Arbeitsmarkt Österreich: In einer Studie unter 1000 unselbständig Erwerbstätigen setzten wir uns mit dem Stellenwert der Arbeit in Österreich auseinander. Die Ergebnisse sind überraschend, vor allem in der Stärke der Aussagen.
Autor: Christian Hintermayer
Arbeitsmarkt Österreich: Welchen Stellenwert hat Arbeit in Österreich?
Zunächst wollten wir erfahren, welchen Stellenwert die Arbeit im Vergleich zu anderen Lebensbereichen einnimmt. Die Befragten konnten insgesamt 100 Punkte auf die vier Bereiche
- „Arbeit/Beruf“,
- „Familie/Partnerschaft“,
- „Freizeit/Hobbys“ und
- „gesellschaftliches Engagement“
vergeben – je mehr Punkte, desto wichtiger der jeweilige Bereich.
Insgesamt wird „Familie/Partnerschaft“ in Österreich mit Abstand der größte Wert zugeschrieben (45 Punkte im Durchschnitt). Dahinter folgen ex aequo „Arbeit/Beruf“ (23 Punkte) und „Freizeit/Hobbys“ (22 Punkte) – „gesellschaftliches Engagement“ (10 Punkte) liegt an letzter Stelle.
Im Vergleich zu einer Studie der Bertelsmann-Stiftung in Deutschland zeigen sich deutliche Unterschiede: In Österreich hat „Familie/Partnerschaft“ eine höhere, der Bereich „Arbeit/Beruf“ dagegen eine wesentlich geringere Bedeutung als in Deutschland.
Das ist zum Teil auf Unterschiede in der Stichprobe zurückzuführen. Selbständig Erwerbstätige, die in beiden Ländern ca. 10% der Erwerbstätigen ausmachen und der Arbeit tendenziell einen hohen Stellenwert beimessen, waren nicht Teil unserer Studie. Möglicherweise basiert der Unterschied aber auch auf den härteren Zugangsbeschränkungen in Deutschland („Numerus clausus“). Die Zulassung zu Hochschulen hängt in Deutschland viel stärker von den Schulnoten ab, was zu einer früheren und intensiveren Beschäftigung mit dem Thema „Arbeit/Beruf“ führt.
Grafik 1: Arbeitsmarkt Österrich, Wertigkeit der einzelnen Kategorien. Vergleich Österreich – Deutschland. Angaben in Mittelwerten
Für wen hat Arbeit den größten Stellenwert?
Je höher der formale Bildungsabschluss und die Position im Unternehmen, desto wichtiger ist die Arbeit. Formale Bildung und Hierarchieebene haben insgesamt den stärksten Einfluss.
Bei Singles bzw. Personen in Ein-Personen-Haushalten ist der Stellenwert der Arbeit ebenfalls höher (durchschnittlich 25 Punkte), allerdings nicht signifikant.
Die Bedeutung der Arbeit steigt (nicht unerwartet) mit Anfang 20, wenn der Eintritt ins Berufsleben erfolgt und bleibt im weiteren Verlauf relativ konstant. Freizeit und gesellschaftliches Engagement verlieren im Alter etwas an Wert, Familie und Partnerschaft werden relevanter.
Das Geschlecht hat kaum einen Einfluss auf den Stellenwert der Arbeit, dagegen (ganz klischeehaft) auf den Wert von Partnerschaft und Familie: Frauen messen diesem Bereich eine höhere Bedeutung zu, Männer dagegen Freizeit und gesellschaftlichem Engagement. Kinder im Haushalt wirken sich ebenfalls nur auf die Wichtigkeit von „Familie/Partnerschaft“ aus – wobei die Anzahl der Kinder keine signifikante Rolle spielt.
Arbeitsmarkt Österreich: Was tun ohne Job?
In Relation zu Familie und Partnerschaft mag Arbeit weniger wichtig sein. Für sich genommen ist der Bereich aber keinesfalls unbedeutend, was folgende Ergebnisse zeigen:
59% der österreichischen Erwerbstätigen stellen sich das Leben ohne Job ziemlich langweilig vor. Für die Mehrheit der Befragten gibt es scheinbar keinen gleichwertigen Ersatz. Interessant ist, dass dieser Anteil bei den 20-29jährigen mit 69% sogar höher ist. Entweder haben bereits jüngere Arbeitnehmer eine sehr pragmatische Perspektive („gibt keine alternativen Lebensentwürfe“) oder sie haben im Gegenteil noch sehr idealistische Vorstellungen vom Beruf („dort werde ich mich verwirklichen können, alles andere ist dagegen fad“). Ein Einflussfaktor ist sicher auch, dass die meisten Befragten in dieser Gruppe noch keine eigene Familie gegründet haben. Die Zustimmung sinkt mit dem Alter – bei den Arbeitnehmern über 50 sind es nur mehr knapp die Hälfte. Wahrscheinlich spielt hier schon der Gedanke an die bevorstehende Pension hinein.
Dass Frauen der Aussage signifikant eher zustimmen, ist überraschend, wenn man davon ausgeht, dass die Rolle der „Mutter und Hausfrau“ bei Frauen immer noch gesellschaftlich akzeptierter ist als bei Männern. Frauen verfügen damit eher über eine Alternative zum Beruf: Die Familie bzw. Kinder als Erfüllung des Lebens. Ebenso wenig nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang, dass die Zustimmung mit Haushaltsgröße und Kinderzahl tendenziell zunimmt (allerdings nicht signifikant).
Angst vor Leere mag einer der Gründe sein, warum fast die Hälfte der Befragten (47%) bei einem Lottogewinn von 10 Millionen Euro weiter arbeiten gehen würde. Erneut gibt es einen starken Einfluss des Alters, wobei jüngere Arbeitnehmer weitaus häufiger weiterarbeiten würden als ältere. Das liegt vermutlich an der Überlegung, dass die 10 Millionen ohne weitere Einkünfte nicht bis zum Lebensende reichen.
Auch Personen in Mehr-Personen-Haushalten bzw. mit Kindern im Haushalt würden eher weiterarbeiten, was wahrscheinlich durch die stärkere finanzielle Belastung erklärt werden kann. Erneut stimmen Frauen der Aussage deutlich stärker zu. Hier könnten geschlechtsspezifische Unterschiede im Risikoverhalten die Ursache sein, also hinsichtlich der Einschätzung, ob die Summe bis zum Lebensende ausreicht.
Ich arbeite, also bin ich?
Welche Bedeutung die Arbeit für den Selbstwert der österreichischen Erwerbstätigen hat, verdeutlicht folgendes Ergebnis: 57% der Befragten stimmen der Aussage „Wenn ich in meinem Job gute Arbeit leiste, habe ich das Gefühl, ein guter Mensch zu sein.“ zu. Wir hatten uns hinsichtlich dieser überspitzten Aussage keine besonderen Ergebnisse erwartet und waren sehr überrascht, dass ein so großer Anteil der Befragten dies bewusst wahrnimmt.
Jüngere Arbeitnehmer stimmen dieser Aussage signifikant stärker zu (zwei Drittel der 20-29jährigen, nur 49% der Befragten über 50), auch Personen mit einer höheren Position erleben dies stärker. Sonst existieren keine nennenswerten Effekte, interessanterweise auch nicht nach Bildung.
Fazit zur Studie bzgl. Arbeitsmarkt Österreich
Die Bedeutung der Arbeit, abseits des rein finanziellen Nutzens, zeigt sich in unseren Studienergebnissen sehr deutlich. Selbst ein Lottogewinn von 10 Millionen Euro würde die Hälfte der Befragten nicht vom Arbeiten abhalten. Für die meisten Arbeitnehmer fehlt eine Alternative: Ohne Job wird es langweilig (zumindest in der Vorstellung). Langeweile geht dabei eng einher mit einem Gefühl von Leere, Sinnlosigkeit und ist – im Gegensatz zur Muße – ein unangenehmer Zustand. Man weiß wenig mit sich anzufangen – ein Problem, dass bei Arbeitslosigkeit oder am Anfang der Pension stark verbreitet ist.
Aber auch die Bedeutung der Arbeit für die Identität und den Selbstwert zeigt sich bemerkenswert stark. „Wenn ich in meinem Job gute Arbeit leiste, habe ich das Gefühl, ein guter Mensch zu sein.“ – dieser Aussage stimmen 57% der Befragten zu. Die logische Folgefrage ist: Was ist, wenn ich keine (gute) Leistung bringen kann, weil ich keinen Job habe? Habe ich dann das Gefühl ein schlechter Mensch zu sein? Hier wird eine weitere Problematik der Arbeitslosigkeit angerissen.
Die Mehrheit der österreichischen Erwerbstätigen scheint sich stark über die Arbeit zu definieren, somit sind bei den meisten Personen arbeitsbezogene Erfolge und Niederlagen gleichzeitig auch persönliche. Anders ausgedrückt: Es gibt bei der Mehrheit keine strikte Trennung zwischen beruflicher Rolle und Privatperson. Das bedeutet, dass die Arbeit für die Förderung und den Erhalt des generellen Selbstwerts eine wichtige Rolle einnimmt. Die schwierige Trennung zwischen „beruflich“ und „persönlich“ ist vermutlich auch der Grund, warum z.B. sachliche und berufsbezogene Kritik sehr schnell persönlich genommen und daher nicht gerne geäußert wird.
# Arbeitsmarkt Österreich
Gastautor
Christian Hintermayer ist Projektleiter bei „teamsight“ (www.teamsight.at). teamsight ist spezialisiert auf Mitarbeiterbefragungen und Führungsfeedbacks und wurde vom Online-Marktforschungsinstitut meinungsraum.at gegründet.
Quelle
meinungsraum.at 2016 – Eigenstudie zum Thema „Arbeitszufriedenheit“. Befragung unter 1000 unselbständig Erwerbstätigen in Österreich, repräsentativ nach Geschlecht, Alter, Schulbildung, Bundesland und Unternehmensgröße.
Arbeitsmarkt: Studie zur Bedeutung der Arbeit in Österreich mit starken Ergebnissen