In dem heutigen globalisierten, dynamischen Wettbewerbsumfeld ist es für Unternehmen kaum mehr möglich wirklich langfristige Wettbewerbsvorteile zu bewahren. Um dennoch erfolgreich zu bleiben müssen Unternehmen heute dafür sorgen, kontinuierlich viele kleine, oft kurzlebige Vorteile zu schaffen und so ein flexibles Portfolio an Möglichkeiten zu haben – „Strategic Agility“ oder „Transient Advantages“ sind hierfür gängige Schlagworte. Doch was braucht es im Unternehmen um diese Ansätze verfolgen zu können?
Strategisches Denken als zentrales Bündel an Fähigkeiten
Sucht man nach einer Definition für strategisches Denken findet man keine einheitliche Definition sondern stößt auf unterschiedliche Erklärungsmodelle. Einige, noch in der traditionellen strategischen Management Lehre verhafteten Beiträge setzten strategisches Denken noch mit strategischer Planung gleich. Dies greift jedoch viel zu kurz. Strategische Planung ist ein logischer, linearer, Schritt für Schritt Prozess, der den Fokus auf Analyse setzt. Es gibt einen definierten Start und ein definiertes Ende. Strategisches Denken geht aber weit darüber hinaus. Strategisches Denken endet nie, es ist ein kontinuierlicher Prozess bei dem man über die Zukunft nachdenkt, sie bewertet und gestaltet.
Intuition und Kreativität spielen dabei eine mindestens ebenso große Rolle wie logisches Denken und analysieren. Die Kunst ist es, auf allen Ebenen Chancen und Gefahren vorauszusehen, veränderte Kundenwünsche frühzeitig zu erkennen und kreative Problemlösungen zu entwickeln. Die Fähigkeit, klare Vision und Ziele zu definieren sind wichtige Aspekte strategischen Denkens. Flexibilität, Kreativität, kalkulierte Risikobereitschaft und keine Angst vor Fehlern zeichnen strategische Denker aus – sie hinterfragen permanent den Status quo. Ebenso verfügen sie über die Fähigkeit Situationen mit einer gewissen Gelassenheit zu betrachten und sich nicht in überstürzte, kurzfristige Lösungen zu verrennen.
Dem strategischen Denken als kreativen Prozess muss aber auch Raum gegeben werden. Zahlreiche Studien zeigen, dass selbst Führungskräfte kaum Zeit haben, über die Zukunft nachzudenken – viel zu sehr sind sie mit dem Tagesgeschäft und kurzfristigen Erfolgsstories beschäftigt. Den Beschäftigten wird oft gar keine Möglichkeit gegeben, strategische Ideen einzubringen.
Experimentieren – reflektieren – lernen
Um im heutigen Wettbewerbsumfeld langfristig erfolgreich zu sein braucht es aber genau diese Ideen der Beschäftigten, die nahe am Kunden, nahe am Geschehen sind und so das Portfolio der vielen kleinen Vorteile erschaffen können. Hierzu muss den Beschäftigten aber auch die Möglichkeit gegeben werden, ihr kreatives Potenzial zu zeigen. Innovative Firmen ermöglichen es ihren Mitarbeitern eine gewisse Zeit zu experimentieren. Bei Gore & Associates (die bekannteste Marke des Unternehmens ist wohl GoreTex™) erhalten MitarbeiterInnen so genannte „Steckenpferd-Zeit“, das ist ein halber Tag pro Woche, in der sie frei experimentieren können. So ist auch die Anwendung für Musikinstrumente entstanden. Ein Mitarbeiter hat herausgefunden, dass PTFE Saiten besonders haltbar macht. Heute gelten die Saiten als marktführend.
Wichtig ist es dabei einen Rahmen für die Experimente zu schaffen. Eine inspirierende Vision, klare Ziele geben eine Richtung vor. Jedoch ist darauf zu achten, dass diese genügend Spielraum lassen um Potenziale auch außerhalb der Stamm-Branche zu finden. Bei Gore & Associates ist ein derartiger Rahmen z.B. der Kunststoff als Basis, die Branche für den die Produkte entwickelt werden ist aber nicht entscheidend. Auch ein entsprechender finanzieller Rahmen muss definiert werden. Agile Strategiekonzepte haben den Vorteil, dass nicht nach dem einen nächsten großen Wurf gesucht sucht, sondern kontinuierlich neue Ideen entwickelt werden. Somit ist es möglich mit kleineren Budgets zu agieren und so das Risiko zu begrenzen.
Nicht alle Experimente werden zu Markterfolgen, hieraus können wieder wertvolle Erfahrungen gesammelt werden. Wichtig ist es dabei, nicht zu lange an einer nicht erfolgreichen Idee festzuhalten. Schon der Ökonom John Maynard Keynes hat erkannt: „Die Schwierigkeit liegt nicht darin, die neuen Ideen zu finden, sondern darin, die alten loszuwerden“. Reflexion und gemeinsames Lernen sind dabei essentiell um auf der Suche nach den kleinen Wettbewerbsvorteilen erfolgreich zu sein.
Fazit
Was bedeutet dies nun für HR? Lebenslanges Lernen und die Freude, neues auszuprobieren muss als zentrale Botschaft vermittelt und erhalten werden. Eine entsprechende Fehlerkultur als Rahmen ermöglicht und fördert die Experimentierfreude. Strategisch denkende Beschäftigte hinterfragen permanent den Status quo – dies bedeutet in der Konsequenz, dass das Unternehmen bereit sein muss, sich kontinuierlich zu verändern. HR ist also stark in seiner Rolle als Change Agent gefragt. Denn „Wenn die Veränderungsrate außerhalb des Unternehmens größer ist als die Veränderungsrate im Innern ist das Ende nicht mehr weit.“ (Jack Welch)
Literaturempfehlung:
- McGrath, Rita Gunther (2013): Transient Advantage. In: Harvard Business Review. Issue 6.2013.
- Green, Holly (2011): Shifting From Strategic Planning to Strategic Agility. In: Forbes Magazine.5/28/2011
Strategisches Denken und Experimentieren – Strategien für ein dynamisches Umfeld