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Berlitz: Happy 140th Birthday! | Ein Interview über Personalentwicklung um 1900

08Aug2018
5 min
berlitz-140

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Berlitz feiert heuer 140. Geburtstag. Ich gratuliere herzlich und möchte mehr erfahren über die Anfänge von Berlitz die in einer so völlig anderen Zeit liegen: wie sah Personalentwicklung damals generell aus, wie war es konkret für Berlitz?

Ein Interview mit Constant Reinders (Berlitz):

Wie sahen die Ursprünge von Berlitz aus ?

Maximilian David Berlitz (Berlizheimer) kam 1870 aus dem deutschen Mühringen über die Einwanderungssammelstelle Castle Garden im Battery Park (Lower Manhattan) in die Vereinigten Staaten von Amerika. Nachdem er sich in Westerley, Rhode Island niedergelassen hatte und dort verschiedenen Tätigkeiten nachging, darunter auch Griechisch- und Lateinunterricht, zog er 1876 nach Providence, wo er am Warner’s Polytechnic Business College für den gesamten Sprachunterricht zuständig war. Während dieser Zeit arbeitete er intensiv an dem Buch The Logic of Language mit. Am Warner’s College unterrichtete der Professor für englische Literatur auch Französisch. Da es in diesen Französischkursen einige Studenten gab, die weniger schnell lernten, beschloss Berlitz, den jungen Franzosen Nicholas Joly als zusätzlichen Lehrer anzustellen. Dieser hatte zwar ein Diplom in französischer Literatur, sprach jedoch kein Englisch. Als Joly in Providence ankam, war Berlitz krank, sodass er dessen Unterricht übernehmen musste. Zur damaligen Zeit bestand ein Großteil der Arbeit darin, in die Sprache der Studenten zu übersetzen. Da Joly jedoch kein Englisch sprach, sagte Berlitz ihm, er solle es versuchen, indem er auf Gegenstände im Klassenzimmer zeigt, sie benennt und beschreibt. Anschließend solle er Verben so gut er kann vormachen, woraufhin die Studenten diese wiederholen und einfache Fragen beantworten sollten.

Als Berlitz nach einigen Wochen zurück zur Arbeit kam, stellte er fest, dass die Studenten ein viel höheres Leistungsniveau als mit der alten Unterrichtsmethode erreicht hatten. Nach dieser Erkenntnis baute Berlitz das Konzept weiter aus, entwickelte eine Reihe an Materialien, die darauf beruhten und schuf schließlich eine Organisation, die diesen neuen Ansatz vermittelte. Die direkte Methode war geboren!

Die erste Schule in Österreich wurde 1897 in der Rothenthurmstraße 118 eröffnet und von Anger Cortijo Cadorniga geleitet.

1898 ernannte Berlitz dann einen Mann namens Villa zum Konzessionär (Franchise-Nehmer) für Österreich, Ungarn, Italien und die Schweiz.

Das Flaggschiff unter den Berlitz-Schulen, die Sprachschule am Graben wurde 1906 eröffnet. Mit über 25 Sprachschulen war Österreich für Berlitz eines der erfolgreichsten Länder Europas. 1908 wurde das Management für Wien Herrn und Frau Mühlhoff anvertraut, die sich damit um fast 20 Schulen kümmerten.

Wie man an einem vom 15. Februar datierenden alten Briefkopf von Berlitz Innsbruck erkennt, verwaltete Berlitz Österreich-Ungarn folgende Schulen:

Wien I, Graben 13 – Budapest, Erzsébet Körut 15 – Budweis, Parkstrasse 21 – Innsbruck, Templstrasse 2b – Linz a. D., Schmidtorstrasse 2 – Salzburg, Vierthalerstrasse 4 – – Bielitz, Hauptstrasse 1 – Fiume via Ciotta – Graz, Frauenstrasse 7 – Lemberg, Ul, Trzeciego Maja L, 2 – Pola, Clivo S. Stefano I , Prag, Brentegasse – Triest, Via San Nicolo. Zu den weiteren Sprachschulen unter Wiener Leitung gehörten: Agram, Brünn (Brno), Kralovy Vary, Kaschau, Krakau, Märisch-Ostrau, Olmütz, Steyr, Ternesvar, Teschen und Troppau.

Wer war zu Beginn die Zielgruppe ?

1878 blühte die Wirtschaft der Vereinigten Staaten wieder auf. Baumwoll-, Woll- und Schmuckfabriken boomten. Berlitz erkannte, dass sich seine Methode am positivsten auf die Entwicklung seiner Firma auswirken würde, wenn er als Unternehmenssprecher agierte. Anfangs bestand die Zielgruppe aus wohlhabenden Geschäftsleuten und einigen Einwanderern, die Englisch lernen mussten, um sich besser einzufügen und an der wachsenden Wirtschaft teilzunehmen.

1890 reiste Maximilian Berlitz dann nach Europa, um Berühmtheiten wie Königen, dem Zar sowie dem Kaiser Englischunterricht zu erteilen. Am wichtigsten war Berlitz jedoch, dass seine Methode bekannt wurde.

Welche inhaltlichen Schwerpunkte hatten Priorität?

Aufgrund der erfolgreichen Entwicklung der Berlitz-Schulen in den USA beschloss Berlitz, für Schulen in Europa Lizenzen zu vergeben, statt die kompletten Eigentumsrechte zu übernehmen. Er entwickelte den Markt außerhalb der USA, indem er über seine in Paris ansässige Europa-Vertretung, die 1907 geschaffene Dachgesellschaft Société Internationale des Ecoles Berlitz (SIEB), Lizenzen an Sprachschulen vergab.

Durch diese Strategie war der Grundstein für das Wachstum in Europa und darüber hinaus gelegt. Zwischen 1900 und 1914 eröffnete Berlitz über 100 Sprachschulen. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs bestanden weltweit über 200 Berlitz-Schulen.

Wie stand es generell um Personalentwicklung um 1900?

Wie bereits erwähnt hatte Berlitz neben den unternehmenseigenen Sprachschulen ein Netzwerk an Lizenznehmern und Konzessionären aufgebaut. Die Konzessionäre (Franchise-Nehmer) trugen selbst die Verantwortung für ihre Lehrer und Personalmitglieder, die auf freiberuflicher Basis und/oder als Vollzeitkräfte angestellt waren.

Ende des 19. Jahrhunderts umfasste die Arbeitswoche für Lehrkräfte in Vollzeit 42 Stunden, wobei der Unterrichtstag um 8 Uhr begann und um 22 Uhr endete. Eine unbezahlte Urlaubszeit von zwei Wochen war dabei verpflichtend.

Anzumerken ist auch, dass Berlitz nicht zwischen Mann und Frau unterschied. Die Gleichstellung von Mann und Frau ist bei Berlitz bereits seit vielen Jahrzehnten gegeben.

Wie war der allgemeine Bildungsstand  der Zielgruppe?

Wir verfügen über zahlreiche Briefe und Referenzschreiben, aus denen hervorgeht, dass der Großteil derer, die vor dem Ersten Weltkrieg sowie in der Zwischenkriegszeit bei Berlitz folgenden Kategorien zufielen:

  1. Eigentümer und Führungskräfte von Unternehmen, wohlhabende Geschäftsleute,
  2. Berühmtheiten (Königsfamilien, Zaren, Adlige, Minister),
  3. wohlhabende Damen, für die ab 1900 eigene Gruppenkurse und Unterrichtszeiten bis 18 Uhr angeboten wurden,
  4. führende Politiker,
  5. wohlhabende Reisende.

Welche Unternehmen legten Wert auf Personalentwicklung, wer zählte zu Berlitz Kunden in Österreich ?

Zwischen 1878 und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs machte der private Verbrauchermarkt den größten Anteil der Kunden aus. Einige Import- und Exportgesellschaften, Banken, Hotels sowie die Polizei für die 1900 abgehaltene Weltausstellung in Paris und die Weltausstellung von St. Louis in den USA investierten in Französischkurse für ihr Personal, da dies die Lingua franca war. Im Jahr 1910 lernten weltweit 39.000 Kursteilnehmer Französisch, 36.000 lernten Englisch und 14.000 Deutsch. Betrachtet man die Unterrichtseinheiten, entfielen 737.168 auf Französisch, 742.946 auf Englisch und 251.784 auf Deutsch.

Welche bekannten Namen zählten zu Berlitz Kunden?

  • Karl Habsburg-Lothringen, Sohn des Kronprinzen und Enkel des letzten Kaisers von Österreich
  • Baronesse Thyssen-Bornemisza de Kaszon
  • Paola Borghese, Malerin und Schriftstellerin (Französisch- und Englischunterricht bei Berlitz Wien)
  • Helmuth A. Gansterer, Journalist und Essayist
  • Bekannter Lehrer, der unter österreichischer Leitung in Pula und Triest unterrichtete: James Joyce

2 Fundstücke

Briefkopf von Berlitz Wien aus dem Jahr 1922

HRweb

Anzeige in einer Amerikanischen Zeitung (Washington) aus dem Jahr 1953

HRweb

Foto-Quelle: Berlitz


Interview-Partner „Berlitz: Happy 140th Birthday! | Ein Interview über Personalentwicklung um 1900“

Constant Reinders ist bereits in Pension und war lange Jahre als Area Manager Central and West Europe für Berlitz tätig.

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