Es ist Herbst. Und Herbst ist in vielen Unternehmen „Mitarbeiterbefragungszeit“. Dabei scheiden sich rund um das Thema Mitarbeiterbefragung inzwischen oft die Geister: Die einen sind klare Befürworter, die anderen zweifeln den Nutzwert entschieden an. Und das obwohl partizipative Mitarbeiterführung eigentlich dem Zeitgeist entspricht. Was ist passiert?
Mitarbeiterbefragungen sind nicht neu, ja sie zählen seit gut 20-30 Jahren zu klassischen Instrumenten der Personalarbeit. Inzwischen zeigen sich aber gewisse Abnutzungserscheinungen rund um das Thema. Es gibt neben klaren Befürwortern auch eine steigende Anzahl an entschiedenen Gegnern, die den Nutzwerkt einer Mitarbeiterbefragung in Frage stellen. Man spricht vom „hohen Aufwand“, von „wenig Handlungswirkung“ und „Daten ohne Aussagekraft“.
Von schlechter Praxis ramponiert
Also wenn Sie mich fragen könnte man die Diskussion damit vergleichen, dass das Werkzeug „Hammer“ beschuldigt wird ständig schief eingeschlagene Nägel zu produzieren. Und deswegen sollte man mit dem Hämmern ganz aufhören. Wie bitte?
Als jemand der seit über 18 Jahren Mitarbeiterbefragungen konzipiert und durchführt möchte ich dem entschieden entgegen treten. „Hört auf euch über schief eingeschlagene Nägel zu beklagen. Lernt einfach richtig zu Hämmern!“ Und wenn der Hammer das falsche Werkzeug ist, benutzt ein anderes.
Aus meiner Sicht hat vielfach schlechte Praxis das gute Instrument Mitarbeiterbefragung ramponiert. DIe Hauptursachen aus meiner Sicht:
- Zu viel Analytik, zu wenig Handlungsorientierung
Vielfach werden Mitarbeiterbefragungen als reines Forschungsinstrument gesehem. Das sind sie aber nicht. Mitarbeiterbefragungen sind Instrumente der Organisationsentwicklung und müssen auch als solche behandelt werden. Es gilt nicht ein Maximum an komplexer Auswertung einzuführen (bspw. hoch-verrechnete Indices, Treiberanalysen, multivariate Modelle) sondern das Gesamtkonzept möglichst handlungsorientiert zu gestalten. Denn in der Praxis müssen Ergebnisse v.a. leicht verständlich und unmittelbar handlungsleitend sein. - Stiefkind „Aufarbeitungsprozess“
Insbesondere bleibt die Planung und Umsetzung des Aufarbeitungsprozesses gegenüber dem Erhebungs- und Auswertungsprozesses in den meisten Fällen weit zurück. Unternehmen zahlen gerne zusätzliche Euros für (oft veraltete) Benchmarkwerte, aber sparen (am falschen Ort) wenn es darum geht mit Abteilungen und Führungskräften in die konkrete Aktion zu gehen. Statt auch den Aufarbeitungsprozess vor der Befragung strategisch zu planen wartet man die Ergebnisse einfach mal ab um dann zu schauen, wie man weiter vorgeht. Das ist so als ob man sich weigert die Weihnachtsfeier zu planen, nur weil man nicht weiß was es als Geschenk geben wird. - Führungskräfte als Randfiguren, nicht als Spielmacher
Führungskräfte werden vielfach nur zu Passagieren der Mitarbeiterbefragung. Im Vorfeld werden diese wenig einbezogen oder gar qualifiziert. Im Nachgang sind die Ergebnisse und deren Bearbeitung dennoch schnell „Führungsverantwortung“. Die Bearbeitung der Ergebnisse wird simplifiziert und unterschätzt. An Ressourcen oder direkter Unterstützung mangelt es. Schade! Denn damit verliert man auch viele Führungskräfte als echte Mitgestalter. - Frequenz erhöhen als trügerischer Hofnungsschimmer
Und dann gibt es da noch den trügerischen Hoffnungsschimmer „Puls-Befragung“. Statt großer Mitarbeiterbefragungen messen wir einfach häufiger, aber kleiner. Die trügerische Hoffnung ist, dass kleiner + häuiger auch zu einer intensiveren Bearbeitung führt. Diese Erwartung wird aber oft nicht erfüllt und man erkennt, dass nur die Messfrequenz gesteigert wurde, nicht aber die Umsetzungskompetenz.
Handlungsorientierte Mitarbeiterbefragungen
Mein Plädojer an alle die Mitarbeiterbefragungen beauftragen, planen oder durchführen: Vergesst Begriffe wie „strategische Mitarbeiterbefragung“ und ersetzt diese durch „handlungsorientierte Mitarbeiterbefragung“. Hinterfragt aktiv was euch „globale Benchmarknormen“ oder komplexe Indices wirklich an Mehrwert stiften. Vereinfacht lieber eure Mitarbeiterbefragungen bis sie jeder Mann und jede Frau in eurer Organisation versteht. Und investiert lieber die Mehrheit des Projektbudgets in die Aufarbeitung der Ergebnisse, anstatt die Erhebung noch komplexer zu gestalten.
Schlag eure Nägel gerade(r) ein! Aber gebt nicht dem Hammer die Schuld.
Mitarbeiterbefragung | Von schlechter Praxis ramponiert?