Ständige Erreichbarkeit auch in der Freizeit ist für viele Arbeitnehmer normal. Das kann jedoch negative Folgen für die Gesundheit haben. Holen Sie sich hier Tipps, was Sie als Führungskraft und Kollege für eine positive Kommunikationskultur beitragen können.
Smartphones und Tablets sind Teil unseres Alltags. Es gibt in Österreich mehr aktivierte Smartphone-Mobiltarife als Menschen! Für mehr als die Hälfte der unter 50jährigen gehören der Austausch über Social Media (WhatsApp, Facebook, Instagram oder Snapchat) zum Alltag. Bei den unter 30jährigen sind es sogar 85%!
Dementsprechend sind wir heutzutage auch immer erreichbar. Sei es für Freunde, die Familie, aber oft auch für die eigene Führungskraft oder die Kollegen. Die Freizeit wird also auch immer mehr zur Arbeitszeit. Vor allem Personen in Führungspositionen, bei Projektarbeiten, Teilzeitkräfte und bei der Betreuung externer Kunden ist die Erreichbarkeit in der Freizeit, im Urlaub oder im Krankenstand bis zu einem gewissen Grad üblich.
Die Grenzen zwischen den Lebenswelten verschwimmen („Entgrenzung von Arbeitszeit“).
Hinzu kommt, dass All-In-Verträge auch immer mehr zum Standard werden. 2015 hatten bereits 24% der Österreicher einen solchen Pauschalvertrag.
Unsere Arbeit und unsere Kommunikation haben sich deutlich beschleunigt. Es wird viel schneller eine Antwort erwartet, egal ob von Kollegen oder im Kundenverkehr. Der gefühlte Zeitdruck wurde damit größer.
Was beeinflusst die Einschätzung?
Ob ständige Erreichbarkeit für die Firma als störend oder stressig empfunden wird, kommt auf mehrere Faktoren an:
- Häufigkeit des Kontakts außerhalb der Arbeitszeit
- Zeitpunkt des Kontakts und Situation, in der ich mich befinde
- Möglichkeit den Kontakt abzulehnen oder realistische Mitsprachemöglichkeit
- Dauer der Unterbrechung (Soll ich nur kurz eine Auskunft geben oder muss ich ein Problem lösen?)
- Dringlichkeit der Anfrage und eingeschätzte Wichtigkeit (Kann ich dadurch Stress am nächsten Tag vermeiden?)
- Interesse an der Aufgabe/ am Job
- Modus des Kontakts (Anruf, E-Mail oder SMS/WhatsApp?)
- Erhaltene Anerkennung (Danke; beruflicher Vorteil für die Karriere) oder monetäre Abgeltung der Erreichbarkeit
Wenn ich am Abend berufliche Mails abrufe und die Info bekomme, dass am nächsten Tag in der Früh ein Termin abgesagt ist, dann ist das für mich positiv. Hätte ich das erst am nächsten Tag in der Früh gelesen, hätte ich mich geärgert.
Es gibt aber auch Kunden, die glauben, sie sind die einzigen, die man betreuen muss. Die rufen dann auch ohne Genierer nach 18:00 Uhr noch regelmäßig an um Kleinigkeiten zu besprechen. Das empfinde ich als lästig und unnötig.
Alarmsignal: Stressgefühle
Ein Alarmsignal ist das „Sich-gestresst-fühlen“. Und Personen, die für den Job immer erreichbar sein müssen, fühlen sich auch häufiger gestresst.
Umgekehrt gibt es auch einen Zusammenhang zwischen „Sich-gestresst-fühlen“ und der Nutzung von Social-Media.
Wie bei allen statistischen Zusammenhängen, darf man nicht zu früh Ursache und Wirkung festlegen.
Alarmsignal: Schlechter Schlaf
Wichtig ist für die Psyche auch ein „Runterfahren“, ein Abstand zwischen Arbeit und Schlaf. Nur mit einem solchen Distanzierungsprozess kann gute Erholung gelingen. Wenn man aber nach der Arbeit zu Hause noch E-Mails checkt oder Anrufe entgegen nimmt, dann verkürzt das den Abstand zwischen Arbeit und Schlaf.
Das führt zu längeren Einschlafzeiten, häufigerem nächtlichen Aufwachen und nächtlichen Grübeln. Dadurch sinkt die subjektive Schlafqualität und die Erholungsfähigkeit!
Alarmsignal: Privatleben leidet
Es gibt viele Studien, dass bei Jobs mit offizieller Rufbereitschaft, die Mitarbeiter schlechtere Stimmung und eine erhöhte Reizbarkeit haben im Vergleich zu Zeiten ohne die Rufbereitschaft. Und dazu braucht noch gar kein Anruf kommen!
Und ähnlich ist die Situation, wenn man weiß, dass sich der Chef jederzeit melden kann.
Menschen, die ständig erreichbar sein müssen/ wollen, geben auch an, dass sie darauf achten, dass das Handy ständig geladen ist, sie Empfang bzw. Internetzugang haben.
Auch aus Sicht des Partners bzw. der Partnerin hat diese Erreichbarkeit Folgen. Sie geben an, dass sie dann Pflichten übernehmen müssen (Haushalt, Kinderbetreuung, …) und dass auch die Freizeitaktivitäten nicht mehr uneingeschränkt möglich sind.
Wenn Sie also nicht mehr ohne schlechtes Gewissen in die Alpen wandern gehen wollen, weil sie dort keinen Empfang haben, setzen Sie eindeutig Ihre Prioritäten im Berufsleben.
In der Regel herrscht ja die Annahme, dass Kinder heutzutage nur noch vor dem Bildschirm (egal ob groß oder klein) hängen. Aber wenn man die Kinder zum Handygebrauch ihrer Eltern befragt, zeichnet das auch ein erschreckendes Bild. Laut einer britischen Studie hat jedes dritte Kind schon mal seine Eltern gebeten, das Handy nicht zu checken. Knapp die Hälfte der Kinder gab an, dass der Bitte nicht nachgekommen wurde.
Was kann ich als Führungskraft tun?
Führungskräfte müssen lernen oder sich umstellen, auch gesund zu führen im digitalen Zeitalter. Was bedeutet das genau?
- Gemeinsam besprechen: Welche Erreichbarkeit wird erwartet? Wie kann man auf die notwendigen Daten zugreifen, wenn jemand nicht da ist? Das ist genau so wichtig für kurzfristige Erkrankungen!
- Genug Mitarbeiter für die Arbeit einteilen. Bei Personalmangel werden motivierte Mitarbeiter immer für die Firma zur Verfügung stehen. Mehr als ihnen selbst gut tut.
- Selbst nicht Mails schicken in der Nacht oder Leute im Urlaub anrufen.
- Erreichbarkeit wertschätzen, Danke sagen und z.B. Zeit als Arbeitszeit gutschreiben
Was kann ich als Kollege tun?
- Ansprechen, wenn die Nutzung auffällig ist. Oft sehen Personen, die „süchtig sind“ das selbst nicht. Da hilft es, wenn man die Wahrnehmung von außen aufzeigt. Sagen Sie Ihrer Kollegin/ Ihrem Kollegen, was sie sehen.
- Ansprechen, wenn sich jemand verändert oder über Erreichbarkeit klagt
- Nicht unnötig andere in Freizeit oder Urlaub stören
- Vorbild sein und klare Grenzen setzen. Selbst nicht Mails schicken in der Nacht oder Leute im Urlaub anrufen
Bin ich süchtig? Wann ist Vorsicht geboten?
Es gibt 10 Warnsignale, die auf einen exzessiven bzw. problematischen Handygebrauch hinweisen.
- Ich habe mein Mobiltelefon schon genutzt um mich besser zu fühlen, wenn ich mich nicht gut gefühlt habe.
- Wenn ich einige Zeit keinen Empfang habe, denke ich zwanghaft daran, einen Anruf zu verpassen.
- Wenn ich kein Handy hätte, würden meine Freunde es schwer finden, sich mit mir in Verbindung zu setzen.
- Ich fühle mich ängstlich, wenn ich einige Zeit lang keine Nachrichten gecheckt habe oder mein Handy seit einiger Zeit ausgeschaltet ist.
- Meine Freunde und Familie beschweren sich über meine Benutzung des Mobiltelefons.
- Ich beschäftige mich mit dem Handy für längere Zeit als beabsichtigt.
- Ich bin oft zu spät, weil ich mich mit dem Handy beschäftige, auch wenn ich nicht sollte.
- Ich finde es schwierig mein Handy abzuschalten.
- Mir wurde gesagt, dass ich zu viel Zeit mit meinem Mobiltelefon verbringe.
- Ich habe schon Telefonrechnungen bekommen, die ich nicht zahlen konnte.
Schlussworte
Problematisches Handyverhalten tritt grundsätzlich eher bei ängstlichen Menschen, jungen Menschen und Frauen auf. Es gibt auch einen Zusammenhang mit emotionaler Instabilität und Extraversion.
Es gibt auch Studien, die belegen, dass exzessiver Handygebrauch zu Depressionen und chronischem Stress führt.
In diesem Sinne: Achten Sie auf sich und andere!
Quellenangaben
- RTR Telekom Monitor Q3/2016.
- Österreich. Zahlen. Daten. Fakten. Statistik Austria, 2017
- „Entspann dich, Deutschland“ TK-Studie 2016
- Arbeitsklimaindex, IFES/SORA, Pressekonferenz 3.3.2016
- Verfahren MMPUS-10
- iga-Report 23-Teil 2, 2016
- HMC & Digital Awareness UK, 2017
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