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Wissensmanagement & Wissenstransfer | Storytelling im Unternehmen

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Inhalt

„Der Fortschritt lebt vom Austausch des Wissens“ (Albert Einstein): Wie durch Storytelling Wissen im Unternehmen sichtbar gemacht werden kann. # Wissensmanagement & Wissenstransfer

Autorinnen: Joanna Sell, Dr. Barbara Covarrubias Venegas

Die Entwicklung weg von einer Industrie- und hin zu einer Wissensgesellschaft seit den 1950er Jahren, hebt die Bedeutung von Information und Wissen als den wichtigsten Produktionsfaktor für Unternehmen. Explizites Wissen ist formulier- und reproduzierbar, während implizites Wissen gekoppelt an Erfahrungen, verknüpft mit Handlungen und abhängig vom Kontext ist.

Dieser Artikel beschreibt, wie Storytelling für den Wissenstransfer eingesetzt werden kann und v.a. warum es in diesem Kontext eingesetzt werden sollte!

Warum funktioniert Wissensmanagement in Unternehmen oft nicht so, wie es sich das Unternehmen erhofft?

Weil es sich um ein sogenanntes soziales Dilemma handelt, in dem der übergeordnete Nutzen und die individuellen Ziele kollidieren. Das Dilemma entsteht dadurch, dass die Wissens- und Informationsdokumentation immer ein Zeit- und Energieaufwand ist. Einmal abgelegt steht es aber Vielen zur Verfügung. Damit entsteht der Nutzen immer für den Wissen-Abrufenden, der Aufwand immer für den Wissen-Dokumentierenden. Solange andere Wissen dokumentieren und ich es nur abrufe ist es für mich selber daher immer zeit- und energieökonomischer mein Wissen nicht zu dokumentieren und nur das Wissen anderer zu nutzen. Es entsteht somit eine Art von Egoismus. Verhalten sich alle effizient entsteht kein Wissensaustausch.

Besonderheiten des Wissenstransfers im 21. Jahrhundert

Die neue Entwicklung des Wissenstransfers im Alter der Globalisierung und Digitalisierung ist mit der Erkenntnis verbunden, dass der Flow der Informationen und Erfahrungen nicht nur „top-down“ sondern auch „bottom-up“ stattfinden soll. Immer mehr Unternehmen entdecken für sich das sogenannte „Reverse Mentoring“, bei dem die älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von dem Erfahrungswissen jüngerer Kolleginnen und Kollegen profitieren. Die „Digital Natives“ können dabei mit ihrem Vorsprung aus dem IT-Bereich punkten. Alters-und Hierarchieunterschiede werden in so einem Rollentausch positiv genutzt. Der Wissenstransfer im Dialog erfolgt ebenso im interkulturellen Kontext. Das Leben und Arbeiten in mehreren Kulturen besteht aus Herausforderungen und Chancen, die nicht immer auf den ersten Blick sichtbar sind. „Das Ausbalancieren unterschiedlicher, nicht selten, widersprüchlicher Werte führt zum Distress, weil die Kulturen, die auf einer Seite als Orientierungssysteme dienen und zur Konstruktion kultureller Identität und des Zugehörigkeitsgefühls führen, auf der anderen Seite –  Grenzen setzen“ (Sell, 2017).

In solchen Fällen ist der Austausch von Geschichten ein wahrer Augenöffner. Mitarbeiter aus unterschiedlichen Kulturen können durch Storytelling zu mehr Verständnis für unterschiedliche Arbeits- und Kommunikationsstile beitragen und selbst von den Kollegen aus unterschiedlichen Kulturen das Wissen erwerben, wie unterschiedliche Situationen in unbekannten Kulturräumen interpretiert werden können.

Kein Wunder, dass die Methoden des narrativen Wissensmanagements zum größten Teil während der Jahrhundertwende entstanden, als es klar wurde, dass die zunehmende Komplexität der Ära der Globalisierung und Digitalisierung dank der narrativen Herangehensweise reduziert werden kann.

Wie kann Storytelling im Kontext von Wissenstransfer eingesetzt werden?

Grundhaltung

Beim Einsatz von Storytelling im Unternehmenskontext geht es weniger um Methoden und viel mehr um eine Grundhaltung, die, anlehnend an das Buchkapitel von Christine Erlach (2017) folgend zu beschreiben ist:

  • Das Sammeln von Erfahrungen durch den Interviewer erfolgt durch wertschätzendes Zuhören. Im Zentrum des Prozesses befindet sich die Erzählung des Mitarbeiters und nicht die vorbereiteten Fragen des Interviewers. Das von Fritz Schütze entwickelte narrative Interview wird deswegen häufig eingesetzt. Der Erzählfluss wird hier möglichst selten unterbrochen. Zudem werden systemische Fragen sowie Visualisierungsmethoden eingesetzt.
  • Die Multiperspektivität wird zugelassen, denn „jede Stimme zählt“. Storytelling ist per se subjektiv und erst die Reflexion und das Aufzeigen ähnlicher sowie konträrer Erfahrungen unterschiedlicher Mitarbeiter werden unter die Lupe genommen, um die Analyse durchzuführen. Die Multiperspektivität betont zudem die kulturelle Vielfalt der Mitarbeiter und ist die Grundlage des Storytellingprozesses in multikulturellen Kooperationen.
  • Das Einbeziehen des Kontexts spielt hier eine große Rolle, weil nicht nur Fakten sondern auch das „bigger picture“ mit Berücksichtigung von Emotionen miteinbezogen wird.
  • Die Dokumentation reicht nicht aus. Viel wichtiger ist „das Reflektieren wichtiger Ereignisse und das Verhalten von Management und Mitarbeitern in diesen kritischen Situationen“.

Zudem ist die Geschichte des Unternehmens, von großer Bedeutung. Jedes Joint-Venture, Merger, Outsourcing, etc. hinterlassen Spuren und so ist es entscheidend für den Wissenstransfer zu wissen, wann, wo und unter welchen Umständen wichtige Veränderungen in der Vergangenheit stattgefunden hatten. Nur mit gezieltem Nachfragen nach den Ursprüngen kann man die „Gefahr einer einzelnen Story“ vermeiden (Mehr zum Thema Macht der Stories im TED Talk von Chimamanda Ngozi Adichie).

Subjektivität

Im ersten Schritt jeder Wissenserhebung mit Storytelling spielt die Subjektivität eine große Rolle. Diese Subjektivität kann mit „3xE“ (Tripple E) untersucht werden:

  • Event – die Beschreibung eines Ereignisses mit der Konzentration auf Fakten
  • Experiences – die Ereignisse werden aufgrund von individuellen Erfahrungen interpretiert. Die eigene Perspektive des Erzählers spielt dabei eine wichtige Rolle.
  • Emotionen – die Ereignisse werden auf eine individuelle Art und Weise erlebt und emotional weitergegeben.

Erst im weiteren Prozess wird das „kollektive Wissen“ unter die Lupe genommen, reflektiert und analysiert.

Narrative Methoden

Zu den wichtigsten narrativen Methoden, die im Wissenstransfer eingesetzt werden können, zählen unter anderem:

  • Springboard Stories von Steve Denning, die er in den frühen 90ern bei der Weltbank eingesetzt hatte. Seine Idee wurde zum ersten Mal in dem Buch „The Springboard: How Storytelling Ignites Action in Knowledge-Era Organizations“ 2000 veröffentlicht.
  • Story Construction von Snowden (2001), dessen Ziel ist die Kommunikation entweder einer Vision oder Mission Statements, die aufgrund von Disruption (Konstruktion der fiktiven Geschichten auf Basis von Story-Fragmenten) entstanden sind.
  • Appreciative Inquiry von zur Bonsen & Maleh (2000). In dieser Methode geht es nicht um die Konstruktion der Geschichten, sondern um die Ermutigung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, ihre positiven Erfahrungen zu teilen.
  • Learning Histories, das Ende der 1990er Jahre von Kleiner und Roth, den Wissenschaftlern des MITs (Massachusetts Institut of Technology) entwickelt und als Erfahrungsgeschichten von Karin Thier im deutschsprachigen Raum popularisiert wurde. Diese Methode unterscheidet sich von den bereits beschriebenen Ansätzen, insbesondere von Appreciative Inquiry, indem anhand von systemischen Fragen negative Erfahrungen ans Tageslicht kommen. Zudem werden die Ergebnisse der Interviews in Form von einem Buch präsentiert. So erfolgt eine gemeinsame Sinnkonstruktion.

Erfahrungsgeschichte

Bei der Erfahrungsgeschichten-Methode erfolgt der Prozess in mehreren Schritten. In erster Phase liegt der Fokus auf die Planung des Prozesses sowie die Durchführung der Interviews (10 bis 200 Teilnehmenden, je nach Größe des Projektes). Kleiner und Roth empfehlen dabei die Verwendung einer Zeitachse bei den Interviews. Alternativ können Problemfelder und diese Ereignisse ausgewählt werden, die man besser verstehen möchte. Solche Schwerpunkte werden in der Planungsphase festgelegt. Nach der Durchführung der Interviews werden die wichtigsten Aussagen extrahiert. Aus der Reihe der Kurzgeschichten entsteht eine große Story – die Phase des Schreibens ist somit zeitintensiv.

Diese Erfahrungsgeschichte wird wiederrum den Beteiligten zur Validierung vorgelegt und als Grundlage für Gruppengespräche in organisierten Workshops verwendet. Der Transfer der Stories als Canvas für Diskussionen über Veränderungen wird allerdings nicht nur in den Workshops genutzt. Ziel ist es, die Erkenntnisse in das Leben der lebenslang lernenden Organisation einfließen zu lassen, damit das implizite Wissen ein wichtiger Teil des Wissenstransfers wird. Auf diese Art und Weise wird nicht nur Wissensmanagement, sondern auch Beziehungsmanagement zu einer wichtigen Aufgabe im Unternehmen.


Storytelling, Wissenstransfer, WissensmanagementCo-Autorin zu Wissensmanagement

Joanna Sell, Geschäftsführerin von Intercultural Compass, www.interculturalcompass.com

Literatur und Leseempfehlung zu Wissensmanagement

  • Erlach, C. (2017). Wissenstransfer mit Geschichten in: Chlopczyk, J. Beyond Storytelling, Springer Gabler, Berlin, 275-302.
  • Kleiner, A. & Roth, G. (1998): Story Telling zur Konstruktion von Erfahrungsgeschichten: Wie sich Erfahrungen in der Firma besser nutzen lassen. Harvard Business Manager, 5, 9-15.
  • Reinmann-Rothmeier, G.; Erlach, Chr.; Neubauer, A. (2000): Erfahrungsgeschichten durch Story Telling – eine multifunktionale Wissensmanagement-Methode. Research Report Nr. 127 der Ludwig-Maximilians Universität München.
  • Sell, J. (2017). Storytelling for Intercultural Understanding and Intercultural Sensitivity Development in: Chlopczyk, J. Beyond Storytelling, Springer Gabler, Berlin, 223-250.

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