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Personalberater XY rekrutiert für ein unsympathisches Unternehmen. Bloß wie?

06Mai2015
7 min
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HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Personalberater XY lernte einen neuen Kunden in einem persönlichen Gespräch kennen. Üblicher Weise strotzt ein solches Erstgespräch vor Information von Kundenseite und kompetenten Fragen auf Personalberater-Seite. Diesmal … gehen die Gedanken des Personalberaters eher in diese Richtung: „Wie kann man nur so unsympathisch sein? Null Social Skills. Eh klar, dass der nicht mehr selbst rekrutiert, sondern einen Personalberater engagiert. Dumm nur, dass ich dieser Personalberater bin.“

Experten-Interview

Fragen drängen sich mir auf, die ich XY gerne stellen würde wie

  • Wie rekrutieren Sie für einen Kunden, der nicht nur subjektiv unsympathisch ist? Kunden, für die „Work-Life-Balance“ oder „motivierte Mitarbeiter“ keine relevanten Werte darstellen, Unternehmen mit generell hoher Fluktuation, cholerischer Vorgesetzter, etc.
  • „Schönen“ Sie das Bild für den Bewerber? Schon klar, dass Sie das Unternehmen authentisch darstellen, doch dann ist das Besetzen der Stelle nahezu unmöglich.
  • Wie stellen Sie sicher, dass Sie diese Stelle – aufgrund dieser persönlichen Differenzen / des Arbeitsklimas – nicht mehrmals (auf Ihre Kosten) nachbesetzen müssen?
  • Wenn Sie vorzugsweise „zur Unternehmenskultur passende Bewerber“ rekrutieren, wären es in diesem Fall wohl eher robuste Zeitgenossen?!
  • Waren Sie bereits in einer derartigen Situation, in der Sie rekrutieren sollten? Wie gingen Sie damit um?

Stellvertretend für XY wende ich mich an vier Personalberater und leite meine Fragen in ihre Richtung um:

Günther Strenn, MSc (USG Professionals & Secretary Plus):

Immer wieder haben wir es auch mit Kunden zu tun, die nicht gerade angenehm sind. Die Bandbreite ist groß: cholerische Vorgesetzte, Teams mit schlechtem Zusammenhalt, stressreiche Umwelten für die Arbeitnehmer, Unternehmen mit hoher Fluktuation, bis hin zu Mobbing-Vorfällen und ähnlichem. Natürlich nehmen wir auch solche Aufträge an, wobei hier besondere Vorkehrungen zu treffen sind.

In diesen Fällen sind vor allem zwei Punkte sehr wichtig: Eine engmaschige Begleitung des Kunden sowie Transparenz und Ehrlichkeit gegenüber den Kandidaten.

Dies bedeutet einerseits, dass man mit dem Kunden ganz klar die Rahmenbedingungen festlegt und gewisse Spielregeln vereinbart. Je unangenehmer und schwieriger ein Kunde ist, umso enger sollte man ihn „coachen“ und immer wieder nachhaken, wenn man das Gefühl hat, dass er sich nicht an die Vereinbarungen hält.

Wenn man Verdacht schöpft, dass der Rekrutierungsprozess schwierig oder ungewöhnlich verläuft, etwa wenn der Eindruck entsteht, dass der Kunde die Kandidaten beim persönlichen Gespräch nicht fair behandelt oder sie in eine Ecke drängt, ist es möglich, sich selbst in den Prozess hineinzureklamieren. In diesem Fall würde ich darauf bestehen, selbst bei den Gesprächen der Kandidaten mit dem Kunden dabeisitzen zu dürfen und danach ein offenes Feedback durch den Kunden zu bekommen. Auch ich würde meinen Eindruck berichten – zwar diplomatisch, aber immer absolut ehrlich. Dies bietet auch die Möglichkeit, den Kunden darauf hinzuweisen, was er z.B. den Kandidaten nicht fragen darf.

Gegenüber den Kandidaten ist absolute Aufrichtigkeit ein Muss. Der beste Zugang führt dahin, diejenigen Kandidaten auszuwählen, die die nötige Stressresistenz und Belastbarkeit mitbringen, um auch „schwierigen“ Arbeitsbedingungen trotzen zu können. Ganz generell liegt die hohe Kunst der Personalvermittlung darin, das „perfekte Match“ von Kandidat und Kunde zu finden – wer für den einen Kandidaten ein furchtbarer Vorgesetzter ist, ist für den anderen womöglich ein ganz passabler Chef.

Für Personalberater empfiehlt es sich, die Garantiefristen für eine mögliche Nachbesetzung bei solchen Kunden eher gering anzusetzen, da man sonst Gefahr läuft, von einer Nachbesetzung zur nächsten zu rekrutieren. Weiters haben wir die Erfahrung gemacht, dass es hilfreich sein kann, wenn der zuständige Personalberater durch erfahrene Kollegen „gecoacht“ wird, damit sich keine latente Aggression gegenüber dem Kunden etabliert.

Mag. Verena Irrschik (Karrieremanufaktur):

Bevor ich mein eigenes Unternehmen gegründet habe, war ich einmal in der Situation dass ich für eine unseriöse Firma rekrutieren musste und mir klar war, dass mir meine Bewerber nach kurzer Zeit von dem Unternehmen wieder „davonlaufen“ würden Ich musste das Beste aus der Situation machen und einen Weg finden, um die offenen Stellen erfolgreich zu besetzen. Nach 2 Nachbesetzungen wurde die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen dann allerdings beendet. Für mich war dieses Erlebnis prägend und hat mich bestärkt mein eigenes Unternehmen zu gründen um auf persönliche Beratung und Qualität im Recruiting zu setzen.

Wenn ich heute das Gefühl habe, dass es zwischen einem Kunden und mir auf der persönlichen Ebene überhaupt nicht passt, würde ich das umgehend ansprechen. In diesem Fall halte ich eine Zusammenarbeit als nicht sinnvoll und zielführend und würde einen anderen Berater empfehlen.

Sollte die Zusammenarbeit auf einer persönlich wertschätzenden Basis sehr gut funktionieren, lassen sich etwaige „Knackpunkte“ wie z. B. ein schlechtes Arbeitsklima, cholerischer Vorgesetzter etc. auch ansprechen. Ich bin als Personalberater nicht nur Ansprechpartner für das Rekrutieren von neuen Mitarbeitern, sondern auch für Themen wie Mitarbeiterbindung oder Motivation. Es ist allerdings schon ein sensibler Bereich, wo bei mir als Personalberater sehr viel Fingerspitzengefühl gefragt ist.

Generell schönen wir die Unternehmens-Situation gegenüber dem Bewerber nicht! Um eine Stelle langfristig und somit erfolgreich zu besetzen ist es wichtig dass sich ein Mitarbeiter in einem Unternehmen und dessen Unternehmenskultur wohl fühlt. Es ist daher nicht nur fair, sondern notwendig dass ein Bewerber weiß was in einem Unternehmen auf ihn zukommt. Meine Aufgabe als Personalberater ist es, den Job und die gesamte Jobsituation (mit allen positiven und negativen Seiten, die es immer gibt) diplomatisch und transparent darzustellen. Ich zeichne dem Bewerber ein möglichst authentisches Bild. Ich finde den etwas banalen Spruch „jeder Topf findet seinen Deckel“ sehr zutreffend. Unternehmen und zukünftiger Mitarbeiter müssen zusammenpassen und ein ähnliches Wertesystem teilen. Die Kunst eines Personalberaters besteht darin den passenden Bewerber für ein Unternehmen und die jeweilige Unternehmenskultur zu finden und zwar unabhängig von den eigenen Empfindungen.

Markus Baldauf (MBMC – Markus Baldauf Management Consulting):

Der Kunde ist nicht nur König, sondern auch Kaiser. Wir leben dieses Prinzip und gehen in allen Situationen auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden ganz individuell ein. Gerade in unserer Branche gibt es natürlich einige sehr anspruchsvolle Kunden mit sehr speziellen Anforderungen an die Kandidaten bzw. die zu besetzende Stelle. Bevor wir eine Zusammenarbeit mit dem Kunden eingehen, entscheiden wir natürlich gemeinsam mit dem Kunden, ob es klare und realistische Vorstellungen gibt und ob sich der Auftrag mit unserer Arbeitsweise deckt. Wir stehen für transparente Kommunikation mit dem Kunden und sprechen daher auch offen unsere Bedenken als Diskussionsgrundlage an.

Wir haben natürlich auch bereits Erfahrung mit einigen Unternehmen gemacht, die sehr hohe und unspezifische Anforderungen an die offene Position und die Kandidaten stellten. Meist lag es aber daran, dass sich diese Kunden oft selbst nicht im Klaren waren über ihre eigenen internen Ziele und während des Recruiting-Prozesses immer wieder neu entschieden und bereits Erarbeitetes über den Haufen warfen. Solche Kunden sind für Anreiz, genauer, sorgfältiger und aufgeschlossener zu arbeiten.

Für Unternehmen zu rekrutieren, in denen das Arbeitsklima, die Work-Life-Balance oder das Verhältnis zum Vorgesetzten negativ oder gar nicht vorhanden sind, entpuppt sich manchmal als schwierige Herausforderung. Wir versuchen so professionell wie möglich damit umzugehen und informieren uns auch über andere Benefits, die der Kunde bietet. Manchmal können ein Firmenparkplatz, ein überdurchschnittliches Gehalt oder Weiterbildungsmöglichkeiten Anreize für Bewerber geben. Wir „schönen“ das Bild für unsere Kandidaten nicht, bemühen uns aber einen realistischen und positiven Eindruck zu vermitteln. Eine langfristige Zusammenarbeit ist unser oberstes Ziel. Nicht nur damit wir in ein paar Monaten nicht nachbesetzen müssen, auch damit wir unsere Kunden langfristig unterstützen können.

Michael Heissenberger, MA (Völker):

Die Situation, dass dem Kunden Mitarbeiter in der Tat „nichts wert sind“, dass nur die Arbeitskraft zählt und der Mensch eigentlich nichts, hatte ich Gott sei Dank nur einmal. Nach Rücksprache mit meinem Kollegen kamen wir zum Schluss es „einmal zu versuchen“. Das Risiko der Nachbesetzung war natürlich groß, doch ich dachte, Ehrlichkeit bereits im Bewerbungsprozess könnte schlussendlich zum Erfolg führen.

Ich erzählte allen Bewerbern im Gespräch, dass es womöglich Kollegen und Führungskräfte gibt, die keine einfachen Persönlichkeiten sind, weil vor allem Arbeitsleistung zählt und weniger individuelle Vorzüge. Ich versuchte ein ehrliches Bild zu vermitteln ohne den Kunden dabei schlecht zu machen; also rationelle, wirtschaftliche Gründe für fehlendes Interesse am Menschen zu finden. So konnte ich ein nur teilweise geschöntes Bild zeichnen, worauf aber alle „Abgründe“ zu sehen waren. Ich ging dadurch einen schmalen Grat: Viele Absagen durch Bewerber. Doch ich stellte fest, dass ein gewisser Typus an Mensch für diese Aufgabe besonders gut geeignet ist. Nämlich jene Menschen, die mit dieser Art von Unternehmenskultur und Führungskraft bereits Erfahrungen sammelten und somit wissen worauf sie sich einlassen. So konnte ich in der Tat einen passenden Bewerber finden, der auch nach dem 2. Gespräch beim Kunden noch mit an Bord war und zwei Wochen darauf begann. Sie ist mittlerweile über ein Jahr dort.

Fazit

Die Antworten sind für mich sehr konsistent: klare Kommunikation für den Bewerber, doch immer im Auge behalten: wer für den einen Kandidaten ein furchtbarer Vorgesetzter ist, ist für den anderen womöglich ein ganz passabler Chef (siehe Günther Strenn, USG).


Die Gesprächspartner

„Personalberater XY rekrutiert für ein unsympathisches Unternehmen. Bloß wie?“


Mag. Verena Irrschik
Geschäftsführerin

Karrieremanufaktur


Günther Strenn, MSc
Geschäftsführer

USG Professionals GmbH & Secretary Plus GmbH


Victoria Petsch
Research Consultant

MBMC – Markus Baldauf Management Consulting


Michael Heissenberger

Völker GmbH


 

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