Demografischer Wandel: Ist unser Personalmanagement im Umbruch? Oder doch noch nicht…
Die Altersstruktur unserer Gesellschaft ist im Umbruch. Der demografische Wandel und die damit einhergehende Alterung unserer Gesellschaft bringen zahlreiche Veränderungen mit sich. Welche Auswirkungen das auf die Arbeitswelt hat lesen Sie hier:
Tipp: ähnlicher HRweb-Artikel „Lebensphasen im Fokus: Eine Antwort auf die demografische Herausforderung?„
Zahlreiche Studienergebnisse zeigen auf, dass ältere Arbeitnehmer auch in der Arbeitswelt aufgrund ihres Alters weitverbreiteten stereotypen Vorurteilen ausgesetzt sind. Gemeint sind dabei Meinungen und Vorstellungen zu Arbeitnehmern und deren Arbeitsleistung, die lediglich aufgrund ihres Alters gebildet werden, ohne dabei auf individuelle Eigenschaften Rücksicht zu nehmen. Diese Vorurteile sind einer der Hauptgründe dafür, dass potenzielle Vorteile von Altersdiversität in Organisationen nicht gesehen und gelebt werden.
Studienergebnisse zeigen, dass sich Altersstereotype auf Beurteilungs- und Handlungsprozesse auswirken und folglich zu diskriminierenden Verhaltensweisen gegenüber älteren Arbeitnehmern führen können (zB. wenn es um Entscheidungsprozesse im Recruiting, die Vergabe von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten oder um Beförderungs- und Personalabbauentscheidungen geht). Der Rolle des Personalmanagements kommt dabei eine wichtige Bedeutung zu. Die Arbeit von HR soll Führungskräfte und Mitarbeiter sensibilisieren, um Altersstereotypen entgegenzuwirken und diese innerhalb der Organisation bestmöglich zu eliminieren.
Gutes Personalmanagement trägt somit zur Schaffung einer Unternehmenskultur bei, die Älteren gegenüber grundsätzlich freundlich und offen, sowie frei von altersstereotypen Meinungen ist. Vorträge für Führungskräfte zum Thema ältere Arbeitnehmer und altersgemischte Teams, die Förderung von Wissensaustausch zwischen kurz- und langzughörigen Mitarbeitern oder auch die Möglichkeit zu und die Förderung von Lerntandemgruppen zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitern, sind nur einige Beispiele für HR-Maßnahmen, die dazu gesetzt werden können. Solch eine Personalarbeit setzt jedoch voraus, dass Personalisten selbst weitestgehend frei von Vorurteilen gegenüber älteren Arbeitnehmern sind bzw. diese bei sich selbst erkennen und bearbeiten können.
Altersstereotype im Personalmanagement in Österreich
In der Literatur findet man zahlreiche Studien, die sich mit der Untersuchung von Altersstereotypen beschäftigen. Eine der bekanntesten und umfangreichsten Untersuchungen dazu ist eine Metastudie aus dem Jahr 2009, die sich mit über 117 wissenschaftlichen Artikeln und Büchern zum Thema Altersstereotype in der Arbeitswelt befasst. Posthuma et al (2009) zeigen darin auf, dass folgende Zuschreibungen gegenüber älteren Arbeitnehmern in Unternehmen am weitesten verbreitet sind: Ältere Arbeitnehmer sind weniger leistungsfähig, weniger flexibel und weniger lernfähig. In Folge dieser negativen altersstereotypen Meinungen gegenüber älteren Arbeitnehmern, werden diese oftmals mit einem geringeren Potenzial an Lernbereitschaft und -fähigkeit eingestuft, wodurch ihnen, gemäß empirischen Untersuchungen, weniger Möglichkeiten für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen angeboten werden. Durch diese stereotypen Meinungen tendieren Manager eher dazu, Arbeitsfelder für ältere Arbeitnehmer zu vereinfachen anstatt ihnen mehr Trainingsmaßnahmen zu bieten.
Doch: altersstereotype Zuschreiben stimmen einfach nicht!
Posthuma et al (2009) konnten die Existenz altersstereotyper Zuschreibungen in der Arbeitswelt erneut wissenschaftlich bestätigen, zeigten aber gleichzeitig ganz deutlich auf, dass ihr Zustandekommen nicht wissenschaftlich belegt werden kann, also dass der Wahrheitsgehalt altersstereotyper Zuschreibungen empirisch nicht nachgewiesen ist, wie auch Korff und Biemann (2013) bestätigen. Dennoch ist die Existenz dieser falschen Annahmen weit verbreitet und äußerst resistent.
Betrachtet man die Zukunft der Arbeitswelt, die durch den demografischen Wandel geprägt und mehrheitlich ältere Arbeitnehmer in Unternehmen hervorbringen wird, so stellt sich die Frage, ob und wie Unternehmen ältere Arbeitnehmer als tragende Säulen im Unternehmen befähigen werden, wenn negative Altersstereotype, trotz gegenteiliger wissenschaftlicher Erkenntnisse, existieren. Besonders beim Thema Aus- und Weiterbildung braucht es einen vorurteilsfreien Blick um älteren Mitarbeitern die Möglichkeiten zu geben, die für das Unternehmen notwendigen Ressourcen auf- und auszubauen.
Maßnahmen des Personalmanagements zur Vorbeugung von Vorurteilen in Österreich
Im Frühjahr 2015 wurde von Carmen Linke eine quantitative Online-Befragung unter Personalisten in Österreich durchgeführt (n=80). Ein Ziel der quantitativen Befragung war aufzuzeigen, ob und welche Maßnahmen Unternehmen in Österreich bereits jetzt anbieten, um Vorurteile gegenüber älteren Arbeitnehmern entgegenzuwirken bzw. abzubauen. Folgende Themenbereiche standen dabei zur Auswahl: Arbeitsmotivation bei Älteren, altersgemischte Teams, Führung älterer Mitarbeiter, Aus- und Weiterbildung Älterer, Arbeitsbedingungen für ältere Arbeitnehmer sowie Wissenstransfer zwischen älteren und jüngeren Arbeitnehmern. Die Mehrheit der befragten Personalisten gab an, in fast allen dieser Themenbereichen wenig bis gar keine Maßnahmen anzubieten. Einzig das Thema Wissenstransfer zwischen älteren und jüngeren Arbeitnehmern, hat bereits Einzug in österreichische Unternehmen gehalten. Immerhin 51% der Personalisten geben an, dass in ihrem Unternehmen dazu Vorträge, Workshops, Coachings und andere Arten von Trainings angeboten werden. Angesichts der Tatsache, dass bereits jetzt die Mehrheit der Arbeitnehmer in Österreich 45 Jahre und älter sind, und sich die Altersgrenze gemäß allen Prognosen (u.a. der Statistik Austria) zukünftig weiter nach oben verschiebt, sind die Ergebnisse der Studie (durchgeführt in Österreich) überraschend und leider wenig erfreulich. Eine deutsche Studie des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus dem Jahr 2008 zeigt auf, dass Unternehmen, die eine alterns- und altersgerechte Personalpolitik verfolgen, deutliche betriebswirtschaftliche Erfolge erzielen und durch den Einsatz älterer Mitarbeiter zB. die Fluktuations- und Recruiting-Kosten senken konnten. Die Ergebnisse der empirischen Befragung untermauern, dass betriebliche Maßnahmen, wie zB. die Förderung der Qualifikation und Schaffung von Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten, für den erfolgreichen Einsatz älterer Mitarbeiter notwendig sind.
Ein Blick in die Zukunft: was sollte gemacht werden?
Es kann daher festgehalten werden, dass in österreichischen Unternehmen aktuell noch zu wenige Maßnahmen gesetzt werden, die ältere Mitarbeiter, deren unterschiedliche Ansprüche an Führung, Motivation, Arbeitsbedingungen sowie Vorurteile ihnen gegenüber thematisieren. Damit Unternehmen von den Chancen einer demografiegerechten Personalpolitik profitieren können, müssen deutlich mehr entsprechende Maßnahmen in Unternehmen gesetzt werden um ältere Mitarbeiter zu unterstützen und deren wirtschaftlichen Beitrag am Unternehmenserfolg aufzuzeigen. Ein Schwerpunkt sollte dabei auf dem Bereich Aus- und Weiterbildung älterer Arbeitnehmer liegen, um deren Qualifikationen zu stärken und somit deren Beitrag zum Unternehmenserfolg zu fördern.
Co-Autorin
Carmen Linke, BA ist seit 2012 im Bereich Personalentwicklung in der Industriebranche tätig. Seit 2014 beschäftigt sie sich gezielt mit Training & Entwicklung. Zusätzlich hat sie berufsbegleitend den Studiengang Personal- und Wissensmanagement am Institut für Personal und Organisation der FHWien der WKW absolviert. In ihrer Abschlussarbeit beschäftige sie sich intensiv mit Altersstereotypen gegenüber älteren ArbeitnehmerInnen. Unter dem Titel “Die Wahrnehmung von älteren ArbeitnehmerInnen durch PersonalistInnen in Österreich hinsichtlich Altersstereotyper Bilder” führte sie 2015 eine quantitative Befragung in österreichischen Unternehmen durch.
Kontaktieren Sie Carmen Linke unter carmen.linke@edu.fh-wien.ac.at
Quellen
- Deller, Jürgen/Kern, Stefanie/Hausmann, Esther/Diederichs, Yvonne (2008): Personalmanagement im demografischen Wandel. Ein Handbuch für den Veränderungsprozess. 1. Auflage, Heidelberg
- Holz, Melanie/Da-Cruz, Patrick (2007): Neue Herausforderungen im Zusammenhang mit alternden Belegschaften. In: Holz, Melanie/Da-Cruz, Patrick (Hrsg.): Demografischer Wandel in Unternehmen.
- Herausforderung für die strategische Personalplanung. 1. Auflage, Wiesbaden, S. 13-22
- Korff, Jörg/Biemann, Torsten (2013): Verbreitete Altersstereotype lassen sich durch wissenschaftliche Fakten widerlegen. In: Personal quarterly. Wissenschaftsjournal für die Personalpraxis. Nr.03/ Jg. 65, S. 46-49
- Linke, Carmen (2015). Die Wahrnehmung von älteren ArbeitnehmerInnen durch PersonalistInnen in Österreich hinsichtlich Altersstereotyper Bilder
- Posthuma, Richard A./Campion, Michael A. (2009): Age Stereotypes in the Workplace: Common Stereotypes, Moderators, and Future Research Directions. In: Journal of Management, Nr.35(1), S. 158-188
- Posthuma, Richard A./Wagstaff, Fernanda/Campion, Michael (2012): Age Stereotypes and Workplace Age Discrimination. In: Hedge, Jerry W./Borman, Walter C. (Hrsg.): The Oxford Handbook of Work and Aging. 1. Auflage, New York, S. 298-312
- Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2008): Studie Erfahrung rechnet sich: aus Kompetenzen Älterer Erfolgsgrundlagen schaffen
- Statistik Austria, http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/demographische_prognosen/erwerbsprognosen/index.html [19.04.2014]
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