Hilfe! Ich fürchte, dass sich die Gruppe der Minderleister in meinem Team sukzessive vergrößert, zumal ich nicht viel anbieten kann – weder Aufstiegs-Chancen noch allzuviel Anerkennung von der Unternehmensspitze. Bitte um Kurzfrist-Lösungen!
Hintergrund:
Ich bin Abteilungsleiterin, habe 18 Jahre Berufserfahrung, davon 8 Jahre in Führungsposition. Mein Team besteht aus 27 Mitarbeiterinnen und es kristallisieren sich 3 Gruppen heraus:
1. Jene, die engagiert arbeiten und sehr zufrieden sind
2. Jene, die übereifrig arbeiten, unternehmerisch denken, alle von oben kommenden Entscheidungen hinterfragen – jene Mitarbeiterinnen, die seit 5 Jahren rekrutiert wurden, da die HR-Abteilung der Meinung ist, „jedes Unternehmen benötigt unternehmerisch denkende Mitarbeiterinnen“. Doch es sind Mitarbeiterinnen (keine Führungskräfte!), sie sollen arbeiten, aber nicht in jeden Detail selbständig denken!!!
Und letztendlich habe ich im Team auch
3. jene, die leider Minderleister sind, eigentlich aussortiert gehören, doch so schön mitschwimmen, dass sie letztendlich kaum auffallen. Leider fallen sie aber auch nicht durch Leistung auf. Ich habe einiges versucht, um sie zu motivieren. Doch leidererfolglos.
Rege Karrierechancen gibt es im Unternehmen kurz- und mittelfristig nicht, dafür lange Arbeitstage, wenig Anerkennung von der Geschäftsführung, doch eine außerordentlich gute (kollegiale – aber ab 17.00 auch mal trinkstarke) Teamgemeinschaft.
Über kurz oder lang fürchte ich, dass die 2. Gruppe bald Mitglieder an die 3. verliert, da ihre hohen Erwartungen an ihren Job nicht erfüllt werden können. Doch auch in der 1. Gruppe könnte der eine oder die andere umkippen und zielsicher in der 3. landen wird. Dann jedoch ist das Teamergebnis nicht mehr zu halten.
Ich kann weder mit tollen Karriereschritten locken noch mit Rauswurf drohen. Somit wird zusehends schwieriger, die mir vorgegebenen Abteilungsziele zu erreichen. Was kann & soll ich tun, ich freue mich auf Ihre Antworten!
Experten-Interview
Sofort-Hilfe: Welchen Ad-hoc-Tipp haben Sie für mich?
DI Dr. Clemens Widhalm (Dale Carnegie Austria): Herzliche Gratulation! Sie scheinen ja im Moment deutlich mehr hochengagierte Mitarbeiter zu haben, als das im Durchschnitt zu erwarten wäre! Speziell die zweite Gruppe verdient Ihre besondere Aufmerksamkeit. Hier scheint viel Potenzial noch ungenutzt zu sein. Könnte sich lohnen darüber nachzudenken, mit welchen Veränderungen Sie denen ein Umfeld bieten können, das zu noch höherer Produktivität führen kann. Entwickeln Sie einmal verstärktes Interesse an diesen Personen, hören Sie ihnen noch aufmerksamer zu, lassen Sie sich von ihren Erfahrungen erzählen und schaffen Sie so ein Klima des höheren Vertrauens. Und bei mangelnder Anerkennung durch die Geschäftsführung könnte es sich auszahlen, wenn Sie hier selbst noch aktiver werden.
Günther Mathé, MBA (Careercenter): In diesem Fall gibt es keine kurzfristigen Lösungen. Mittel- bzw. langfristig gibt es verschiedene Möglichkeiten, um die 3 Gruppen in ihrem Arbeitsaufwand gleichzustellen. Einzelne Mitarbeitergespräche helfen heraus zu finden, was die Mitarbeiter motiviert, welchen Belastungen sie ausgesetzt sind, ob es Konflikte untereinander gibt bzw. ob diese Konflikte projekt- oder aufgabenbezogen sind. Nach den Gesprächen stellt sich für die Führungskräfte die Frage ob einem die Probleme, Konflikte, etc. klar waren, um dann dementsprechende Handlungen zu setzen. Wichtig für eine Führungskraft ist, sich Feedback von den Mitarbeitern einzuholen, um Verhaltensmuster zu ändern. Ein mehrtägiges Teambuilding-Seminar mit erlebnispädagogischen, team-zusammenschweißenden Elementen kann aufzeigen, dass sich das Verhalten einiger Mitarbeiter ändern muss. Dabei ist es wichtig keine Kündigungsandrohungen kundzutun, sondern sich als Führungskraft zu überlegen ob Mitarbeiter, deren Arbeitsqualität langfristig unter dem angeforderten Niveau ist, ausgetauscht werden müssen. Der Gruppe der Übereifrigen muss gezeigt werden, dass sie sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren anstatt anderen Mitarbeitern die Last abzunehmen. Die Übereifrigkeit ist zwar gut gemeint, es hindert andere Mitarbeiter aber in deren Entfaltung und führt zu einer Überlast bei den Eifrigen. Ein wichtiger Punkt ist es, Aufgaben, Abläufe und Projektteams genau zu definieren bzw. Unklarheiten zu klären, um die Arbeit angemessen auf die Mitarbeiter zu verteilen. Neue Herausforderungen können die Motivation der Mitarbeiter steigern.
Corinna Ladinig, MBA (CTC Academy): Da braucht es noch eine genaue Exploration der Situation, um Tipps geben zu können – hier mal ins ganz Unreine gedacht:
- Überlegen Sie, ob Sie Projekte vergeben können; ob Sie spielerischen Wettbewerb in die Aufgaben bringen können; ob es möglich ist, durch Job-Rotation wieder mehr Leben und Begeisterung in das Team zu bekommen.
- Haben Sie die Mitarbeiter schon gezielt gefragt, wie sie die Situation einschätzen?
- Mein Buchtipp: Der Minutenmanager zum Thema Führung – erstellen Sie die Matrix E1-E4 und S1-S4 und besprechen Sie die einzelnen Punkte mit jedem einzelnen Mitarbeiter.
- Wenn Sie Budget bekommen, machen Sie eine Teamklausur und entwickeln Sie gemeinsam mit dem Team eine anziehende Zukunftsperspektive unter Einbeziehung der Abteilungsziele.
Veronika Kotrba,, MC (sinnvollFÜHREN): Gegenfrage: Was hätten Ihre Mitarbeiter denn gerne, dass Sie tun (oder auch nicht mehr tun)? Sie haben schon gut erkannt, dass Demotivation zu einem guten Teil, wenn auch nicht ausschließlich, von unerfüllten Erwartungen oder empfundener Ungerechtigkeit herrührt. Reden Sie mit Ihren Leuten! Hören Sie ihnen ganz genau zu! Finden Sie heraus, was sie brauchen! Und fragen sie jeden Tag nach, was ihnen heute gut gelungen ist. So können Sie selbst Ihren Mitarbeitern die Anerkennung geben, die sie von der Geschäftsführung nicht erhalten. Auch, und gerade WEIL sie keine Führungskräfte sind, haben Ihre Mitarbeiter den besten Einblick in den operativen Arbeitsalltag und damit die besten Ideen für Verbesserung, Weiterentwicklung und Wachstumschancen. Wenn Sie ihnen während des Arbeitstages anfangen zuzuhören, wird auch das Gespräch beim abendlichen Bier möglicherweise bald nicht mehr so wichtig sein.
Ina Biechl (trainingskompetenz): Spontan würde ich anregen, bei allen drei genannten Bereichen mit konkreten Beispielen für sich selbst sichtbar zu machen, warum Sie diese Personen so einordnen. Und dann– auch – mit konkreten Beispielen gegenüberstellen, was möglicherweise der Nutzen dieser Verhaltensmuster für die Organisation ist/sein kann. Damit werden die Personen nicht – vereinfacht – in Gruppen eingeteilt, sondern individualisiert. Das unterstützt Sie, in der Folge gezielte Maßnahmen zu setzen.
Die – ihrer Meinung nach – außerordentliche Teamgemeinschaft könnte daher kommen, dass die Kollegen sich gegenseitig Wertschätzung und Anerkennung entgegen bringen, weil ihnen das möglicherweise – wie von Ihnen ausgedrückt – von der Geschäftsführung fehlt. Beim (trinkstarken) Zusammensein nach dem Arbeitstag tippe ich eher darauf, dass über „den gemeinsamen Feind“ (Chef? Organisation?) gesprochen wird.
Dr. Sabine Weiß (Berlitz Austria): 3 sehr wichtige Dinge, die uns anspornen, sind a) Autonomie, b) Meisterschaft und c) Zweck. Es ist für uns wichtig, das Gefühl zu haben, selbständig zu arbeiten, das, was wir tun, gut zu beherrschen und zu wissen, welches Ziel dahinter steckt. Der erste Schritt könnte daher sein, die Mitarbeiter dabei zu unterstützen, dies zu erreichen.
Michaela Sramek (Controller Institut): klares Zielsystem, klare Verantwortungen, klare Feedbackgespräche, klare Konsequenzen.
Wenn sich dem Unternehmen keine Chancen bieten, ist es schwierig diese der Belegschaft zu bieten. Scheinbar geht es dem Unternehmen zu gut, sonst könnte nicht 1/3 „mitschwimmen“. Das ist keine Motivationsfrage, sondern eine Frage der Unternehmensentwicklung. Wenn dieses Thema nicht bearbeitet wird – zB durch Strategieentwicklung – können auch die anderen Herausforderungen nicht nachhaltig gelöst werden.
Dr. Lisa Kratzer (Hernstein Institut): Überlegen Sie, ob die Mitglieder Ihres Teams richtig eingesetzt sind. Suchen Sie das Gespräch mit jedem Einzelnen, finden Sie gemeinsam die Stärken und Entwicklungspläne heraus. Beste Leistungen werden dann erzielt, wenn Mitarbeiter am richtigen Platz sind. Helfen Sie ihnen, richtige Entscheidungen für sich zu treffen. Und betreiben Sie aktives Erwartungsmanagement, was Sie voneinander erwarten (können).
Grübeln…
Hm. Bei mir selbst ansetzen. Ja. Das wäre eine Idee. Kommunikation verändern. Danke für die zahlreichen Ansätze! Das hilft mir kurzfristig schon mal gut weiter! Ich schließe gleich meine nächste Frage an: ich habe das Gefühl, dass ich vielleicht sogar an eine Führungskräfte-Weiterbidung für mich selbst denken sollte. Was können Sie mir als mittelfristige Lösung raten?
Anm.d.Red.: DAS würde hier zu weit führen, wir schließen die Fragerunde hier und verschieben alles Weitere auf das nächste Interview: „Management-Hilferuf: Minderleister in meinem Team! Wer hat MITTELfristige Lösungen?“, Erscheinungstermin 15okt2015.
Die Gesprächspartner
Management-Hilferuf: Minderleister in meinem Team! KURZfristige Hilfe ist von Nöten!
Dale Carnegie Austria Veronika Aumaier, MAS, MSc Aumaier Coaching | Consulting Günther Mathé, MBA careercenter Dr. Lisa Kratzer Hernstein Institut für Management und Leadership Veronika Kotrba, MC sinnvollFÜHREN GmbH Corinna Ladinig, MBA CTC Academy OG Michaela Sramek Controller Institut Ina Biechl trainingskompetenz |