10sep2015, Solution Management Center, EBTA-Konferenz, Peter de Jong
„Die wichtigste Fähigkeit ist, von Herzen kommende Komplimente über den anderen zu finden“ sagt Peter de Jong. Als Auftakt für die EBTA-Konferenz in Wien präsentierte das Solution Management Center am 10sep2015 den US-amerikanischen Therapeuten und Berater, der die Kraft des lösungsfokussierten Coachingansatzes spürbar machte.
Die freundlich-leisen Töne von Peter de Jong passen zum hellen, klingenden Umfeld der Musikuniversität, wo unter Türen und aus Fenstern immer wieder Musik dringt. Peter, ein Mitbegründer des lösungsfokussierten Kurztherapieansatzes, dirigiert uns entlang unserer Wünsche und Zielvorstellungen durch den Tag: „Was soll heute hier passieren, damit Ihr am Abend sagen könnt, der Workshop hat sich gelohnt?“ und mit dieser Frage sind wir schon mittendrin…
Lösungsfokussierung?
„Don´t think, observe!“ ist das Motto der diesjährigen EBTA-Konferenz (European Brief Therapy Association) in Wien und das passt: Auf Basis von minutiösen Beobachtungen, welche Fragen und Begriffe bei den Klienten eine positive Wirkung hervorrufen, wurde diese Therapie- und Coachingrichtung entwickelt. Hier wird konsequent auf Problemanalyse verzichtet und stattdessen Denkfreiräume für Lösungen gefördert. Die Gegenwart und Zukunft stehen im Mittelpunkt und die Wünsche, Ressourcen und die bereits vorhandene Lösungserfahrung des Klienten werden genutzt und ans Tageslicht gebracht. Mit Fragen und in kleinen Schritten nähert man sich rasch und konsequent dem Ziel des Klienten: praktisch und umsetzungsorientiert. Der Erfolg gibt dem Ansatz recht und so findet man „Lösungsfokussierung“ mittlerweile in vielen Feldern, u.a. auch der Pädagogik und dem Management.
Compliments!
„Erzählen Sie Ihrem Sitznachbarn fünf Minuten lang über eine Angelegenheit, die sie gerade aufregt“, fordert Peter uns auf. Und dann – jetzt wird es spannend: „Der Zuhörende gibt dem Erzählenden im Anschluss drei ehrliche Komplimente auf Basis dessen was er/sie gehört hat.“ Na, sowas ist man ja nicht gewohnt! Üblicherweise stimmen wir angesteckt ein in die negative Welle und/oder eine Diskussion würde entstehen. Aber drei Komplimente über eine fremde Person finden, die von Dingen erzählt, die sie belasten und aufregen… gar nicht so einfach! Doch es funktioniert. „Das ist die Nummer 1 Fähigkeit, die Sie für die Anwendung des Ansatzes brauchen“, sagt Peter de Jong ruhig und lächelnd.
Wie die Anerkennung für Sie wirkt
Wie wirken diese Komplimente, die man dem anderen gibt? „Ich bin erleichtert und gestärkt“, „Ich bin positiv überrascht“, „Ich verstehe jetzt, was in dieser Sache wirklich wichtig für mich ist“, „Ich fühle mich bedeutsam und liebenswürdig“, sind die Teilnehmererfahrungen. Freude und Energie breitet sich aus. Wenn wir positive Emotionen erfahren, öffnen wir uns anderen, können umfassender und kreativer denken, hat die Positive Psychologie gezeigt. Eine gute Voraussetzung für Lösungen!
Wie kommt man zu Komplimenten? „Observe!“ passt hier wieder: „Halte Ausschau nach dem, was gut ist (anstatt nach Fehlern, Mangelhaftem…) und höre hin zwischen den Zeilen, was dem Menschen wichtig ist und wofür er sich einsetzt. Dann finde Worte dafür und sprich sie aus.“ Und wo nützt Ihnen das, wenn Sie kein Coach oder Therapeut sind? Z.B.
- Eröffnen Sie doch mal eine Besprechung mit der Frage: „Was ist Ihnen denn letzte Woche gut gelungen?“ … „Und was noch…?“ (Lösungsfokussierte Coaches sind sehr, sehr hartnäckig im Finden von Positivem…)
- Beenden Sie doch mal ein Gespräch mit einem Danke und mindestens einem ehrlichen Kompliment auf Basis des Besprochenen. Und beobachten was das mit dem Gesprächspartner und Ihnen macht!
Anerkennung zu geben, verändert nicht nur das Befinden des Empfängers. Es verändert den Sender! Wenn Sie plötzlich mehr auf die Stärken, Fähigkeiten, Werte und schönen Dinge rund um sich achten und sie ansprechen, dann ändert sich IHRE Welt bzw. Weltwahrnehmung. Auch Sie fühlen sich leichter, energetischer und die Beziehungen verbessern sich.
Peter de Jong erzählt eine Erfahrung aus der Arbeit mit gewalttätigen Familienvätern, die nur in die lösungsfokussierte Therapiegruppe durften, wenn sie a) 100 Dollar zahlten, b) bereit waren sich ein Veränderungsziel in der Interaktion mit einer wichtigen Person zu setzen und c) etwas erzählten worauf sie in letzter Zeit stolz waren. Kein Wort von den Gewaltgeschichten! Und das Commitment war (im Gegensatz zu den „klassischen“ Therapiegruppen) groß. Ein Mann nahm sich vor, täglich seiner Frau ein ehrliches Kompliment zu machen. Und das war sehr schwer für ihn, denn: er mochte seine Frau nicht besonders. Er begann mit: „Der Kaffee ist gut.“ Hielt Ausschau und fand schön langsam weitere Dinge, die er gut und schön fand. Und nach 4-5 Wochen meinte er: „Seltsam, ich beginne sie wirklich gerne zu haben…“.
Mein persönliches Fazit
Zwischen den Komplimenten war der Tag gefüllt mit lösungsfokussierten Fragen & Tools, Ausprobieren, Life-Demonstrationen und Geschichten, die die Haltung und Wirkung dieses Ansatzes spürbar gemacht haben. Ein lehrreicher Tag mit Menschen, die einem schnell angenehm nahe kommen durch die geteilten Erfahrungen und einem Trainer, der mit Freundlichkeit, Authentizität und viel Erfahrung durch den Workshop geleitet. Danke!
Und… Peter zitiert den Schriftsteller Mark Twain: “ I can live for two months on a good compliment.”
Complimenting for Solutions! Ein lösungsfokussierter Tag mit Peter de Jong