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Kündigungsschutz ab 50 (Österreich) | Blick in die Praxis & ins ArbeitsRecht

13Jun2017
4 min
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HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Ältere Arbeitnehmer unterliegen in Österreich bei der Kündigung einem speziellen Kündigungsschutz. Die Regelungen bzgl. spezieller und besonderer Kündigungsschutz werden per 1.7.2017 geändert. Wir sehen uns an, was es konkret bedeutet und werfen sowohl einen Blick in die Praxis als auch ins Arbeitsrecht. Der Fokus liegt auf dem Kündigungsschutz ab 50 (und ab 55; Schwerpunkt Österreich)

Siehe auch HRweb-Beitrag zum Thema Kündigen „Kündigungsschutz ältere Arbeitnehmer … aus arbeitsrechtlicher Sicht

Nachstehend erhalten Sie einen Überblick über die bevorstehenden Änderungen, deren Hintergründe und mögliche Auswirkungen für die Praxis:

Arbeitsrecht Kündigung: besonderer Kündigungsschutz & spezieller Kündigungsschutz

Wie im Beitrag „Kündigungsschutz ältere Arbeitnehmer … aus arbeitsrechtlicher Sicht“ dargestellt, bestehen in Österreich nach derzeitiger Rechtslage für bestimmte Personengruppen beim Kündigen Besonderheiten beim Kündigungsschutz. Dabei ist zwischen dem besonderen Kündigungsschutz und dem „speziellen“ Kündigungsschutz zu unterscheiden.

  • Besonderer Kündigungsschutz bedeutet im Wesentlichen, dass vor Ausspruch einer Kündigung die Zustimmung durch das zuständige Gericht bzw. die zuständige Behörde vorliegen muss. Einen solchen besonderen Kündigungsschutz genießen unter anderem Betriebsratsmitglieder, begünstigte Behinderte oder Eltern während der Karenz und Elternteilzeit.
  • Für ältere Arbeitnehmer bestehen ebenfalls Sonderregelungen im Bereich Kündigung. Es liegt beim beim Kündigungsschutz älterer Arbeitnehmer jedoch kein besonderer Kündigungsschutz vor, sondern ein spezieller Kündigungsschutz. Ältere Arbeitnehmer kann man zwar ohne vorheriger Zustimmung eines Gerichts kündigen. Im Rahmen einer Kündigungsanfechtung wird man aber das höhere Alter speziell berücksichtigen, und zwar durch folgende Bestimmung:

Gemäß § 105 Abs 3b ArbVG dürfen personenbedingte Gründe, die ihre Ursache in einem höheren Lebensalter eines Arbeitnehmers liegen, der schon langjährig im Betrieb oder Unternehmen beschäftigt ist, zur Rechtfertigung der Kündigung des älteren Arbeitnehmers nur dann herangezogen werden, wenn durch die Weiterbeschäftigung betriebliche Interessen erheblich nachteilig berührt werden.

Bei der Beurteilung der Sozialwidrigkeit sind der Umstand einer langen Betriebszugehörigkeit und die wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess besonders zu berücksichtigen. Es soll verstärkt nach alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers gesucht werden und die soziale Gestaltungspflicht des Arbeitgebers ist daher umfassender. Als alternative Möglichkeiten kommen beispielsweise Versetzungen, Umschulungen oder Altersteilzeit in Betracht.

Diese Sonderregelungen gelten nach derzeitiger Rechtslage für Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt ihrer Einstellung das 50. Lebensjahr vollendet haben, ab Vollendung des zweiten Beschäftigungsjahres im Betrieb.

Neue Rechtslage beim Kündigen – Kündigungsschutz ältere Arbeitnehmer & Kündigungsschutz ab 50

Es zeigte sich, dass die derzeitige Regelung eher das Gegenteil von dem bewirkte, was intendiert war – älteren Arbeitnehmern besseren Zugang zum Arbeitsmarkt zu verschaffen. Oft schrecken potentielle Arbeitgeber davor zurück, ältere Arbeitnehmer generell oder länger als zwei Jahre zu beschäftigen, da man ältere Arbeitnehmer dann aufgrund der Sonderregelung des § 105 Abs 3b ArbVG besonders schwer wieder „loswerden“ konnte. Durch eine Novelle dieser Bestimmung sollen nun Anreize geschaffen werden, ältere Arbeitnehmer verstärkt zu beschäftigen.

Die Lockerung des Kündigungsschutzes ist Teil des Arbeitsprogramms 2017/2018 der Bundesregierung.

Kündigungsschutz ab 50

Die Neuerungen gelten für Neueinstellungen nach dem 30.6.2017. Die „Wartefrist“ von zwei Jahren und die besondere Berücksichtigung des höheren Lebensalters bei Beurteilung der Sozialwidrigkeit sowie bei einem allfälligen Sozialvergleich gelten für Neueinstellungen ab 1.7.2017 nicht mehr. Kündigungsschutz ab 50: Für Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt ihrer ab diesem Zeitpunkt erfolgenden Einstellung das 50. Lebensjahr vollendet haben, ist „nur“ mehr der allgemeine Kündigungsschutz von Bedeutung, der auch für jüngere Arbeitnehmer anzuwenden ist.

Spezieller und besonderer Kündigungsschutz nicht rückwirkend

Die Neuregelung beim Kündigen greift nicht in aktuell bestehende Dienstverträge ein. Arbeitnehmer, die sich derzeit in einem aufrechten Dienstverhältnis befinden, sind von dieser Neuregelung nicht betroffen. Für sie gilt weiterhin die bisherige Rechtslage.

Spezieller und besonderer Kündigungsschutz: Auswirkungen der Lockerung für die Praxis

Ob die Änderung des § 105 Abs 3b ArbVG tatsächlich dazu führt, dass ältere Arbeitnehmer keinen speziellen Kündigungsschutz mehr genießen, ist fraglich. Weiterhin werden Gerichte in Kündigungsanfechtungsprozessen voraussichtlich ein höheres Lebensalter im Rahmen der Prüfung der wesentlichen Interessenbeeinträchtigung sowie der Interessenabwägung mitberücksichtigen.

Die derzeitige Spruchpraxis der Arbeitsgerichte bei Kündigungsanfechtungen ist streng. Besonders in erster und zweiter Instanz werden Kündigungen älterer Arbeitnehmer häufig als sozialwidrig angesehen. In einer jüngst ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (9 ObA 13/16a) entschied dieser aber beispielsweise, dass eine Kündigung eines Arbeitnehmers mit Erreichung des Regelpensionsalters von 65 Jahren nicht sozialwidrig ist, auch wenn der Arbeitnehmer bei Pensionierung mit 67 Jahren mit einer 11% höheren Pension hätte rechnen können.

Abseits des Kündigungsschutzes nach § 105 ArbVG ist auch das Gleichbehandlungsgesetz zu beachten, welches vorerst unverändert bleibt: Eine Kündigung, die als Grund oder Motiv das höhere Lebensalter eines Arbeitnehmers hat, stellt eine verbotene Diskriminierung nach dem Gleichbehandlungsgesetz dar und ist unzulässig. Eine derartige Diskriminierung beim Kündigen berechtigt ebenso zur Anfechtung und kann den Arbeitgeber schadenersatzpflichtig machen.

Arbeitsrecht Kündigung ab 1juli2017: Kurz zusammengefasst

Die Integration älterer Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt ist ein sozialpolitisch kritisches Thema. Die für Neueinstellungen ab 1.7.2017 beschlossene Lockerung des speziellen Kündigungsschutzes ist ein gutes Signal. Sie ist eine von vielen zu treffenden Maßnahmen und insoweit hoffentlich hilfreich bei der Umsetzung der besseren Integration älterer Arbeitnehmer. Die Gesetzesänderung allein wird aber wohl nicht dazu führen, dass ältere Arbeitnehmer häufiger eingestellt werden.

Aus rechtlicher Sicht bleibt insbesondere abzuwarten, wie die Gerichte mit der Änderung für Neueinstellungen umgehen. Es muss vorerst davon ausgegangen werden, dass das Alter eines Arbeitnehmers auch in Zukunft bei Kündigungsanfechtungen eine Rolle spielen wird.

Kündigungsschutz ab 50 (55) in Österreich | Blick in die Praxis & ins ArbeitsRecht

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