Um Verstöße gegen das Arbeitsstrafrecht bereits im Vorfeld zu verhindern, ist Compliance von zentraler Bedeutung. In Teil I des HRweb-Artikels Arbeitsstrafrecht und Arbeitsstrafrecht-Compliance Österreich wurden Grundzüge der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit und ein Überblick über das Arbeitsstrafrecht Österreich erklärt. Das Haftungspotential ist groß. Daher ist es unerlässlich, dass sich ein Unternehmen in strukturierter Weise und zeitgerecht damit befasst, welche Maßnahmen es treffen kann, um Gesetzesverstöße, Strafen und Haftung zu vermeiden.
Link zum HRweb-ARtikel Arbeitsstrafrecht und Arbeitsstrafrecht-Compliance Österreich Teil 1 (28juli2016)
Compliance – Was ist das?
Der Compliance-Trend macht auch vor dem Arbeitsstrafrecht nicht Halt. Grundfunktion von Compliance ist Prävention, Aufdeckung von Fehlverhalten und Setzen entsprechender Reaktionen zur Verhinderung weiterer Verstöße: Durch Compliance-Maßnahmen soll im Vorfeld verhindert werden, dass (verwaltungs)strafrechtliches Verhalten gesetzt wird.
Compliance sollte als stetiger Weiterentwicklungsprozess gesehen werden, der laufend ausgebaut und verbessert werden kann. Nach der Rechtsprechung ist Compliance als System mehrerer und kontinuierlicher Maßnahmen zu sehen.
Compliance-Maßnahmen – Beispiele
Es muss zunächst identifiziert werden, welche nationalen und internationalen rechtlichen Regelungen für das jeweilige Unternehmen relevant sind, welche Vorgaben es von der Gesellschaft/dem Konzern gibt, ob allgemeine Compliance-Standards einschlägig sind oder es in der Branche Besonderheiten gibt. Außerdem sind die Risiken der gelebten Praxis zu analysieren.
Wichtig ist in einem nächsten Schritt, Bewusstsein für Compliance bei der Geschäftsführung, aber auch bei den Mitarbeitern zu schaffen.
Es sind konkrete Maßnahmen zu definieren, umzusetzen und deren Einhaltung zu kontrollieren. Mögliche Maßnahmen in diesem Zusammenhang sind:
- vertragliche Regelungen in Vereinbarungen mit Mitarbeitern und externen Partnern (beispielsweise Regelungen zur Arbeitszeit, zu Schutzkleidung, Beschäftigung von Ausländer);
- Erlass verbindlicher interner Richtlinien und Weisungen;
- regelmäßige Trainings und Schulungen von Führungskräften und Mitarbeitern;
- Setzen von Konsequenzen bei Nichteinhaltung von Regelungen und Transparenz der Sanktion.
Compliance Officer und Compliance Audits
Es erweist sich in der Praxis oft als sinnvoll, intern eine für Compliance zuständige Stelle („Compliance Officer“) zu definieren und im Unternehmen als Ansprechperson zu kommunizieren. Auch wenn ein Compliance Officer derzeit nur in wenigen Bereichen verpflichtend zu bestellen ist, ernennen immer mehr Arbeitgeber einen Mitarbeiter zum Compliance-Beauftragten oder richten einige eigene Compliance-Abteilung ein. Mitarbeiter in solchen Positionen sind mit großer Sorgfalt auszuwählen, sollten möglichst unabhängig von anderen Stellen im Unternehmen sein und ausreichend Einflussmöglichkeiten haben.
Eventuell kann für einzelne Bereiche des Arbeitsstrafrechts auch ein sogenannter „verantwortlicher Beauftragter“ nach § 9 Verwaltungsstrafrechtsgesetz bestellt werden. Die wirksame Bestellung eines oder mehrerer verantwortlicher Beauftragter führt zu einer weitgehenden (wenn auch nicht absoluten) Haftungsbefreiung der zur Vertretung nach außen befugten Organe (z.B. Geschäftsführung).
Im Rahmen von Compliance-Audits kann Fehlverhalten aufgedeckt werden und die notwendigen Maßnahmen identifiziert und anschließend umgesetzt werden. Ausreichende Compliance-Maßnahmen, wie ein Regel- und Kontrollsystem, können helfen, Haftung zu vermeiden und das Fehlen von Verschulden aufzuzeigen. Bei der Einrichtung eines Kontrollsystems ist darauf zu achten, dass es sich um Maßnahmen handelt, die gewährleisten, dass jeder in das Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die Rechtsvorschriften auch tatsächlich befolgt und die Maßnahmen das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt gewährleisten. Es sollten nicht bloß stichprobenartige, sondern systematische und regelmäßige Kontrollen durchgeführt werden. Ein wirksames Kontrollsystem verlangt auch, dass die Einhaltung des Kontrollsystems selbst überwacht wird (Stichwort „Überwachung der Überwacher“).
Fokus – Compliance im Bereich Arbeitnehmerschutz und Arbeitszeit
Arbeitgeber sind verpflichtet, für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu sorgen und alle dafür notwendigen Maßnahmen zu treffen. Das Arbeitsschutzgesetz (ASchG) stellt eine Vielzahl an Anforderungen an Arbeitgeber. Verstöße sind mit Geldstrafen sanktioniert, wobei die Strafdrohung bei EUR 166 bis EUR 8.324, im Wiederholungsfall bei EUR 333 bis EUR 16.659 liegt (§ 130 ASchG). Auch Beschäftiger im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung gelten als Arbeitgeber im Sinne der Arbeitnehmerschutzvorschriften, dieselben Fürsorgepflichten treffen sie und sie können auch verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
Ein Beispiel für eine weitreichende Verpflichtung nach dem ASchG ist die Evaluierung der Arbeitsplätze (§ 4 ASchG). Dadurch sollen Gefahren erkannt und rechtzeitig Maßnahmen getroffen werden.
Arbeitgeber sind unter anderem auch zur Überprüfung der im Arbeitszeitgesetz (AZG) und Arbeitsruhegesetz (ARG), sowie den für bestimmte Berufsgruppen separat geregelten Arbeits- und Ruhezeiten verpflichtet. Wichtig ist, dass diesbezügliche Aufzeichnungen geführt werden. Oftmals wird die Verpflichtung zur Arbeitszeitaufzeichnung an die Arbeitnehmer delegiert. Dessen ungeachtet, ist der Arbeitgeber für die Führung der Arbeitszeitaufzeichnungen verantwortlich.
Wichtig zu wissen ist auch, dass ein Verstoß gegen Arbeitnehmervorschriften neben Verwaltungsstrafen zur Begründung von Schadenersatzansprüchen, beispielsweise nach einem Arbeitsunfall, und auch im gerichtlichen Strafrecht z.B. bei fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung, relevant sein kann.
Für den Bereich des Arbeitnehmerschutzes gibt es wiederum spezifische Compliance-Maßnahmen: Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagementsysteme, beispielsweise nach dem Standard OHSAS 18001, können die Einhaltung der relevanten Bestimmungen erleichtern. Empfehlenswert ist auch, standardisierte Unterweisungen, möglichst in mehreren Sprachen, im Unternehmen zu erarbeiten. Die Einhaltung der Arbeits- und Ruhezeiten kann durch Zeiterfassungssysteme oder Ampelsysteme inklusive einer automatischen Warnung verbessert und kontrolliert werden.
Fokus – Compliance im Bereich Ausländerbeschäftigung
Nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz besteht für ein Unternehmen, das einen Auftrag ganz oder teilweise an einen Auftragnehmer weitergibt, eine Kontroll- und Verständigungspflicht: Vor Beginn der Beschäftigung hat es den Auftragnehmer aufzufordern, binnen einer Woche den Nachweis der erforderlichen Berechtigungen für die beschäftigten Ausländer zu erbringen. Kommt das beauftragte Unternehmen der Aufforderung nicht fristgerecht nach, muss der Auftraggeber die zentrale Koordinationsstelle für die illegale Beschäftigung beim Bundesministerium für Finanzen umgehend darüber verständigen.
Verletzt das auftraggebende Unternehmen diese Kontroll- oder Verständigungspflicht oder duldet es wissentlich illegale Beschäftigung beim beauftragten Unternehmen oder weiteren Auftragnehmer, so ist der Auftraggeber neben den beauftragten Unternehmen für die illegale Beschäftigung von Arbeitskräften verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Die Strafdrohung beträgt pro illegal beschäftigtem Ausländer zwischen EUR 1.000 und EUR 10.000, im Wiederholungsfall zwischen EUR 2.000 und EUR 20.000. Bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern beträgt die Strafdrohung zwischen EUR 2.000 und EUR 20.000, im Wiederholungsfall zwischen EUR 4.000 und EUR 50.000 (§ 28 Abs 6 AuslBG).
Die Aufforderung an die Auftragnehmer sollte nachweislich (mit Gegenzeichnung) und spätestens bei Auftragserteilung erfolgen und, jedenfalls aber vor Arbeitsantritt. Weiters ist es zur Vermeidung der Haftung notwendig, dass der Generalunternehmer die Beschäftigung unterbindet, sobald ihm die illegale Beschäftigung von Arbeitnehmern eines Auftragnehmers bekannt wird, und auch stichprobenartige Kontrollen durchführt.
Ausblick Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz
Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (kurz „LSD-BG“) wurde vor kurzem kundgemacht und tritt am 1. Jänner 2017 in Kraft. Es wird voraussichtlich ein wichtiger Teil des Arbeitsstrafrechts werden. Es ist auf Sachverhalte anzuwenden, die sich nach dem 31. Dezember 2016 ereignen.
Das LSD-BG sieht einige Erleichterungen vor, wie beispielsweise:
- Lohnunterlagen (wie Meldeunterlagen, Sozialversicherungsunterlagen und Lohnunterlagen) können ab 1.1.2017 auch bei inländischen Steuerberatern, Rechtsanwälten oder Notaren bereitgehalten werden, sofern der genaue Ort der Bereithaltung vorher der Zentralen Koordinationsstelle beim Bundesministerium für Finanzen mitgeteilt worden ist.
- Die Meldung einer Entsendung oder Überlassung hat nach dem LSD-BG vor Arbeitsaufnahme zu erfolgen; nicht mehr erforderlich ist, dass die Meldung spätestens eine Woche vor Arbeitsaufnahme erstattet wird.
Das LSD-BG sieht aber auch zahlreiche und komplexe neue Pflichten und Verschärfungen von Strafen vor. Besonders Arbeitgeber und Arbeitskräfteüberlasser mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat, EWR-Staat oder der Schweiz, sowie Arbeitgeber im Bereich Bau sollten sich ehestmöglich mit den Neuerungen vertraut machen. Der administrative Aufwand im Zusammenhang mit der Verhinderung von Lohn- und Sozialdumping wird durch das LSD-BG voraussichtlich nicht geringer, im Gegenteil.
Wir werden zum neuen LSD-BG zu gegebener Zeit gesondert berichten.
Arbeitsstrafrecht und Arbeitsstrafrecht-Compliance Österreich Teil 2