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Stress im Team besprechen – so geht es einfacher:

30Mrz2017
6 min
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HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Sie haben die Statistiken zur Mitarbeiterbefragung erhalten? Sie haben die Auswertung zur Evaluierung psychischer Belastungen erhalten und sollen jetzt Maßnahmen finden? Sie haben das Gefühl es „läuft nicht rund“ und wollen die Arbeitsbedingungen Ihrer Mitarbeiter verbessern?

Es gibt viele Anlassfälle um in einer Abteilungsbesprechung über Stress zu sprechen. Lesen Sie hier, wie Sie optimal vorgehen können.

Gute Arbeitsbedingungen sind der Grundstein für Produktivität und Motivation!

Situation: Befragungsergebnisse vertiefen

Lesen Sie zunächst den Auswertungsberichts Ihres Bereichs durch. Schauen Sie, bei welchen Fragestellungen besonders viele Mitarbeiter Gestaltungsbedarf sehen. Aber ist das Ergebnis nun gut oder schlecht? Es gibt mehrere Varianten und Sichtweisen um ein Befragungsergebnis einzuschätzen.

1. Sozialnorm

bildWie liegt Ihr Ergebnis im Vergleich zum Gesamtergebnis des Unternehmens oder zu anderen Abteilungen? Gibt es Referenzgruppen wie ähnliche Organisationen aus der gleichen Branche?

Nachteil: Menschen neigen dazu sich sofort mit anderen zu messen. Aber dieser Vergleich ist sehr problematisch. Die, im Vergleich, besten Ergebnisse können immer noch objektiv stark verbesserungswürdig sein. Im anderen Extrem haben alle Abteilungen objektiv sehr gute Werte und können das aufgrund des Gruppenvergleichs jedoch nicht wertschätzen.

Machen Sie nicht den Fehler und suchen Sie gleich nach Ausreden: „Das ganze Unternehmen hat nicht gut abgeschnitten im Themenfeld ‚Fehlerkultur ‘. Wir halt auch nicht, aber das scheint ja im Haus normal zu sein.“

Selbst wenn Sie mit schlechten Werten im „Unternehmensdurchschnitt“ liegen, bedeutet dies nicht, dass Sie sich zurücklehnen können und deshalb keine Maßnahmen setzen müssen.

bild2. Sachnorm

Gibt es objektive Kriterien, was ein „gutes Ergebnis“ ist? Gibt es Kennwerte, bei welchem Ergebnis in Themenfeldern Maßnahmen zu treffen sind?

Vorteil: Bei diesen kriterienorientierten Vergleichen kann es sein, dass beispielsweise alle Themen zum Beispiel als „nicht stressend“ abgehakt werden können, wenn sie das erforderliche Kriterium erreichen.

3. Individualnorm

bildHaben Sie Vergleichsergebnisse von früher durchgeführten Befragungen? Gibt es Bereiche, in denen Sie eine klare Veränderung über die Zeit erkennen können? Worauf führen Sie dies zurück?

Vorteil: Bei einer mehrfachen Durchführung zum Beispiel bei jährlichen Mitarbeiterbefragungen sieht man sehr gut die Veränderungen und ob sich Interventionen auch in der Befragung niederschlagen.

Nachteil: Bei einem reinen Vergleich über die Zeit kann man die absoluten Werte nicht einschätzen, weil man kein Gefühl hat, ab wann ein Wert als „durchschnittlich“ oder als „zufriedenstellend“ eingeschätzt werden kann.

Idealerweise kann man Befragungsergebnisse sowohl mit einem absoluten Kennwert vergleichen und sich auch die Veränderungen über die Zeit ansehen.

Umgang mit den Ergebnissen

Suchen Sie einerseits die Stärken Ihrer Abteilung. Was läuft denn besonders gut? Welche Ressourcen konnten Sie in den letzten Jahren ausbauen?

Bedenken Sie jedoch auch die Entwicklungsfelder. Wo gibt es noch Luft nach oben? In welchen Bereich haben Sie eher unterdurchschnittlich abgeschnitten? Gibt es in einem Thema Stagnation?

Nehmen Sie sich dann z.B. in der Abteilungsbesprechung oder im Jour-fixe Zeit um diese Themen gemeinsam zu besprechen. Wichtig in diesem Kontext: Nehmen Sie sich Zeit. Arbeitsbedingungen und Faktoren für Zufriedenheit sind kein Thema, welches man in 15 Minuten schnell abhandeln kann.

Zeigen Sie den Mitarbeiter die Auswertung und weisen Sie auf die, in Ihren Augen, wichtigsten Ergebnisse hin.

Konkretisieren

Fragen Sie nach: An welche Situationen denken Sie konkret, wenn Sie diese Fragestellung lesen? Welche konkreten Arbeitsbedingungen stecken dahinter?

Versuchen Sie selbst möglich unvoreingenommen zu sein und akzeptieren Sie die Sichtweise Ihrer Mitarbeiter. Fragen Sie aber nach, wenn Sie sich an eine genannte Situation nicht erinnern können oder das Problem noch nicht verstanden haben.

Manchmal kann es helfen an dieser Stelle Abläufe oder komplexe Abhängigkeiten zu visualisieren.

Womöglich bekommen Sie an dieser Stelle auch kritisches Feedback zu Ihrer Führungsarbeit. Das kann natürlich unangenehm sein. Wenn die Sichtweise Ihrer Mitarbeiter nicht Ihrer (Selbst-)Wahrnehmung entspricht entsteht Dissonanz. Die Psyche will diesen Zustand nicht und oft wertet man dann automatisch die „Richtigkeit“ der Sichtweise des anderen oder die Wichtigkeit des Feedbackgebers ab. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Aber schauen Sie darauf, dass Sie bewusst diese Äußerungen runterschlucken: „Das ist Schwachsinn. In Wirklichkeit ist das nämlich ganz anders.“ / „Du hast ja keine Ahnung wie das ist in meiner Position.“ / „Das musst du jetzt natürlich sagen. Aber eigentlich weißt du auch, dass…“.

Nehmen Sie das Feedback an und machen Sie sich bewusst, dass eben jeder Mensch seine eigene Sichtweise hat und es „die Wahrheit“ bei Wahrnehmungen oft nicht gibt.

Verbesserungsvorschläge

Es kann hilfreich sein, die weitere Besprechung von Maßnahmen erst zu einem späteren Zeitpunkt zu machen. Vielleicht hatten Sie als Führungskraft schon Zeit um über die Ergebnisse nachzudenken. Achten Sie darauf, dass auch Ihre Mitarbeiter dies in Ruhe tun können.

Wenn die Problematik klar ist und der richtige Zeitpunkt gekommen ist, überlegen Sie gemeinsam mit den Mitarbeiter, was man hier verbessern kann. Was können die Mitarbeiter selbst tun? Was können Sie als direkte Führungskraft optimieren? Gibt es andere Stellen in der Organisation, die hilfreich sein könnten (z.B. Personalabteilung, Betriebsrat, Arbeitsmediziner, …)?

Wird sich die Situation möglicherweise aufgrund von äußeren Einflüssen sowieso verändern?

Am Ende sollten hier konkrete nächste Schritte mit einem Zeitplan vereinbart werden. Gerade konkrete Arbeitsaufträge sollten zumindest stichwortartig schriftlich festgehalten werden. Sonst geht dies im Arbeitsalltag sicher unter.

Der Vorteil dieser partizipative Vorgehensweise ist, dass die Mitarbeiter die Möglichkeit haben, sich aktiv einzubringen. Und diese Handlungsspielräume sind extrem wichtig! Fehlender Entscheidungsspielraum wirkt sich sogar negativ auf die körperliche Gesundheit aus. Es steigen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die Mitarbeiter erkranken an Depressionen.

Situation: Gemeinsame Reflexion der Arbeitsbedingungen

Es gibt keine unternehmensweise Befragung als Anlassfall, aber Sie möchten die psychischen Arbeitsbedingungen im Team zum Thema machen?

Mitarbeiter jammern über zu viel Stress und geringe Arbeitsmotivation? Dann sollten Sie dringend über mögliche Verbesserungsideen sprechen.

bildHier einige Leitfragen:

  1. Wie können wir uns gegenseitig besser unterstützen?
  2. Was können wir an unseren internen Abläufen verbessern?
  3. Was können wir an der Arbeitsaufteilung untereinander optimieren?
  4. Was müssen wir mit anderen Abteilungen oder KooperationspartnerInnen klären?
  5. Gab es in letzten Zeit größere Störungen oder Schwierigkeiten, wo wir überlegen sollten, wie wir das in Zukunft vermeiden?
  6. Wie kann ich (als Führungskraft) euch helfen bessere Arbeit zu leisten?
  7. Habt ihr alle Unterlagen/ Informationen, die ihr für die laufenden und anstehenden Projekte/ Aufgaben braucht?
  8. Habt ihr alle Materialien/ Arbeitsmittel oder soll etwas besorgt werden?
  9. Ist unser Besprechungsrhythmus in Ordnung? Oder sollen sie öfters/seltener stattfinden?
  10. Gibt es etwas, das wir uns noch sagen sollten?

Wichtig für eine lösungsorientierte Vorgehensweise ist die Fokussierung auf Arbeitsbedingungen. Es kann befreiend sein auch über Gefühle und individuelle Auswirkungen des Stresses zu sprechen. Nachdem jede Person aber anders auf Zeitdruck, unklare Anweisungen oder komplexe Abläufe reagiert, ist es zielführender sich über die Situation an sich zu unterhalten und nicht über die persönlichen Auswirkungen.

Unpassende Fragen wären:

  • Wie geht es euch dabei?
  • Könnt ihr nach der Arbeit abschalten, wenn die Kunden so spät am Abend noch Mails schicken?
  • Empfindet ihr das auch als so ermüdend, wenn die Arbeit einfach kein Ende nimmt?

Spezialfall: Evaluierung psychischer Belastungen

Wenn Sie das Gruppengespräch im Rahmen der Erfüllung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes führen, sollten Sie ein paar Rahmenbedingungen beachten:

Das Gesetz hat einige Vorgaben, wie Maßnahmen zur „Gefahrenverfügung“ auszusehen haben. (siehe AschG §7: https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Dokumentnummer=NOR40144393 ) Passende Maßnahmen um unpassende, stressige bzw. belastende Arbeitsbedingungen zu verbessern sollten u.a. an der Quelle des Problems ansetzen und möglichst kollektiv wirksam sein. Das bedeutet, dass man sich im Team genau überlegen muss, was genau die Ursache der Situation ist. Eine passende Maßnahme hilft dann allen Teammitgliedern und nicht nur einzelnen Personen. Daher sind beispielsweise organisatorische Veränderungen der Arbeitsabläufe passender als eine Schulung für einzelne Mitarbeiter.

Details dazu finden Sie im Artikel „Psych. Belastungen am Arbeitsplatz | Gesetzeskonforme Verbesserungsvorschläge durch Gruppendiskussionen erarbeiten“ (https://www.hrweb.at/2016/11/psych-belastungen-am-arbeitsplatz-gesetzeskonforme-verbesserungsvorschlaege-durch-gruppendiskussionen-erarbeiten/).

Die Dokumentation der besprochenen Maßnahmen muss in den so genannten Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumenten erfolgen. Hier wird in tabellarischer Form festgehalten: Was ist der Stressfaktor? Welche Maßnahmen werden dagegen festgelegt? Wer ist dafür verantwortlich? Bis wann wird die Maßnahme durchgeführt?

Eine Vorlage dazu finden Sie hier: https://www.eval.at/arbeitsplatzevaluierung/Leerformulare.aspx

Dies ist wichtig um auch die gesetzlichen Vorgaben der Evaluierung psychischer Belastungen zu erfüllen.

Stress im Team besprechen – so geht es einfacher:

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