„Agilität„, „agiles Arbeiten“ und „agile Organisationen“ sind in aller Munde. Von einem Trendbegriff, der nur wenigen etwas gesagt hat, kam es in nur kurzer Zeit zu einem Massenbegriff, der teilweise schon inflationär anmutet. Alles und jedes will agil sein. Sie auch?
Geht es Ihnen auch so? Das Wort „agil“ taucht rund um Sie herum in jedem nur denkbaren Kontext auf? Man liest von Scrum, Design Thinking, Holocracy, Effectuation und noch vielen anderen Schlagworten, die alle irgendwie direkt oder indirekt mit „Agilität“ zu tun haben? Es werden Instrumente eingeführt, die mehr Agilität verheißen, aber ob deswegen die eigene Organisationsstruktur auch wirklich „agiler“ wird lässt sich vielerorts bezweifeln. Man schielt auf Organisationen, die scheinbar schon agil arbeiten und kopiert einige Merkmale von ihnen aber denkt sich tief im Inneren: „Bei uns kann so etwas nicht funktionieren.“ Ach ja …. und man braucht unbedingt einen Kreativraum im Unternehmen, auch wenn dort dann eine Powerpointschlacht nach der anderen stattfindet.
Agiltität als Heilsbringer
Sie finden ich klinge zynisch. Vielleicht bin ich das auch. Aber nicht aus einer Ablehnung des Begriffes Agilität heraus, sondern aus der Beobachtung, dass Unternehmen meist nicht verstehen wie weitreichend es wirklich ist an diesen Themen zu arbeiten. Und ich bin der tiefen Überzeugung, dass der Trendfaktor des Begriffes „Agilität“ weniger aus seiner unmittelbaren Anwendbarkeit heraus rührt (die sich viele aber erhoffen). Sondern aus einer tiefen Frustration vieler Unternehmen über die eigene Aufbau- und Ablauforganisation heraus.
„Agil“, das kommt vom lateinischen „agere“, also machen, tun, handeln. Lange Zeit hat man mit „agil“ ggf. respektvoll die hohe Beweglichkeit der eigenen Großeltern umschrieben. Auf Unternehmen und Organisationen übertragen ist „Agilität“ ein Bündel von Merkmalen die man mit Hilfsworten wie flexibel, proaktiv, antizipativ oder auch initiativ beschreiben würde. Mit „Agiltität“ wird damit meist der Gegenpol zu starren verkrusteten Unternehmen und Organisationen umschrieben. Sie drohen, an der eigenen Aufbau- und Ablauforganisation zu ersticken. Agilität wird damit auch zum Ausdruck der eigenen Reaktionsfähigkeit auf Markt- und Kundenanforderungen oder Veränderungen des Unternehmensumfeldes. Auch wenn die Welt immer VUCA zu werden scheint.
Agilität: Modewort und Paradigmenwechsel
Die Agilität ist KEINE Methode im eigentlichen Sinn, es ist eher eine Geisteshaltung die sich in unterschiedlichen Charakteristika einer Organisation manifestiert. Agilität ist eine Frage der Unternehmenskultur, die geprägt ist von Transparenz, Dialog, Vertrauen, Ausprobieren, Lernen und vielen unmittelbaren Feedbackschleifen. Nicht umsonst war die erste sichtbare Eisbergspitze das „agile Manifest“ der Softwareentwicklung, die dem klassischen „Wasserfallansatz“ entgegenhalten wollte. Und genau aus diesem Grund kann man agile Methoden nicht einfach ohne Unternehmenskulturarbeit in ein traditionelles Unternehmensumfeld bringen. Gestern in Gantt-Charts zu planen und heute Scrum zu praktizieren ist zum Scheitern verurteilt. Man lernt schließlich auch nicht automatisch Schwimmen, nur weil ein Pool im Garten aufgestellt wird.
Agiltität ist Teil der Unternehmenskultur
Agiles Denken und Arbeiten kann ein Paradigmenwechsel sein und muss – meint man es ernst – auch als solcher behandelt werden. „Agiles Arbeiten“ einzuführen ist vielerorts eine Unternehmenskulturrevolution und muss daher auch als Kulturentwicklungsprojekt gesehen werden. Aus meiner Sicht sind Personalabteilungen und Führungskräfte aller Ebenen angehalten sich damit zu befassen, was dies für die eigene Arbeit bedeutet. Denn die tägliche Führungsarbeit, die agiler werden will, braucht auch einen personalistischen Rahmen, der Agilität fördert, erlaubt, unterstützt und belohnt. Dies beginnt bei der Rekrutierung agil-denkender Mitarbeiter, geht über die Ausgestaltung agiler Lern- und Entwicklungsumgebunden bis hin zu Gehalts-, Arbeitszeit- und Performance Management Modellen. Sehr empfehlen kann ich gerade Personalisten in diesem Zusammenhang das Praxispapier „Agile Unternehmen – Agile Personalarbeit“ der Deutschen Gesellschaft für Personalführung. In diesem wird aus personalwirtschaftlicher Sicht auf die wesentlichsten Themen Bezug genommen.
Achtung: Hierarchie gibt nicht kampflos auf
Gerade im Trend des Begriffes „Agilität“ steckt auch eine Gefahr. Denn gerade weil „Agilität“ keine Methode ist, sondern maximal eine Sammlung von Prinzipien, wird die Tragweite der Veränderung unterschätzt. Und da einige der agilen Prinzipien traditionelle Macht- und Entscheidungsstrukturen in Frage stellen (ja obsoleth machen), wird die klassische Hierarchie der agilen Organisationsstruktur nicht kampflos das Feld räumen. Aber vielleicht ist es ja auch in diesem Fall wie im vom Wissenschaftstheoretiker Thomas Kuhn postulierten „Paradigmenwechsel“ in den Wissenschaften. Die Anhänger des alten Paradigmas werden nicht rational überzeugt, nein, sie sterben über kurz oder lang aus.
Agilität – Modewort und Paradigmenwechsel