Waren es vor einigen Jahren nur weltweit agierende Großkonzerne, die Whistleblowing Hotlines aufgrund SOX-Verpflichtungen einrichteten, ist jetzt auch in (besonders in grenzüberschreitend agierenden) Klein- und Mittelbetrieben ein Trend in diese Richtung zu beobachten. Dieser Artikel beschäftigt sich mit einzelnen Aspekten zu Whistleblowing im Arbeitsverhältnis.
Was ist Whistleblowing?
Wie bei vielen interessanten Phänomenen der modernen Arbeitswelt, gibt es auch zu Whistleblowing im österreichischen Recht keine Definition. Der Begriff findet in keinem österreichischen Gesetz auch nur Erwähnung. Einzig die Standard- und Muster-Verordnung 2004 nach dem Datenschutzgesetz 2000 enthält Sonderregelungen für sogenannte „Hinweisgebersysteme gemäß § 99g Bankwesengesetz“.
Über die genaue Herkunft des Begriffs gibt es verschiedene Ansichten. Der in der Praxis üblicherweise verwendete Begriff stammt vom englischen „to blow the whistle“, zu Deutsch „die Pfeife blasen“ oder „Alarm schlagen“. Bildhaft gesprochen: Der Polizist oder Schiedsrichter, der in seine Pfeife bläst, um eine unerlaubte Tätigkeit anzuzeigen.
Unter „Whistleblowing“ wird zumeist eine Form der Informationsweitergabe bzw. des Aufzeigens von Missständen verstanden. Es ist wichtig, zwischen „internem“ und „externem“ Whistleblowing zu unterscheiden. Beim internen Whistleblowing geht es um das Aufzeigen von Problemen innerhalb eines Unternehmens. Externes Whistleblowing betrifft unter anderem das Aufzeigen von Missständen und Verbrechen gegenüber Aufsichtsbehörden, Strafverfolgungsbehörden, Medien oder anderen öffentlichen Stellen. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Whistleblower-Homepage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung und Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität, die der Bevölkerung ermöglichen soll, aktiv an Aufklärung von Korruptionsfällen und Wirtschaftskriminalität mitzuwirken.
Im Arbeitsverhältnis geht es meist darum, unternehmensinterne Missstände oder Verbrechen, wie Korruption, Insiderhandel, Datenmissbrauch, Verstöße gegen Verhaltenskodizes oder andere Gefahren im oder für das Unternehmen aufzudecken, von denen ein Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz oder in Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis erfährt. Whistleblowing Hotlines im Arbeitsverhältnis sind oft Teil des internen Kontroll- bzw. Compliance Systems. Ihre Einführung ist grundsätzlich zulässig, aber nur innerhalb komplexer datenschutz- und arbeitsrechtlicher Schranken.
Verrat und Argwohn lauscht in allen Ecken (J.C.F von Schiller)
Beim Gedanken an Whistleblowing schwingt oft auch der Aspekt des „Vernaderns“, „Verpetzens“ oder „Ankreidens“ mit. Das ist schade, denn gerade das ist nicht Ziel und Zweck. Durch das Einrichten von Whistleblowing Hotlines soll vielmehr eine Möglichkeit geschaffen werden, schwere Missstände und Gesetzesverstöße durch Kollegen und Vorgesetzte zu verhindern oder zumindest aufzudecken.
Die Verpflichtung von Arbeitnehmern, ihren Arbeitgeber über Missstände im Arbeitsumfeld zu informieren, ergibt sich eigentlich bereits aus der allgemeinen Treuepflicht. Bereits 1984 hat der Oberste Gerichtshof entschieden, dass sich ein Arbeitnehmer, der Briefmarkendiebstähle eines Arbeitskollegen von (damals) mehr als 360.000 Schilling nicht meldete, des Vertrauens seines Arbeitgebers unwürdig machte. Teil der Treue- oder Geheimhaltungspflicht ist auch die Verpflichtung, Missstände erst intern an Vorgesetzte, Geschäftsleitung oder andere unternehmensinterne Stellen zu tragen, bevor sie nach außen gelangen. Auch die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle: Der Arbeitgeber kann Missstände nur bekämpfen, wenn er auch Kenntnis von ihnen hat.
Das besondere an Whistleblowing Hotlines gegenüber dem Briefkasten für anonyme Beschwerden, ist einerseits, dass Arbeitnehmer verpflichtet werden, Missstände zu melden, andererseits, dass solche Hotlines automationsunterstützt personenbezogene Daten verarbeiten.
Whistleblowing und Datenschutz
Die Einrichtung automationsunterstützter Whistleblowing Hotlines in Unternehmen ist nur mit (vorheriger) Genehmigung der Datenschutzbehörde (DSB) zulässig. Erleichterungen gibt es (nur) für Kreditinstitute.
Der Melde- und Genehmigungsprozess bei der DSB ist zeit- und arbeitsintensiv. Es ist wichtig, die Spruchpraxis der DSB zu kennen und alle erforderlichen Informationen strukturiert aufzubereiten, um Rückfragen und Verfahrensverzögerungen zu verhindern.
Unter anderem muss der DSB ein überwiegendes berechtigtes Interesse des Arbeitgebers für die beabsichtigte Einführung einer solchen Hotline dargelegt werden. Die DSB erteilt die Genehmigung für den Betrieb eines Hinweisgebersystems üblicherweise nur unter Auflagen, beispielsweise:
- Anonyme Meldungen müssen zulässig sein, sollen aber nicht gefördert werden.
- Den Meldern muss volle Vertraulichkeit hinsichtlich ihrer Identität zugesichert werden, wenn sie diese angeben.
- Die mit der Bearbeitung von Meldungen betrauten Stellen müssen von anderen Stellen im Unternehmen strikt getrennt sein und es dürfen nur Personen eingesetzt werden, die besonders geschult und ausdrücklich für die Vertraulichkeit der gemeldeten Daten verantwortlich sind.
- Werden im Anschluss an eine Meldung Erhebungen gegen den Gemeldeten durchgeführt, muss dem Beschuldigten Zugang zu den Anschuldigungen eingeräumt werden.
- Die Daten müssen spätestens zwei Monate nach Beendigung der Untersuchung gelöscht werden.
Oft erfolgt der Betrieb der Hotline nicht unternehmensintern durch getrennte Stellen, sondern durch einen externen Dienstleister. Der Vertrag mit dem externen Dienstleister muss zahlreiche Standardklauseln umfassen. Werden im Rahmen der Hotline Daten in ein Land außerhalb des EWR übermittelt, besteht zusätzlich eine Genehmigungspflicht nach § 13 DSG.
Die Datenschutzbehörde genehmigt Whistleblowing Hotlines derzeit nur, wenn die Meldungen ausschließlich mutmaßliche schwere Verstöße leitender Mitarbeiter bzw. Führungskräfte („Entscheidungsträger“) betreffen.
Whistleblowing und Betriebsrat
Eine Whistleblowing Hotline ohne Mitwirkung des Betriebsrates einzurichten, ist weder ratsam noch – zumindest nach Ansicht der Datenschutzbehörde – zulässig. Die DSB verlangt im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eine Betriebsvereinbarung, da ihrer Ansicht nach die Einführung einer Whistleblowing Hotline eine Maßnahme ist, die die Menschenwürde der Arbeitnehmer berührt. Diese Ansicht der DSB ist zweifelhaft, für die Praxis jedoch wichtig zu wissen.
Nicht ohne Vorbereitung!
Die Einrichtung einer internen Whistleblowing Hotline bedarf ausreichend Vorlaufzeit und Ressourcen. Sonst kann es passieren, dass ein teuer angeschafftes und aufwändig gestaltetes Hinweisgebersystem nicht umgesetzt werden kann, beispielsweise weil der Betriebsrat erfolgreich dagegen ankämpft und/oder die DSB es nicht genehmigt. Schon im Stadium der Planung und Überlegung zu den technischen Details der Hotline ist es sehr wichtig, auch arbeits- und datenschutzrechtliche Aspekte zu bedenken und zu überprüfen.
Whistleblowing Österreich – Arbeitsrecht und Datenschutz