Veranstaltungs-Bericht: Abendgespräch: Leadership im Zeitalter des Narzissmus, Solution Management Center, 20nov2014, Wien
Sind Narzissten gesellschaftlich im Vormarsch? Jedenfalls bieten Politik, Shows und Unternehmen eine gute Bühne. Narzissten sind jedoch im Kern gar nicht die „Selbstverliebten“, denn sie können gar nicht lieben. Dr. Reinhard Haller und Dr. Johannes Steyrer erzählen bei einer Veranstaltung des Solution Management Centers über Hintergründe und Erscheinungsbilder dieses Phänomens in der Wirtschaft und über den Umgang mit Narzissten.
„Leadership in Zeiten des Narzissmus“ nennt Dr. Günter Lueger die Abendveranstaltung am 20nov2014 im Solution Management Center in Wien. Interessanterweise hat dieses Thema überwiegend Frauen angezogen, wohingegen Narzissmus in der Gesellschaft ein überwiegend männliches Phänomen ist (70% Männer, 30% Frauen, lt. Dr. Haller).
Was einen Narzissten ausmacht und was uns das ausmacht.
Der Jüngling aus der griechischen Mythologie, der sich in sein eigenes Spiegelbild im Wasser verliebt, ist der Ausgangspunkt für Reinhard Hallers Recherchen und Arbeit. Das besondere an dieser Persönlichkeitsstörung ist der ausgeprägte Selbstbezug und der extreme Ehrgeiz verbunden mit einer inneren Leere, einer Lieblosigkeit und manipulativer Ausbeutung anderer. Haller bringt es mit fünf E´s auf den Punkt:
- Egozentrik – ein „Ich-ling“
- Eigensucht – nicht Eigenliebe! Er/sie kann gar nicht lieben.
- Empfindlichkeit – ist extrem leicht kränkbar, teilt aber selber ordentlich aus
- Empathiemangel – ihm/ihr fehlen Spiegelneuronen um sich einzufühlen
- Entwertung – er/sie macht andere nieder um den eigenen, niedrigen Selbstwert zu schützen
Der stärkste Aspekt ist die extreme Kränkbarkeit, die oft zu einer narzisstischen Wut und Rachefeldzügen führt. Das Verhalten eines Narzissten ist für das Umfeld schwer zu ertragen: manipulieren, unterdrücken, querulieren, mobben, schmarotzen (weil es eine Ehre ist ihn/sie als Gast zu haben). Gleichzeitig vermögen sie zu blenden und zu begeistern, v.a. mit ihren grandiosen Vorstellungen und Visionen.
Der narzisstische Chef
Dr. Steyrer präsentiert ein Beispiel für einen narzisstischen Chef:
- Er hat eine perverse Begierde, andere runterzumachen.
- Seine Wutanfälle sind legendär.
- Aussagen wie „Du Arschloch, Du machst alles falsch“ kommen stündlich vor.
- Empathie fehlt ihm zur Gänze.
- Mit Charme wickelt er Leute ein, wenn es für ihn opportun ist.
- Er ignoriert die Realität und beansprucht für sich, jemand Besonderer zu sein.
- Moral zählt nicht. Skrupellos betrügt er seinen besten Freund.
- Gleichzeitig ist er höchst charismatisch.
Glauben Sie, dass so ein Chef erfolgreich sein kann? Dieser war es tatsächlich. Er war unter den Top50 Managern der Welt. Er war sogar die Nummer 1. Sie kennen ihn. Es ist Steve Jobs, Gründer von Apple und mittlerweile an Krebs verstorben. Die obigen Inhalte stammen aus der Biografie von Isaacson (2011).
Ein großer wirtschaftlicher Erfolg, ja. Aber wie geht es den Mitarbeitern, dem System? Der Psychiater Dr. Haller hinterfragt, ob Narzissmus bereits ein gesellschaftliches Ideal geworden ist, wo wir uns im Netz und im Fernsehen permanent darstellen müssen um jemand zu sein.
Umgang mit Narzissten. Hier ein kleiner Survival-Guide!
Gleich vorab: Narzissmus als Persönlichkeitsstörung ist nicht heilbar. Narzissten lassen sich sowieso nicht therapieren. Wie geht es den Betroffenen im Umfeld? Nach ursprünglicher Bewunderung folgt die Frustration, oft auch Resignation. Einige greifen zu Suchtmitteln um die Situation (Haller: „Beziehungshölle“) zu ertragen. Oder sie machen einen Schnitt und trennen die Verbindung.
Haller rät, hinter die Fassade zu schauen und das niedrige Selbstbewusstsein des Narzissten zu sehen. Sich seinen Verführungen zu entziehen und ihn auch ein Stück weit die Grenzen aufzuzeigen oder zumindest die eigene Autonomie zu bewahren. Das Lob, das er/sie dringend braucht, gut zu dosieren. Und Haller sagt gleich auch: „Wenn alles nichts nützt – meiden und flüchten!“
Die Gefahr und Chance von Narzissten in Unternehmen
Sind alle Narzissten so erfolgreich wie Steve Jobs? Nein. Sie sind riskant. Ihr Ehrgeiz und ihre grandiosen Fantasien können zu großen Erfolgen führen. Eine Untersuchung von 110 CEOs in den USA hat gezeigt, dass je narzisstischer die CEOs sind, desto mutiger agieren sie im Wirtschaftsumfeld: sie tätigen mehr Aquisitionen und lieferten auch höheren Return on Assets. Aber natürlich gibt auch gescheiterte Beispiele, wie Edwin H. Land (Polaroid Corporation).
Die große Gefahr von Narzissten ist die Verblendung und der soziale Schaden, den sie anrichten. Sie können niemanden neben sich groß werden lassen, das lässt ihr niedriges Selbstwertgefühl nicht zu. Daher gibt es auch kein Korrektiv durch das Team, den die Botschaften der Teammitglieder werden überhaupt nicht zur Kenntnis genommen („Alles Idioten!“), erzählt Günter Lueger.
Charisma vs. Narzissmus
Narzissten beziehen sich nur auf sich selbst, sie instrumentalisieren alles für ihre persönlichen Zwecke. Charismatische Führungskräfte hingegen, die auch stark, strahlend und inspirierend auftreten schauen zwar auch gut auf sich, aber auch auf andere und das Ganze. Das macht in der Führung einen großen Unterschied. Dr. Lueger betont, wie wichtig es ist, hier die Unterschiede im Verhalten zu erkennen und Charismatikern in den Leadership Programmen den Vorzug zu geben bzw. Narzissten rechtzeitig zu erkennen, denn sie sind „verdammt riskant“.
Literaturtipps/Links:
Reinhard Haller (2013): Die Narzissmusfalle: Anleitung zur Menschen- und Selbstkenntnis, Ecowin Verlag, Salzburg
Mehr zum Veranstalter : Solution Management Center
Umgang mit Narzissten in der Führungsetage