ist die Wertschätzung des Coachees. Die Wertschätzung seiner Überlegungen, aber auch die Wertschätzung von „verbotenen“ Emotionen. „Ich könnte den Mitarbeiter zum Mond schießen!“, „Manchmal habe ich Rachegelüste und male mir aus, wie ich XY schaden könnte!“ etc. Das sind Gedanken und Emotionen, die jeder von uns kennt. Sie in der jeweiligen Situation auszusprechen oder gar zu verfolgen, ist nicht gerade empfehlenswert. Sie aber in einer Coachingsitzung auszusprechen und durchzudenken, kann sehr entlastend wirken. Und mit der Wertschätzung für solche Emotionen meine ich die Haltung: „Manchmal geht es uns allen so.“ Oder: „Es darf Ihnen auch einmal zu viel sein.“ Und nachdem sich ein Coachee – angemessen lange – „auskotzen“ durfte, kann man sich (besser) auf die Suche nach einer sozial verträglichen Strategie machen.
Eine Reflexion der eigenen Situation beinhaltet die Möglichkeit, aus verschiedenen Perspektiven auf die Situation oder das eigene Verhalten zu blicken. Dieser Perspektivenwechsel ermöglicht neue Erkenntnisse und deckt sehr häufig Ressourcen oder auch Hindernisse auf. Fragen wie: „Wer außer Ihnen wird die Veränderung der Situation bemerken?“ oder: „Wenn Sie Teil des Teams wären, wie würden Sie sich die Anfangszeit der neuen Führungskraft wünschen? Welche Handlungen der Führungskraft würden Sie sich erwarten?“ wirken hier oft Wunder.

Mag. (FH) Elke Winkler (New Solutions): Bei Führungskräfte-Coachings setze ich keine speziellen Tools ein – ich lasse mich zu 100 % auf die Welt meines Kunden ein und entscheide individuell, welche Frage, welche Aktivität mir sinnvoll erscheint, um den Kunden seiner Lösung näher zu bringen. Grundsätzlich arbeite ich aber auch ganz gerne mit dem Beziehungsbrett, da ich selbst ein optischer Typ bin und mir ein Perspektivenwechsel so leichter fällt – wenn auch mein Kunde ein optischer Typ ist, verwende ich es natürlich, sofern er dem zustimmt. Ansonsten lass ich mich einfach von meinem Gespür leiten und setze maßgeschneidert die richtigen Interventionen und meine Kunden begeistert das.

Weshalb ist zu Beginn die Zieldefinition so wichtig?

Mag. Sabine Prohaska (seminar consult prohaska): Zu Beginn der Coachingsitzung ist hier eine besonders gute Zielklärung wichtig, denn nicht immer ist bei der Themenstellung klar, was am Ende des Coachings herauskommen soll.
Betrachten wir kurz das folgende Beispiel: „Ich bin neu als Führungskraft in der Abteilung. Wie kann ich die erste Zeit optimal gestalten, damit ich im Team gut aufgenommen werde?“
Geht es dem Coachee um konkrete Handlungen wie: „Mache ich eine Einstandsfeier? – Wenn ja, wann und in welchem Rahmen?“ Oder geht es darum, wie sich der Coachee persönlich gut rüsten kann? „Wer oder was aus meinem Umfeld kann mir zu Beginn eine Stütze sein?“, „Welche meiner Stärken haben mir in ähnlichen Situationen geholfen?“ Vielleicht geht es auch um beides – oder doch um etwas ganz anderes?
Wenn die Ziele für den Coachingprozess und jeweils für die einzelne Sitzung geklärt sind, gilt es, am Ende der Einheit die Erkenntnisse zusammenzufassen und mögliche weitere Schritte zu konkretisieren.

Welche Methoden und Fragetechniken eignen sich Ihrer Meinung nach weniger?

Veronika Aumaier MAS, MSc (Aumaier Coaching | Consulting): Ausschließlich systemisches Coaching mit reiner Fragetechnik. Führungskräfte möchten meiner Erfahrung nach auch Inputs und Meinungen als Angebote – selbstverständlich ist es ausschließlich die Entscheidung des Coachees, welche Anregungen er aufnimmt oder verwirft.

Mag. Günther Kampitsch, MBA (WIFI Steiermark): Vor allem dem Arbeitsbereich mit Materialien sind im Management eher Grenzen gesetzt: Erwachsenengerechte Figuren und Symbole am Systembrett sind ok, aber aus dem Kinderzimmer entlehnte Materialien, die eine gewisse Regressionsbereitschaft erfordern, sind eher tabu. Wobei jedoch auch hier unterschieden werden muss, ob man im Gruppen- oder im Einzelsetting arbeitet (Im Einzelcoaching – also ohne Zeugen – ist der Zugang zum emotionellen, spielfreudigen Kindheits-Ich immer wieder durchaus gegeben).
Zur Fragetechnik: Eine kontraproduktive Frageform ist zweifelsohne die der Suggestivfrage.

Mag. Sonja Rieder, MSc (Büro für Karriereberatung & Business Coaching): Im Führungskräfte-Coaching sind dem Einsatz von kreativen Medien (zB Problemveranschaulichung durch Malen, Skulpturen,…) sicherlich Grenzen gesetzt, da diese nicht der täglichen Lebenswelt der Klienten entsprechen. Was den verbalen Ausdruck betrifft, halte ich es für hilfreich, den Klienten gegenüber bekannte Begrifflichkeiten aus der Wirtschaftswelt gegenüber Fachtermini aus Coaching und Psychologie vorzuziehen.


Die Gesprächspartner

„Coaching von Führungskräften – Tipps & Tabus“


aumaier_veronikaVeronika Aumaier, MAS, MSc
Geschäftsführerin

Aumaier Coaching | Consulting


lackner_alfredUni Lektor, Mag. Alfred Lackner
Geschäftsführer

Lackner & Kabas KG


prohaska_sabine_100Mag. Sabine Prohaska
Geschäftsführerin

seminar consult prohaska


Kampitsch_guenther_WIFIstmk_2014Mag. Günther Kampitsch, MBA
Leiter Coaching-Lehrgang

WIFI Steiermark


winkler_elke_newsolutionsMag. (FH) Elke Winkler

NEW SOLUTIONS


rieder_sonjaMag. Sonja Rieder, MSc

Büro für Karriereberatung & Business Coaching


Schlagwörter:

Teilen:

Ähnliche Beiträge