Industrie 4.0, Arbeitswelt 4.0 oder Leadership 4.0 – seit einigen Jahren geistern diese Begriffe durch die Medien. Und immer öfter geht es dabei um die Frage: „Was bedeutet das kommende Roboter-Zeitalter für die Mitarbeiter in den Unternehmen?“
In der Beantwortung eben dieser Frage scheiden sich die Geister. Auf der einen Seite stehen jene, die einen dramatischen Wegfall von Arbeitsplätzen prognostizieren. Bis zu 9% aller Jobs in Österreich seien gefährdet, warnt das IHS (Institut für höhere Studien) in einer Studie. Dem entgegen steht die Ansicht jener Experten die meinen, dass die Arbeitsplätze nicht weniger, sondern anders werden.
Egal, welcher dieser Positionen man Glauben schenkt, in einem sind sich beide Lager einig: Für die Mitarbeiter in den Unternehmen wird die weitere Digitalisierung der Arbeitswelt massive Veränderungen bringen. Bleibt noch die Frage: „Was bedeutet das für die Führungskräfte?“
Leadership 4.0 – Wie sehen es die Mitarbeiter?
Während auf Expertenebene die Auswirkungen der Digitalisierung intensiv diskutiert werden, haben sich die Betroffenen offenbar bereits eine Meinung gebildet. Und diese dürfte überwiegend positiv sein. Das lassen zumindest die Ergebnisse einer Online-Umfrage (Stichprobe 1000 Personen) des deutschen Marktforschungsinstitutes Toluna vermuten
8 von 10 Berufstätigen sehen Kollege „Roboter“ nicht als Bedrohung, sondern, als Entlastung in der täglichen Arbeit. Vor allem wenn es um eintönige oder anstrengende Arbeit geht, würde man diese gerne an die „Technik“ übergeben. Das Mitschreiben in Meetings, das Aufsetzen von Kaffee oder gar die Beantwortung von Emails an den eigenen Chef durch künstliche Intelligenz – diese Tätigkeiten an „Robo“ zu delegieren, wäre für viele vorstellbar.
Wunschdenken, Zweckoptimismus oder Naivität? Betrachtet man zwei weitere Ergebnisse der Befragung, scheint wohl letzteres zuzutreffen. Denn fast ein Drittel der Befragten wäre erfreut, wenn Kollege Roboter über mehr Wissen als sie selbst verfügen würde. Die Sorge, durch diesen technischen Assistenten ersetzt zu werden, beschäftigt dagegen nur knapp 20 %.
Auch wenn der große Job-Abbau durch die Industrie 4.0 ausbleiben sollte: Diese Ergebnisse vermitteln den Eindruck, dass sich viele Arbeitnehmer der einschneidenden Veränderungen in ihrer zukünftigen Arbeitswelt noch nicht bewusst sind. Mag sein, dass das lästige Protokollieren in Meetings für den Menschen wegfällt. Wenn dann aber nur deshalb, damit die frei werdende Arbeitskraft effektiver und effizienter den produktiven Arbeitsprozessen zur Verfügung steht. Und nicht, um den von Kollegen Roboter servierten Kaffee in Ruhe genießen zu können.
Leadership 4.0 – mehr Software, weniger Stress?
Viele Führungskräfte sind bereits seit Jahren in ihren Unternehmen mit radikalen Veränderungen konfrontiert. Und damit auch als Change Manager gefordert. Allerdings: Auch Führungskräfte sind in Veränderungsprozessen immer Betroffene. Sie sollen die Veränderungen innerhalb der Organisation vorantreiben und gleichzeitig das laufende Tagesgeschäft sichern. Viele stellen daher die Frage: „Wie soll ich das alles schaffen?“.
Was liegt also näher, als die Hoffnung, dass es durch die Digitalisierung mittelfristig auch zu einer Entlastung in der Führungsarbeit kommt. Viele Prozesse sind technisch unterstützt. Terminplanung, Projektplanung/Projektcontrolling, Video-Konferenzen bis hin zu Tools für Zielerreichung und Bonusberechnung. Für fast jede Führungsaufgabe gibt es Technologien und Software-Lösungen, welche die Manager bei deren Tätigkeit entlasten sollen.
Mit welchem Ergebnis? Dass sich viele Führungskräfte als Geiseln der Technologie erleben. Nicht Entlastung wurde gebracht, sondern Abhängigkeiten geschaffen. Jedes neue Software-Tool bedeutet für die Führungskraft zusätzlichen Zeitaufwand, um das Team und sich selbst auf die geänderten Rahmenbedingungen einzustellen. Und wenn man dann soweit wäre, die Synergien der neuen Technologie zu nutzen, steht bereits das nächste Tool vor der Tür.
Leadership 4.0 – Wer führt, Maschine oder Mensch?
Wenn sich Mitarbeiter in Online-Self-Assessments eigenmächtig bewerten müssen, weil die Chefs deren Aufgaben nicht mehr beurteilen können, dann ist ein kritischer Punkt erreicht. Hier werden essentielle Führungsaufgaben nicht mehr wahrgenommen. Dazu zählt für den Autor auch der Umstand, dass etliche Unternehmen Bewerbungsunterlagen durch intelligente Software scannen lassen. Und diese entscheidet anhand von Algorithmen auch eigenständig, wer zur 1. Runde eingeladen wird. Und verschickt danach die Einladungen.
Skurril wird das ganz dann, wenn man weiß, dass auch Bewerber schon auf Software-Produkte zurückgreifen können, welche systematisch und automatisiert Bewerbungen an Unternehmen schicken. Hier kommunizieren also nur mehr die jeweiligen IT-Systeme miteinander. Ohne jegliches menschliche Zutun. Zugeben, der Zeitaufwand ist beidseitig gering. Die Ernsthaftigkeit hinter so einem Bewerbungsprozess allerdings auch.
Führungskräfte sind mit zunehmender Digitalisierung gut beraten, sich nicht komplett der Technologie auszuliefern. Auch wenn diese noch so intelligent und bestens vernetzt agiert. Vor allem dann, wenn es um Schlüsselentscheidungen wie die Personalauswahl geht. Sonst kann es vielleicht passieren, dass einem eines Tages der Kollege Roboter die Kündigung in die Hand drückt. Mit dem lapidaren Zusatz: „Menschliches Denken entspricht nicht mehr unserem Anforderungsprofil.“
„Der Mensch ist immer noch der beste Computer.“
(J. F. Kennedy)
Leadership 4.0 | Menschen führen oder Roboter steuern?