Event-Bericht: Kongress – Betriebliches Gesundheitsmanagement
16+17juni2016, Business Circle
Wie und wo passen Leistungskultur, Herzlichkeitsbeauftragte, Lachyoga, New Work und Vertrauen zusammen? Beim Betrieblichen Gesundheitsmanagement und der 5. Jahrestagung von Business Circle. Inspiration inklusive!
Trau dich und lach dich gesund!
Was kommt raus, wenn man zwei doppelte Espressi in der Luft shakt und ein Kalkuttalachen dazu kombiniert? Der Start in das 5. Jahresforum für Betriebliches Gesundheitsmanagement von Business Circle. Alma Gall holt uns gleich um neun Uhr früh von unseren Sesseln und auch definitiv aus unserer Komfortzone und energetisiert den Raum mit Lachyoga. Ein herzlicher, ungewöhnlicher Start in eine Konferenz mit viel Abwechslung, persönlicher Einbindung und inspirierenden Lösungsideen aus der Praxis.
New Work & die überschätzten Phänomene
Prof. Christian Korunka von der Universität Wien winkt mehrmals ab: Burnout? Wird in der Presse allgemein überschätzt. 3-4% betrifft es, sagen seriöse Studien. Immer noch genug, meint Prof. Korunka. Und „new work“ ist bereits da, das medial stark besprochene „Industrie 4.0“ wird seiner Meinung nach hingegen auch noch überschätzt: Es wird noch 10-15 Jahre dauern, bis es uns in der Breite betrifft.
In seinem spannenden und informativen Beitrag analysiert er, ob die neuen Arbeitsbedingungen, wie New Office Konzepte und zeit- und raumentgrenzte Arbeit den menschlichen Bedürfnissen entsprechen oder widersprechen. Die Arbeitsintensivierung ist in allen Studien eindeutig ein Stressor, die neuen Autonomieanforderungen und Lernanforderungen hingegen bieten auch sehr positive Effekte.
Er zeichnet ein prinzipiell optimistisches Bild: der Mensch ist hoch adaptiv, ist er überzeugt; er passt sich den neuen Bedingungen (einfach) an. Menschen können heute viel mehr Kompetenz in der Arbeit erleben als früher. Die größte Herausforderung ist wohl die Selbstregulation – dass wir heute in der Arbeit oft auf uns selbst zurückgeworfen sind und es zwar Zielvorgaben, aber sonst wenig Strukturen und Vorgaben gibt. Das fordert im positiven Sinne, verursacht aber auch Stress und Unsicherheit. Wird die Autonomieanforderung zu groß, dann kippt das steigende Engagement.
Negativ fällt ihm auf, dass die informellen Kontakte am Arbeitsplatz abnehmen und damit die Qualität in der Zusammenarbeit tendenziell sinkt. Sein Fazit ist jedoch positiv: Die neue Arbeit kann unsere Grundbedürfnisse nach Autonomie, Zugehörigkeit und Kompetenz definitiv auch bzw. teilweise sogar noch besser erfüllen, das Bedürfnis nach Sicherheit nicht immer.
„Fehler des Monats“ & Herzlichkeitsbeauftragte
Eine Nürnbergerin springt auf die Bühne und sprudelt vor Ideen. Nicole Kobjoll vom Schindlerhof findet, Arbeit sollte INS Herz gehen und nicht „an die Nieren“. Deshalb ist die Vision ihres familiengeführten Tagungshotels mit rund 70 Mitarbeitern, eine „Pilgerstätte für Herzlichkeit“ zu sein und gleichzeitig eine Talenteschmiede für die besten Leute in der Branche. Freude am Tun und Freiheit wird hier tatsächlich großgeschrieben, wie sie in unzähligen innovativen Beispielen beschreibt. Zum Beispiel wird der „Fehler des Monats“ gekürt und sie nennt gleich ihren Abräumer. Der KVP (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) wird in einer eigenen APP verwaltet, ähnlich wie Facebook und alle können alle Ideen sehen und sich beteiligen. Die Transparenz ist hoch – es liegen alle finanzielle Daten und Ziele vor und die Mitarbeiter handeln wie Mitunternehmer, hoch kreativ und flexibel.
Rituale der Wertschätzung sind unendlich wichtig und jeder Mitarbeiter hat einen Aspekt, der zu seinem Aufgabenbereich zählt, wie z.B. Geburtstagskarten schreiben oder der Adventkalender. Jeden Tag gibt es zum Abschluss einen „5 Minuten Tune“: Wie war es heute? Wie geht es euch? Und ein Herzlichkeitsbeauftragter pro Leistungsbereich kümmert sich explizit um Ideen & kleine Überraschungen, die Herzlichkeit für die Mitarbeiter und Kunden noch besser erlebbar machen.
Höchstleistung gespeist aus kreativer Freude und Freiheit und im herzlichen Miteinander: Das sind die Zutaten, aus denen der Schindlerhof Erfolg kreiert und jährlich Awards abräumt. Die die Gesundheit folgt da bei Fuß…
Ideenblitzlichter
Zwei Tage lassen sich nicht in einen überschaubaren Artikel pressen, es sei denn man druckt nur das vielfältige Programm ab… Hier jedoch noch ein paar „Bonmots“ und andere positive Blitzlichter:
- Verena Binder-Krieglstein von A1 Telekom findet es wichtig psychologische Störungen (die die Basis jeder 2. Frühpensionierung sind) als Tabuthema in Unternehmen aktiv aufzugreifen, anzusprechen und gemeinsam Maßnahmen zu entwickeln anstatt „der Einfachheit halber“ Fehlzeiten und reduzierte Arbeitsfähigkeit zu akzeptieren.
- Andrea Kdolsky von der ARGE Selbsthilfe Österreich fordert einen mündigen Patienten aber bitte nicht durch Dr. Google und mehr Mittel für die Vorsorge (vs. Reparatur) – es sind nämlich nur 2% der jährlichen 38 Mrd € im österreichischen Gesundheitswesen.
- Gerhard Matschnig, Vorstandsvorsitzender der Zurich Versicherung hat eine klare Leistungskultur umgesetzt, die für ihn natürlich auch gesundheitsförderliches Verhalten impliziert, wie im Spitzensport. Die Krankenstandstage haben ihn als Maßstab nie interessiert. Sie investieren in Fitness, Führung und soziale Projekte – mit viel Eigenbeitrag der Mitarbeiter. Gemessen wird es an Leistungszahlen und Awards wie „Great place to work“ und Innovationspreise.
- Brigitte Ehmann von ProSiebenSat.1 Media meint, Vertrauen und Wertschätzung ergeben Gesundheit. Und es braucht Mut in der Umsetzung: „Don´t ask for permission, ask for forgiveness.“ Im Bar Camp zu „Wie bleiben Führungskräfte überlebensfähig“ meint sie: Teflonbeschichtung! Kleine Kränkungen, Ungerechtigkeiten, Fehler etc. einfach abperlen lassen.
Glückspsychologinnen-Fazit
Gesundheit und Glück haben eines gemeinsam – mal davon abgesehen, dass positive Gefühle nachweislich die Gesundheit verbessern: Sie können beide nicht direkt beeinflusst werden. Keine Gesundheitsspritze, keinen Glückskuchen, leider. Für beides aber kann man Rahmenbedingungen schaffen, die die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens erhöhen: Wissensangebote, (Führungs-)Kultur, gemeinsame Aktivitäten…
Bei der BGM Konferenz vom 16.-17.6.2016 gab es viele lösungsorientierte Ansätze weitab vom Apfeltag und von Rückengymnastik. Nachhaltigkeit interessiert die Teilnehmer ebenso wie Messbarkeit. Keynote-Speaker (Andrea Kdolsky, Christian Korunka), Menschen aus der Praxis (z.B. A1 Telekom, Schindlerhof, OBI, ProSiebenSat.1 Media, Zurich Versicherung) wechseln sich ab mit moderierten Round Tables und einem selbstorganisierten Bar Camp. So bleibt viel Platz für individuelle Schwerpunkte und einem intensiven Austausch unter den Teilnehmern – nicht zuletzt ganz entspannt beim Hawaiian Barbecue…
Die Gastgeberin Alexandra Förster-Streffleur von Business Circle (3. von links) mit Teilnehmern beim Haiwaiian Barbecue
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