„Value added selling“ – so lautet aktuell ein Modebegriff im Vertrieb. Es zielt darauf ab, den potenziellen Kunden (verglichen mit den Mitbewerbern) erkennbar einen Mehrwert zu bieten. Folglich kaufen diese das Produkt / die Problemlösung und zahlen dafür eventuell sogar noch einen höheren Preis.
Autor: Peter Schreiber
Doch was stellt aus Sicht der Kunden einen „Mehrwert“ dar? Das ergibt sich stets aus deren individuellen Bedarf und deren Zielsetzungen. Also gilt es diese Faktoren im Verkaufsgespräch beziehungsweise Kundenkontakt zunächst zu erkunden.
Kernfrage: Was will und braucht der Kunde?
„Das tun wir doch“, erwidern Verkäufer oft auf einen entsprechenden Appell. Stimmt, die meisten B2B-Verkäufer fragen ihre Kunden, welche (technischen) Anforderungen diese an das Produkt haben. Sie gleichen damit einem Autoverkäufer, der seine Kunden fragt:
- „Wie viele Sitze soll das Auto haben?“
- „Wie schnell soll es fahren?“ Und:
- „Wie viel darf das Fahrzeug kosten?“
Dies ist das typische Vorgehen eines Produktverkäufers.
„Lösungs-“ oder „Mehrwert-Verkäufer“ hingegen erkundigen sich im Kundenkontakt zunächst zum Beispiel detailliert:
- Welches Geschäft betreibt der Zielkunde?
- Womit versuchte er sich bisher in seinem Markt von seinen Wettbewerbern zu differenzieren?
- Was hindert ihn aktuell daran, noch erfolgreicher zu sein?
- Wofür braucht er eine (Problem-)Lösung?
- Welche Ziele möchte er damit erreichen?
- Welche Anforderungen sollte aus Kundensicht die Lösung folglich erfüllen?
- Wie lässt sich die Wirtschaftlichkeit darstellen? Betrachtet der Kunde zum Beispiel die Anschaffungskosten oder die Total Costs of Ownership?
Aus den Antworten auf diese und viele weitere Fragen leitet ein „Mehrwert-“ oder „Lösungsverkäufer“ ab, was für den Kunden ein echter „Mehr-Nutzen“ ist.
Lösungen statt Produkte verkaufen
Einige Verkäufer mögen denken: Wozu muss ich das alles wissen, wenn ich dem Kunden zum Beispiel eine Fräse, ein CRM-System oder einen Kopierer verkaufen möchte? Dann ist doch klar, wozu er die Maschine oder Software braucht. Nein!
Das sei am einfachen Beispiel Kopierer illustriert. Einen Kopierer kann man für das Ablichten einzelner Dokumente für die Ablage und für das Erstellen von Massenmailings benötigen. Man kann ihn zum Vervielfältigen kleiner Bilder oder riesiger Baupläne verwenden. Und es macht auch einen Unterschied, ob ein Kopierer regelmäßig von denselben drei, vier Personen benutzt wird oder von Hunderten von Personen sporadisch, die in der Regel nicht wissen, auf welchen Knopf sie drücken müssen, wenn sie zum Beispiel eine Verkleinerung wünschen.
Ähnlich verhält es sich bei Fräsen und CRM-Systemen. Auch bei ihnen kann der Bedarf aufgrund des Geschäftsfelds des Unternehmens, seiner Zielsetzungen und der vorhandenen (technischen) Infrastruktur sehr verschieden sein. Also sind für die Kaufentscheidung auch unterschiedliche Kriterien entscheidend.
Folglich gilt es beim sogenannten Value Added Selling all diese „Details“ zunächst in Erfahrung zu bringen, damit der Verkäufer dem Kunden aufzeigen kann, warum seine Problemlösung für ihn die „preis-werteste“ ist – obwohl sie nicht die billigste ist. Denn welchen Nutzen hat ein Betrieb zum Beispiel vom Kauf eines günstigen Kopierers, der permanent defekt ist, weil Hunderte von Menschen ihn benutzen, die nicht wissen, wie er zu bedienen ist? Und ist ein „billiger“ Kopierer, der ständig repariert werden muss, auf die Dauer nicht teurer als ein Gerät, das weitgehend störungsfrei arbeitet? Und wäre es für manche Kunden nicht sogar preiswerter, einen Leasingvertrag abzuschließen, der auch die Wartung enthält?
Aus dem Mehr-Nutzen ergibt sich der Mehr-Wert
Nur wenn Verkäufer einen Kunden und dessen Bedarf genau kennen, können sie ihm die für ihn vorteilhafteste Lösung anbieten; außerdem können sie ihm nur dann aufzeigen, welches Mehr an Nutzen, ihm die vorgeschlagene Lösung bietet.
Das gilt insbesondere für Industriekunden. Denn diese interessieren die reinen Anschaffungskosten meist nur am Rande. Wichtiger sind für sie die Fragen:
- Erreiche ich mit der vorgeschlagenen Lösung meine Ziele? Und:
- Wie hoch sind die „Total Costs of Ownership“?
Das heißt:
- Mit welchen Gesamtkosten muss ich im Verlauf der Nutzungsdauer zum Beispiel des angeschafften Geräts rechnen?
- Welche Material- und Energiekosten kommen auf mich zu?
- Wie hoch ist der Wartungsbedarf – an Zeit und Geld?
- Wie zeitaufwändig ist das Umrüsten oder Updaten?
- Wie hoch ist der Schulungsaufwand für meine Mitarbeiter?
All diese Fragen stellen sich Kunden bei der Kosten-Nutzen-Abwägung, die sie vor der Kaufentscheidung vornehmen.
Die preis-werteste Lösung für den Kunden erarbeiten
Denn anders als von vielen Verkäufern unterstellt, lautet das oberste Ziel der Unternehmen nicht: Kosten senken. Ihr oberstes Ziel lautet meist: (möglichst viel) Gewinn erzielen. Und das Senken der Kosten ist nur ein Weg, um dieses Ziel zu erreichen.
Gast-Autor
Peter Schreiber ist Inhaber des Beratungs- und Trainingsunternehmens PETER SCHREIBER & PARTNER, Ilsfeld, (Tel.: 0049/70 62-96 96 8; www.schreiber-training.de) und Autor des Buchs „Das Beuteraster – 7 Strategien für erfolgreiches Verkaufen“ (Orell Füssli Verlag).
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