Die Mitarbeiterbefragung sind ein weit verbreitetes Instrument, um ein Stimmungsbild der Belegschaft einzuholen. Es stellt sich die Frage: Wie stark darf, soll oder muss der Betriebsrat mitbestimmen?
Im Zentrum stehen meistens Themen wie Mitarbeiterengagement, konkrete Arbeitsplatzbedingungen, Kommunikationsstrukturen und Führung. Mitarbeiterbefragungen sind damit Instrumente in denen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen in besonderer Art und Weise aufeinander treffen.
Eine Mitarbeiterbefragung ist meist eine von der Unternehmensleitung oder der Personalabteilung initiierte Umfrage unter der gesamten Belegschaft um ein aktuelles Stimmungsbild einzuholen. Themen sind dabei meist die Wahrnehmung des eigenen Arbeitsplatzes, wie Schlüsselthemen rund um Führung, Information oder Zusammenarbeit erlebt werden und wie es der Belegschaft damit geht. Nicht geht es um Befragungen im Fall: Der Betriebsrat handelt nicht im Sinn der Mitarbeiter. In dem Fall würden andere Instrumente zum Zug kommen. Nein: Das Ziel ist es aus dem Stimmungsbild Lernfelder abzuleiten und Verbesserungsmaßnahmen zu setzen. Eine Mitarbeiterbefragung liegt damit sowohl im Interesse jedes Unternehmens als auch im Eigeninteresse der Belegschaft.
Zuständigkeiten des Betriebsrates
Der Betriebsrat ist der gesetzliche Vertreter der Solidarinteressen der Arbeitnehmer. Um die Wahrnehmung dieser Aufgabe zu ermöglichen, gibt das Gesetz dem Betriebsrat umfassende, zum Teil unscharf formulierte Rechte. Die rechtlichen Grundlagen der Betriebsratstätigkeit sind im Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) geregelt. Das Arbeitsverfassungsgesetz regelt dabei auch, für welche Arbeitnehmer der Betriebsrat zuständig ist. Davon exkludiert sind bspw. leitende Angestellte, denen maßgebender Einfluss auf die Führung des Betriebes zusteht. Eine Befragung ausschließlich dieser Personengruppen fällt also nicht in den Zuständigkeitsbereich des Arbeitsverfassungsgesetzes und somit auch nicht in den Zuständigkeitsbereich des Betriebsrates. Sobald meist andere Arbeitnehmer als die hier aufgeführten leitenden Angestellten betroffen sind, finden die Regelungen des Arbeitsverfassungsgesetzes prinzipiell Anwendung.
Zustimmungspflicht
Mitarbeiterbefragungen sind nicht generell und in jedem Fall zustimmungspflichtig seitens des Betriebsrates. Eine häufig zu findende Rechtsmeinung ist, dass Mitarbeiterbefragungen als Instrument der internen Personalforschung aus arbeitsrechtlicher Sicht grundsätzlich unproblematisch sind, solange sie 100% freiwillig und anonym durchgeführt werden. Hier werden lediglich Informationen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, der Arbeitszufriedenheit oder einfach Anregungen der Arbeitnehmer ermittelt. Die Befragung findet auch im Eigeninteresse der Belegschaft statt (bspw. Arbeitsbedingungen verbessern).
Der Grundsatz von Freiwilligkeit und Anonymität bedeutet hier, dass:
- Mitarbeiter zur Befragung eingeladen werden, aber nicht verpflichtend daran teilnehmen müssen. Mehr noch: dass sogar unbekannt ist wer teilnimmt und wer nicht.
- Anonymität bedeutet, dass Rückschlüsse auf die beantwortenden Personen durch das angewendete Verfahren absolut auszuschließend sind. Die Daten werden anonym erhoben und/oder durch Verfahrensgrundsätze (bspw. Mindestauswertungsgrenzen) weiter anonymisiert bzw. aggregiert. Dieses Prinzip wird durch externe Dienstleister und eine entsprechende Dienstleistervereinbarung nach dem DSG bzw. der DSGVO unterstützt.
Nicht-anonyme Personalfragebögen oder für Mitarbeiter verpflichtende Datenerhebungen in denen personenbezogene Daten gezielt ermittelt werden sollen, sind immer zustimmungspflichtig. Würde diese Anonymität/Freiwilligkeit nicht bestehen oder aufgehoben und hätte der Betriebsrat dieser Datenerhebung nicht vorab zugestimmt, könnte sich eine Situation ergeben, in der die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung nicht mehr verwendet werden dürfen, weil ein Verstoß gegen das Arbeitsverfassungsgesetz vorliegt.
Mitbestimmungsrecht
Darüber hinaus hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei verschiedenen Themen. Der Themenkatalog, bei dem der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat, ist im ArbVG (3. Hauptstück, Abschnitt 1) beschrieben. Im Wesentlichen handelt es sich hier um folgende Bereiche (Darstellung verkürzt):
- Fragen der Ordnung des Betriebes und Verhalten der Arbeitnehmer
- Arbeitsorganisation
- Arbeitszeiten und Urlaubsregelungen
- Arbeitsentgelte und Lohngestaltung
- Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, Sozialeinrichtungen
- Betriebliche Frauenförderung
- …
Mitarbeiterbefragungen, die Themen in allgemeiner und übergreifender Weise abfragen sind damit meist noch kein zwingender Mitbestimmungstatbestand. Mitarbeiterbefragungen fallen insbesondere dann unter den Mitbestimmungstatbestand, wenn:
- Befragungen zu Fokusthemen: Wenn Themen der angeführten Themenliste ausführlich oder ausschließlich erörtert werden oder eine Befragung zum Zwecke der ursächlichen Einflussnahme auf das zugrundeliegende Thema stattfindet. Beispiele dafür könnte dies eine Umfrage rein zu Gehaltsthemen oder eine Befragung zur Identifikation von Geschlechterungerechtigkeiten sein.
- Gesundheits- oder Arbeitschutzthemen: Wenn Mitarbeiter ausführlich Auskünfte über deren Gesundheitszustand geben sollen, dies ist bspw. in einigen Fragebögen in Gesundheitsförderungsprojekten der Fall. Ebenso bei Evaluierungen psychischer Belastungen nach dem ASchG – hier ist weitreichendes Mitbestimmungsrecht gegeben.
- Hoher Personenbezug besteht: Wenn ein ungewöhnlich hohes Maß an demografischen Fragen zur Person des Befragten gestellt werden. Insbesondere wenn diese Fragen stark das Privatleben oder schützenswerte Interessen der Mitarbeiter berühren.
Wie so häufig in rechtlichen Themen: Ob es sich um eine allgemeine Abfrage oder eine „ausführliche und ausschließliche Eröterung“ handelt ist meist eine Interpretations- und Ermessensfrage. Aber je nach thematischer Ausrichtung der Mitarbeiterbefragung ergibt sich damit ein Korridor in dem man sich einordnen kann.
Informationsrecht
Nach § 91 ArbVG ist der Betriebsinhaber verpflichtet, dem Betriebsrat über alle Angelegenheiten, welche die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen oder kulturellen Interessen der Arbeitnehmer des Betriebes berühren, Auskunft zu erteilen. Diese Formulierung ist zwar sehr weit gefasst aber wohl so zu interpretieren, dass der Betriebsrat vorab, rechtzeitig und umfassend über geplante Befragungsvorhaben zu informieren ist.
Auch wenn die Begriffe „rechtzeitig“ und „umfassend“ einen Interpretationsspielraum zulassen, erscheint es angebracht:
- Den Betriebsrat so früh über das angedachte Vorhaben zu informieren, dass ein etwaiges Mitbestimmungsrecht bzw. eine Zustimmungspflicht inhaltlich geklärt und ausgeübt werden kann. Aus unserer Sicht ist daher insbesondere die Information des Betriebsrates über den Fragebogen und dessen Inhalte und den geplanten Ablauf zur Sicherstellung von Freiwilligkeit und Anonymität nötig.
- Den Betriebsrat über die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung in jenen Punkten zu informieren, die seine Betriebsratsarbeit berühren – und zwar noch vor der übrigen Belegschaft. Auch hier liegt keine genaue Definition vor – umfasst aber in jedem Fall Unternehmensgesamtergebnisse zu relevanten Themen; in den meisten Fällen wohl auch Ergebnisse bestimmter Niederlassungen/Standorte für den lokalen Betriebsrat.
Resümee: Kooperation im Vordergrund
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Betriebsrat bzgl. einer freiwilligen und anonymen Mitarbeiterbefragung:
- Immer ein Recht auf Information hat (soweit Arbeitnehmer betroffen sind).
- In vielen Anwendungsfällen ein Recht auf Mitbestimmung hat. V.a. dort wo klassische Betriebsrats-Themen im Detail analysiert werden oder Gesundheits/Arbeitsschutz-Themen berührt werden.
- In besonderen Ausnahmefällen sogar Zustimmungspflicht vorliegt (bspw. bei nicht garantierter Freiwilligkeit/Anonymität und bestimmten sensiblen Themen).
Egal ob rechtlicher Anspruch auf Mitbestimmung oder freiwillig gewährte Mitbestimmung: Unserer Ansicht nach ist die partnerschaftliche Zusammenarbeit bei einer Mitarbeiterbefragung immer der beste Weg. Letztlich geht es bei der Mitarbeiterbefragung auch um Vertrauen und Respekt. Steht der Betriebsrat gemeinsam mit der Unternehmensleitung hinter der Befragung, steigert das die Akzeptanz der Mitarbeiterbefragung bei den Arbeitnehmern deutlich.
Unserer Erfahrung nach ist daher die Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure in einer Projektgruppe, deren Aufgabe die kooperative Planung der Mitarbeiterbefragung ist, sehr förderlich. Betriebsräte mit in derartige Projektgruppen einzuladen ist daher unsere dringende Empfehlung. Ob darüber hinaus auch in nicht verpflichtenden Fällen eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird oder nicht, ist häufig eine Stilfrage. Dies macht aus unserer Sicht v.a. dort Sinn, wo es darum geht die wechselseitigen Rechte/Pflichten zu explizieren oder eine sehr starke Kultur schriftlicher Betriebsverainberungen besteht.
Disclaimer
Dieser Text wurde von Mag. Gerd Beidernikl nach bestem Wissen und Gewissen und unter Anwendung gründlicher Recherche verfasst. Nichtsdestotrotz stellt dieser Text keine Rechtsberatung dar. Er spiegelt in dieser Hinsicht lediglich die persönliche Meinung des Autors wider.
Mitarbeiterbefragung und Betriebsrat