Experten-Interview
Für unser Experten-Interview konstruieren wir ein Unternehmen, in dem internationale Beziehungen in unterschiedlichen Komplexitätsgraden gelebt wird: von der Führungskraft (die häufig in CEE vor Ort ist), den Teams rundherum (die nie in CEE sind doch häufig Kontakt haben) und jenen, deren Tätigkeit keinen internationalen Bezug hat.
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Ich frage meine Interview-Runde:
Wie sollte Interkulturelles Training / Coaching für die unterschiedlichen (⇓ untenstehenden) Zielgruppen konzipiert werden?
Ja, es ist mir klar, dass meine Experten hier mit sehr rudimentären Angaben arbeiten und sie üblicher Weise kein Konzept aus dem Ärmel schütteln, ohne klärendes Gespräch mit dem realen Unternehmen. Mir geht es hier nicht um ein Bis-ins-Detail durchdefinierte Konzept, sondern ich möchte ein Gefühl dafür bekommen, wie interkulturelle Kompetenz für unterschiedliche Zielgruppen generell angelegt werden soll/kann.
Zielgruppe A: 2 Führungskräfte, die häufig für den Vertrieb in CEE unterwegs sind
Dr. Iris Wangermann (Interkulturelles Training & Beratung): Interkulturelle Führungskräfte-Trainings beinhalten in der Regel Themen, wie kulturell unterschiedlicher Umgang mit Hierarchien, mit in-/direkter Kommunikation & Feedback, Kennenlernen, Ziele Kommunikation, Umgang mit Konflikten, Umgang mit Regeln und Zeit. Virtuelle interkulturelle Teamarbeit. Motivation und Aufbau von Vertrauen.
Petra Boteková (icunet.ag): Eine Führungskraft, die häufig für den Vertrieb in CEE unterwegs ist, muss vor allem wissen wie man Vertrauen aufbaut, um erfolgreich Geschäfte zu machen. Ein langer Small-Talk, persönlicher Zugang und Beziehungsaufbau sind besonders in mittel- und osteuropäischen Ländern von großer Bedeutung.
Dr. Karin Schreiner (Intercultural Know How – Training & Consulting): In einem interkulturellen Training, durch Entwicklung eines kulturellen Bewusstseins, Selbstreflexion der eigenen Wertehaltungen, Kenntnis von ethnozentristischer und ethnorelativistischer Haltung, umfassende Informationsvermittlung zu den CEE Ländern, Vermittlung der kulturellen Werte und Traditionen, Fallstudien aus dem beruflichen Kontext, fundierte Hintergrundinformationen zu Geschichte, Sozialgeschichte, kulturelle Traditionen.
Zielgruppe B: das 9köpfige Team rund um diese 2 Führungskräfte, die nie vor Ort in CEE sind, doch telefonisch und per Email häufig in Kundenkontakt stehen
Petra Boteková (icunet.ag): Für das Team ist es besonders wichtig, effizient auf virtuelle Weise kommunizieren zu können. Dies ist besonders in beziehungsorientierten Kulturen nicht einfach. Keine Rückmeldung auf Emails darf einen nicht überraschen. Man muss hingegen oft telefonisch Kontakt aufnehmen oder idealerweise die Möglichkeit einer Videokonferenz nutzen.
Dr. Karin Schreiner (Intercultural Know How – Training & Consulting): In einem interkulturellen Training, durch relevante Fallbeispiele, durch Aufzeigen von unterschiedlichen Kommunikationsstilen und Ritualen der Höflichkeit und Email-Korrespondenz, durch Entwicklung eines kulturellen Bewusstseins, durch Durchspielen von Telefonaten mit den Kunden in den CEE Ländern, Üben von high-context Kommunikation und Beziehungsorientierter Sprache
Dr. Iris Wangermann (Interkulturelles Training & Beratung): Gängige Themen sind: Kulturelle Unterschiede in: In-/direkter Kommunikation und Feedback. E-Mailing & Telefonieren. Virtuelle, internationale Zusammenarbeit. Vertrauen. Umgang mit Hierarchien. Umgang mit Regeln & Zeit.
Zielgruppe C: die Nachbar-Abteilung, die ausschließlich interne Tätigkeiten verrichtet und nie Kundenkontakt hat
Dr. Iris Wangermann (Interkulturelles Training & Beratung): Auch wenn kein direkter Kundenkontakt besteht, ist es wichtig, die anderen Abteilungen zu informieren. Als Teil des Systems sind sie immer mitbetroffen, wenn es interkulturelle Herausforderungen gibt. Wenn etwas – verstehen und dass eine Lösung vermutlich etwas mehr Zeit braucht. Sonst werden kleinere Probleme ganz schnell eskalieren.
Dr. Karin Schreiner (Intercultural Know How – Training & Consulting): In einem interkulturellen Training, Entwicklung eines kulturellen Bewusstseins, Aufzeigen von Gemeinsamkeiten und Unterschiede der betroffenen Kulturen
Petra Boteková (icunet.ag): Ein allgemeines Verständnis des Einflusses von Kultur auf unser Denken und Handeln wird auch dann gefragt sein, wenn man mit Kollegen aus dem Ausland kommuniziert. Je einfacher einem die Reflexion der eigenen Kultur fällt, desto niedriger ist die Wahrscheinlichkeit eines Missverständnisses, das sich negativ auf die Qualität der Arbeit auswirken kann.
Weshalb gibt es in der internationalen Teamarbeit so häufig Probleme?
Dr. Iris Wangermann (Interkulturelles Training & Beratung): Es gibt mittlerweile zahlreiche Studien darüber, dass internationale Teams entweder viel bessere, oder viel schlechtere Leistungen bringen als mono-kulturelle Teams. Jene Teams die schlechtere Leitung bringen, mangelt es an den interkulturellen Kompetenzen. Außerdem nehmen Sie sich keine Zeit, sich zu Beginn gründlich kennen zu lernen. Sie haben die Haltung „am Ende des Tages sind wir doch alle gleich.“ Was ja auch stimmt. Allerdings sind wir auch kulturell unterschiedlich. Sie haben in der Regel auch keine interkulturell angemessen Ziele-Kommunikation und die Haltung „immer muss ich mich anpassen“.
Vier fundamentale Voraussetzungen für international erfolgreiche Teams sind:
1. Sich Zeit nehmen für ein Kick-Off Metting: Von Beginn an, die bewusste Auseinandersetzung mit kulturellen und Persönlichkeitsunterschieden
2. Klare Ziele Kommunikation und kultursensible Feedbackkultur
3. Inkusives, immer zielgerichtetes Arbeiten mit den Stärken der unterschiedlichen Sichtweisen.
4. Interkulturelle Kompetenzentwicklung in den Bereichen: Ambiguitätstoleranz, Sicherheit im Umgang mit mir selbst, Umgang mit unterschiedlichen Wahrnehmungen und empathische Kommunikation.
Wann ist ein interkulturelles Training erfolgreich verlaufen? Worauf sollte besonders geachtet werden?
Dr. Karin Schreiner (Intercultural Know How – Training & Consulting): Wenn die Teilnehmenden einen neuen – den interkulturellen – Blickwinkel entwickelt haben. Wenn Sie gelernt haben, Verhaltensweisen oder Interaktionsformen aus mehreren Perspektiven zu betrachten und nach den Hintergründen zu fragen. Wenn Sie erkannt haben, dass agieren und nicht reagieren wichtig ist und man dadurch Neugierde und Interesse zeigen kann. Wenn mir ein Teilnehmer sagt: „Jetzt kann ich jenes Erlebnis aus einer ganz anderen Perspektive sehen! Ich arbeite schon so lange in diesem Land, und jetzt erst verstehe ich die Verhaltensweisen dort! Danke dass Sie mir die Augen geöffnet haben!“
Dr. Alma Sehic (Fachhochschule des BFI Wien): Wir wissen aus der Forschung, dass eine optimale Entwicklung interkultureller Kompetenz das aktive Tun (zB im interkulturellen Team) aber auch eine Begleitung im Rahmen von Trainings/Coaching mit erfahrenen Trainern sowie Reflexion erfordert. Daher ist es sinnvoll besonders sorgsam bei der Wahl von Trainern und bei der Gestaltung von Trainingsform, -inhalt und -timing vorzugehen. Im Besonderen würde ich auf folgende Aspekte achten:
- Erfahrung – Trainer mit relevanter interkultureller und didaktischer Erfahrung wählen.
- Sich Zeit nehmen – Um möglichst effektiv zu sein gilt es Bedürfnisse intern und mit Trainern gemeinsam zu eruieren.
- Trainingsform – Trainings mit Reflexionsphasen und erfahrungsbasierten Elementen gestalten.
- Timing – Je nach Situation ist es sinnvoll Trainingseinheiten, die das Tun vorbereiten und jene, die das Tun begleiten zu kombinieren.
Die Gesprächspartner
Interkulturelle Kompetenz | Das richtige Coaching für 3 Zielgruppen
Petra Boteková, MA ICUnet.AG Dr. Karin Schreiner Intercultural Know How – Training & Consulting Dr. Alma Sehic Fachhochschule des BFI Wien Dr. Iris Wangermann Dr. Iris Wangermann | Interkulturelles Training & Beratung |
Interkulturelle Kompetenz | Richtiges Coaching für 3 Zielgruppen