Case Study: Führungsstile, Führungskompetenz, Führungsrollen
Das Cateringunternehmen Aramark startete ein Projekt, um seine Führungskultur zu „modernisieren“. Sein Highlight war ein „Festival“ mit den Führungskräften, die mit ihren Führungsstilen und ihrer Führungskompetenz die Keimzelle des Wandels bilden sollten. Für dieses Projekt wurden Aramark und das Beratungsunternehmen Machwürth Team International mit dem Trainingspreis 2014/15 in Gold des Berufsverbands für Trainer, Berater und Coaches (BDVT) ausgezeichnet.
Bild: Live-Act der Führungskräfte beim Führungsfestivel (Stichwort Führungsstile, Führungskomeptenz, Führungsrollen, Führungskultur)
Die Gastronomie- und Cateringbranche ist sehr schnelllebig. Permanent werden Betriebe eröffnet, übernommen und geschlossen. Zudem herrschen in den Betrieben oft autoritäre Führungsstile – auch weil die meisten Führungskräfte ihre Laufbahn im operativen Tagesgeschäft, also zum Beispiel in der Küche begannen und die Führungsrollen dort ihren Anfang nahmen.
Das war auch bei dem Unternehmen Aramark, dem zweitgrößten Caterer in Deutschland, so, betont Katja Borghaus (Geschäftsführerin HR bei der Aramark Unternehmensgruppe, Neu-Isenburg). Das zeigten die Mitarbeiterbefragungen, die das 8700 Mitarbeiter zählende Unternehmen jährlich durchführt; außerdem die 360°-Feedbacks, die die Aramark-Führungskräfte von ihren Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzten erhielten. Sie machten laut Borghaus deutlich: Die Unternehmens – und Führungskultur zeichnet sich durch eine sehr hohe Ergebnisorientierung aus – „was positiv zu werten ist. Bei den weichen Führungsfaktoren besteht aber noch ein Entwicklungsbedarf“, weil das Unternehmen Aramark sehr schnell gewachsen ist. Dadurch änderten sich auch „die Anforderungen an die Führung und die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit“.
Kulturelles Changeprojekt gestartet
Deshalb beschloss die Aramark-Geschäftsführung Ende 2012, ein Projekt zu starten, mit dem Ziel,
- in der gesamten Organisation ein gemeinsames Verständnis von Führung & Führungskompetenz zu schaffen,
- einen partnerschaftlich-kooperativen Führungsstil zu fördern und die Definition der Führungsrollen entsprechend zu gestalten und
- die Führungs- und Kooperationskultur im Unternehmen, um die immer wichtiger werdenden weichen Faktoren zu bereichern.
Einen solchen Kulturwandel kann die Unternehmensspitze zwar anstoßen, letztlich muss er aber von den Führungskräften auf allen Hierarchieebenen getragen werden. Das war der Aramark-Geschäftsführung klar. Deshalb lud sie im dez2012 ausgewählte Führungskräfte zu einem Workshop ein, in dem ihnen das Vorhaben erläutert wurde. Dieser wurde von Beratern des Machwürth Teams International (MTI), Visselhövede, konzipiert und moderiert, das Aramark als Unterstützer für das Projekt engagiert hatte.
Das Trainings- und Beratungsunternehmen stellte bei dem Workshop auch das Konzept einer von ihm entwickelten „Lernmesse“ vor, das unter anderem dazu dient, kulturelle Changeprojekte zu starten. Es schlug vor, dass Aramark als offiziellen Startschuss des Projekts eine entsprechend konzipierte dreitägige Großgruppenveranstaltung durchführt, bei der
- die Aramark-Führungskräfte ihre Führungsstile reflektieren,
- sich ihrer (Führungs-)Verantwortung bewusst werden und
- dazu motiviert werden, aktiv am Gestalten der Führungskultur und Führungskompetenz von Aramark mitzuwirken.
Dieser Vorschlag stieß auf Zuspruch – auch bei der Aramark-Geschäftsführung. Konsens war auch: Damit die genannten Ziele erreichen werden, muss die Veranstaltung einen attraktiven Rahmen und einen roten Faden haben. Deshalb wurde entschieden, die Veranstaltung wie ein (Musik-)Festival zu gestalten. „Denn Musik weckt Emotionen, verbindet Menschen und reißt sie mit“, erklärt Borghaus. Außerdem wurden in dem Workshop vier Handlungsfelder definiert, die die Kernthemen der Führungskräftefestival genannten Veranstaltung sein sollten. Sie lauteten:
- „Situatives Führen“
- „Führungsinstrumente“
- „Lob und Anerkennung“ sowie
- „Schnittstellenmanagement“.
Führungskräfte planen das Festival
Gegründet wurde eine Projektgruppe, die das Konzept des Festivals ausarbeiten sollte. Sie bestand aus
- 16 Führungskräften, die bei der Mitarbeiterbefragung hinsichtlich der weichen Führungsfaktoren und abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit besonders gut abschnitten hatten,
- Vertretern der Personalentwicklung von Aramark und
- Beratern des Machwürth Teams.
Als Teilnehmerkreis für das Festival selbst wurden knapp 100 Führungskräfte der ersten drei Führungsebenen definiert, die künftig die Keimzelle des angestrebten Wandelsbilden sollten.
Die Projektgruppe teilte sich in fünf Arbeitsgruppen auf. Eine Gruppe war für die Organisation und Kommunikation der Veranstaltung zuständig. Sie entwickelte mit der Marketingabteilung auch den Slogan „The BEAT to LEAD“ und das Logo für das Event.
Die anderen Arbeitsgruppen arbeiteten jeweils eins der vier Kernthemen des Events aus. Dabei wurden sie von der Abteilung Personalentwicklung und Beratern des Machwürth Teams fachlich unterstützt und gecoacht. Und die Aramark-Geschäftsführung erklärte sich bereit, die Gesamtmoderation der Veranstaltung zu übernehmen und die Workshops zu besuchen – auch um zu unterstreichen, wie wichtig der Wandel der Führungskultur für den Unternehmenserfolg ist.
Werbung im Vorfeld weckt Neugier
Klar war den Projektverantwortlichen: Der Erfolg des Events hängt stark davon ab, mit welcher Erwartung die Teilnehmer zu dem Führungskräftefestival kommen. Deshalb entwarfen sie ein ausgefeiltes Marketingkonzept, um die Teilnehmer auf das Event einzustimmen. Den Führungskräften wurde zum Beispiel ein halbes Jahr vor der Veranstaltung eine Einladung geschickt, die als Konzertkarte gestaltet war. Und die Detailinfos zum Veranstaltungsort und -ablauf? Diese erhielten die Teilnehmer in Form einer Broschüre, die wie eine Musikzeitschrift gestaltet war.
Entsprechend neugierig gespannt waren die Teilnehmer, als sie zu dem dreitägigen Führungskräftefestival „The Beat to Lead“ 28-30jan2014 anreisten. Die Geschäftsführung eröffnete das Festival. Sie erläuterte den Teilnehmern nochmals das Ziel der Veranstaltung und die damit verbundenen Erwartungen des Unternehmens. Danach begann das eigentliche Programm. Es bestand unter anderem aus drei Workshop-Runden, die jeweils durch kreative Impulsbeiträge im Plenum eingeleitet wurden. Danach teilte sich die Großgruppe stets in Workshop-Gruppen auf, die sich nach den Workshops wieder im Plenum zu einer Ergebnispräsentation und -reflexion zusammenfanden.
Ziel: Gemeinsames Führungsverständnis entwickeln
Den Auftakt bildeten fünf parallel stattfindende, identische Workshops zum Thema „Situatives Führen“. Das war der Unternehmensleitung und der Projektgruppe wichtig. Denn ein zentrales Anliegen des Festivals war: Die Teilnehmer sollen bereichs- und hierarchieübergreifend ein gemeinsames Führungsverständnis entwickeln. Vor dem Festival hatte jede Führungskraft online bereits einen Fragebogen ausgefüllt zwecks Analyse ihres Führungsstils. Die Ergebnisse der Auswertung durch das Machwürth Team wurden den Teilnehmern in den „Situativ Führen“-Workshops vertraulich überreicht. Gesprochen wurde in ihnen jedoch darüber, wie die Ergebnisse zu interpretieren sind. Außerdem standen Machwürth-Berater, sofern gewünscht, für Vier-Augen-Gespräche bereit.
In der zweiten und dritten Workshoprunde zu den Schwerpunktthemen „Führungsinstrumente“ und „Lob und Anerkennung“ hatten die Teilnehmer die Qual der Wahl. Vor dem Festival erhielten alle Teilnehmer eine Übersicht über die verschiedenen Workshops zu den beiden Themenkomplexen, so dass sie sich jeweils für einen Workshop pro Themengebiet anmelden konnten.
Ziel: Die Zusammenarbeit verbessern
Das Thema Schnittstellenmanagement hingegen wurde in Form eines World-Cafe bearbeitet. Hierbei verteilten sich die 100 Teilnehmer im Plenumssaal an 16 Tischen. Sie symbolisiertenjeweils eine Abteilung bei Aramark. Alle Tische waren mit Papiertischdecken gedeckt, auf denen die Fragen standen:
- „Was funktioniert an dieser Schnittstelle reibungslos und positiv und warum?“ und
- „Was funktioniert nicht reibungslos und ist kritisch zu sehen und warum?“.
Auf den Tischdecken sollten die Teilnehmer ihre Gedanken zur Zusammenarbeit mit der entsprechenden Abteilung notieren. Die beschrifteten Tischdecken wurden im Nachgang von der Geschäftsführung dem jeweiligen Bereichs- oder Abteilungsleiter übergeben, verbunden mit dem Auftrag, aus den Notizen Maßnahmen für seinen Bereich abzuleiten.
Um die Veranstaltung so dynamisch und motivierend wie möglich zu gestalten, hatten auch die „Impuls-Vorträge“ im Plenum eine sehr kreative Form. Die Arbeitsgruppe „Situatives Führen“ verkleidete sich zum Beispiel als Wandergruppe und marschierte zum Lied „Die Bergvagabunden“ ein. Und bei einem weiteren Plemumsvortrag kommentierten zwei Aramark-Führungskräfte verkleidet als die beiden zeternden Alten („Statler and Waldorf“) in der Muppet-Show die vorgetragenen Thesen und sorgten so für die gewünschte Leichtigkeit bei dem Theorie-Input.Aufgegriffen wurden auch Motive, die die Führungskräfte bereits kannten. So erinnerten sich die Teilnehmer, als vor Beginn des World-Cafes Kollegen mit einer Seifenkiste in den Plenumssaal fuhren, sofort an den Bau eines solchen Gefährts bei einer früheren Führungskräfteveranstaltung zum Thema „Schnittstellenmanagement“. Außerdem wurde immer wieder ein Bezug zur Musik und zum Motto der Veranstaltung hergestellt.
Ziel: Die Führungskräfte auch emotional begeistern
Für die gewünschte Dynamik sorgten auch die Abendveranstaltungen. So stand zum Beispiel am Abend des ersten Tags ein Teamdrumming im Programm, das für die Teilnehmer den Zusammenhang von Führung und Team-Performance sinnlich erfahrbar machte. Und die Abendveranstaltung am letzten Tag? Sie begann mit einem Rap-Song mit dem Refrain „Mit nachhaltigen Ideen fährst du nach Haus‘. Mach was draus!“ – vorgetragen von der Projektgruppe. Danach erarbeiteten die Teilnehmer in Kleingruppen ihren eigenen Rückblick auf die vergangenen Tage und präsentierten diesen in Form von Musikstücken, Bildern oder literarischen Einlagen ihren Kollegen.
Bild: Projektgruppe verkleidet als Wandergruppe bei Plenumsvortrag (Stichwort Führungsstile, Führungskomeptenz, Führungsrollen, Führungskultur)
Beim gesamten Festival wurde Wert darauf gelegt, dass die Teilnehmer zum Umsetzen des Gelernten und Erlebten animiert werden. Deshalb wurde ihnen zum Beispiel zu Beginn der Veranstaltung ein Notizbuch überreicht, das in die einzelnen Themenbereiche untergliedert war. Außerdem enthielt es neben motivierenden Slogans Fragen zur Transferleistung wie„Was nehme ich mit?“ und „Wie setze ich es um?“. Sechs Wochen nach der Veranstaltung erhielt zudem jeder Teilnehmer einen USB-Stick „Fühlst Du noch den Beat?“ mit den wesentlichen Inhalten, Bildern und Videoclips des Events zugeschickt. Außerdem wurde eine zweite Auflage der „Musikzeitschrift“ mit den Ergebnissen des Festivals produziert.
Ziel: Kulturwandel im gesamten Unternehmen
Ein zentrales Aramark-Anliegen war es nicht nur den Transfer bei den Festival-Teilnehmern zu sichern, sondern auch einen Kulturwandel im gesamten Unternehmen einzuläuten. Deshalb wurden alle Festival-Workshops in das jährliche Weiterbildungs- und Seminarprogramm von Aramark aufgenommen. Entschieden wurde außerdem, dass die Mitglieder der Projektgruppe fortan als Spezialisten für die beim Festival behandelten Themen in Meetings und Projekten fungieren sollen. Zwei Projektgruppen beschäftigensich zudem weiter mit den Festivalthemen „Gesund führen“ und „Schnittstellenmanagement“. All diese Maßnahmen dienen dazu, dass der Veränderungsimpuls, der von dem Festival ausging, nicht erlahmt, sondern das gesamte Unternehmen erfasst. Denn keinesfalls hegt Aramark die Illusion, dass ein Impuls wie das Führungskräftefestival genügt, um den angestrebten Kulturwandel zu vollziehen. „Ein solches Event kann aber die hierfür nötige Veränderungsenergie schaffen“, betont Katja Borghaus. „Und diese gilt es dann zu nutzen.“
Das gelingt Aramark offensichtlich. Darauf deutet die Tatsache hin, dass inzwischen mehr als zwei Drittel der 40 „Distrikte“, in die das Unternehmen gegliedert ist, der Aramark-Personalentwicklung signalisierten: Wir wollen auch die Workshops, die auf der Agenda des Festivals standen, durchführen. Das zeigt, die Festival-Themen sind bei der Basis angekommen.
BDVT bestätigt: ein Projekt mit Vorbildfunktion
Eine zentrale Ursache hierfür war laut Einschätzung von Katja Borghaus und Hans-Peter Machwürth, dem Geschäftsführer des Machwürth Teams, dass es dem Unternehmen Aramark gelang, die teilnehmenden Führungskräfte rational und emotional anzusprechen. Ein weiterer Erfolgsfaktor war, dass Aramark-Führungskräfte das Festival weitgehend eigenständig und -verantwortlich planten, promoteten und gestalteten. Entsprechend stark identifizierten sie sich mit dem Projekt und wurden so zu einer Keimzelle des angestrebten Wandels. Insofern hat das Führungskräftefestival einen Vorbildcharakter dafür, wie man Changeprozesse in Unternehmen initiiert. Das sah auch die Fachjury des Berufsverbands für Trainer, Berater und Coaches (BDVT) so. Deshalb zeichnete sie das Cateringunternehmen Aramark und das Beratungsunternehmen Machwürth Team International für das Projekt mit dem Trainingspreis in Gold 2014/15 aus.
Gastautorin: Stefanie Schmahl
Ein Festival für die Führungskräfte