Ist New Work in Österreich bereits angekommen? Ich mache schnell ein Experten-Interview zu dieser Frage und erhalte erstaunlich divergierende Antworten: sie reichen von „klar ja“ bis zu „nein, keineswegs“. Lesen Sie selbst:
Experten-Interview
Meine Gesprächspartner finde ich im Projekt-Management-Umfeld. Im ersten Interview hier fokussiere ich New Work allgemein, um mir ein Bild über die aktuelle Situation zu machen. Ich werde diese Interview-Runde Anfang dez2018 nochmal einladen, um sie konkret zu New Work in Verbindung mit Projekt-Management zu befragen.
In wie fern ist Ihrer Meinung nach New Work in Österreich bereits angekommen?
Mag. Lorenz Gareis (Roland Gareis Consulting): New Work hat mit Sicherheit als Trending Topic Einzug in österreichische Unternehmen gehalten. In unserer Beobachtung wird New Work allerdings noch nicht ganzheitlich wahrgenommen und diskutiert. Unter einer ganzheitlichen Betrachtung verstehen wir die Betrachtung aller relevanten Dimensionen, wie zum Beispiel der Dienstleistungen & Produkte, der Aufbauorganisation, der Ablauforganisation, Kultur, der Personalsituation, der Infrastruktur etc. Meist werden einzelne Teilaspekte, wie zum Beispiel die notwendige (Büro-)Infrastruktur oder ausgewählte Arbeitsformen (agile Methoden wie z.B. Scrum), aufgegriffen und mit hohem Engagement umgesetzt – ohne dabei den relevanten Kontext ausreichend zu berücksichtigen. … und dann ist die Enttäuschung groß, wenn sich der erwartete kulturelle Wandel nicht einstellt.
Mag. (FH) Gerda Hechinger (mein weg): Leider noch nicht so, wie es sinnvoll wäre. Seit November 2017 führe ich mit unterschiedlichen Firmen Gespräche zu deren HR-Herausforderungen und meinem potentiellen Zutun in Form von Fix-Mitarbeit/Projekt/Beratung/Interimsmanagement. und da bemerkte ich viele Aspekte, die leider noch sehr veraltet sind. Bsp.: „wir sind ein sehr modernes Unternehmen und wollen in unserer entlegenen Organisation junge Akademiker rekrutieren – aber nein, Homeoffice und flexible Zeitenteilung ist bei uns nicht etabliert und dort wollen wir auch kein Augenmerk setzen …“ so viel zum Widerspruch….
Anna-Maria Muck (next level consulting Österreich): Auch wenn noch nicht alle Firmen Konzepte wie Mobile Working oder Job Sharing haben, sind die Prinzipien von New Work in Österreich angekommen, da es der Markt fordert. In der heutigen Zeit, ist ein rasches und flexibles Reagieren auf die Veränderungen des Marktes unumgänglich für erfolgreiche Unternehmen. Wer das als Unternehmen noch nicht verstanden hat, wird es schwerer in der Zukunft haben, auch weiterhin zu bestehen. Denn dazu braucht es die Beidhändigkeit (ambidextrious), um sowohl das Kerngeschäft zu bedienen, als auch neue Innovationen zuzulassen.
Ein anderes Beispiel dafür, warum New Work bereits in Österreich angekommen ist, ist die Einstellung der jungen Generation. Arbeit ist nicht mehr nur zum Geld verdienen da, sondern muss sinnstiftend sein, flexibel für die Anforderungen der jungen Menschen und eine gesunde Work-Life Balance bereits beinhalten. Im Zuge des immer stärker werdenden Fachkräftemangels müssen sich Unternehmen diesen Anforderungen anpassen, um attraktiv für Mitarbeiter zu sein.
Eduard Klein (frontline consulting group): Nach unserer Einschätzung ist New Work eine Zukunftsvision, die in Österreich noch nicht angekommen ist. Die meisten Unternehmen halten noch an der Gleitzeit mit Kernzeit fest. Flexible Modelle gibt es nur vereinzelt für bestimmte Personen. Feste Zeiten und Präsenz sind die Regel, besonders in mittleren und großen Unternehmen, die starre Arbeitskulturen haben. Bei Führungskräften gilt immer noch das Credo „immer erreichbar“. Egal ob Urlaub oder Freizeit, wichtige Aufgaben müssen auch in der Freizeit erledigt werden. Der Termindruck ist immens. Homeoffice und mobiles Arbeiten sind nur für vereinzelte, meist hochqualifizierte Personen möglich, es dominiert weiterhin die Präsenzkultur.
Markus Feistritzer (VOON-Management): „New Work“ ist auf langsamen Vormarsch in Österreich, abhängig von mehreren Faktoren. Denn New Work ist ein sehr weitläufiger Begriff, der viele verschiedene Entwicklungen und neue Herausforderungen miteinbezieht. Dazu muss man sich zunächst die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerstruktur in Österreich ansehen. Wir haben viele traditionelle Unternehmen – Familienunternehmen, wo der Herr Senior noch ein und aus geht und noch maßgeblichen Einfluss auf neue Entwicklungen nimmt bzw. den Riegel dafür vorschiebt. Hier steckt auch klar ein demografischer Faktor dahinter: viele Arbeitnehmer, gerade welche schon seit Jahrzehnten den gleichen Job im gleichen Umfeld ausüben, bringt die Veränderung durch New Work oftmals alles andere als Freude. Von dem her ist es auch nicht für jedes Unternehmen zugleich förderlich auf die verschiedenen Trends aus New Work aufzuspringen. Auch die Branche spielt eine zentrale Rolle. Grundsätzlich nehmen in Österreich die Start-ups zu. Innovative neue Firmen, mit junger Belegschaft schaffen von sich aus jegliche Rahmenbedingungen für New Work. Andere größere Unternehmen werden teilweise durch den Fachkräftemangel mehr oder minder „gezwungen“ umzudenken und die Rahmenbedingungen der Arbeit zu ändern. Im „War for Talents“ brauchen Unternehmen eine ewig lange „Benefits“-Liste, um die zukünftigen Mitarbeiter zu „werben“.
Grundsätzlich ist die Entwicklung durch New Work nichts allgemein gültiges. Da Arbeitserbringung etwas Individuelles ist, hat auch jeder Arbeitnehmer andere Vorlieben in Bezug auf New Work.
Definition New Work
Wenn man von New Work spricht, wird im selben Atemzug oft Frithjof Bergmann genannt. Er gilt als Begründer des New-Work-Begriffs. Das bezieht sich nicht nur auf die Arbeitswelt an sich, sondern New Work bietet Freiräume für Kreativität und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit. Zentrale Begriffe sind daher Selbständigkeit, Freiheit und Teilhabe an Gemeinschaft.
Auszug aus Wikipedia: Der Psychologe Markus Väth hat eine Weiterentwicklung von Bergmanns Theorie formuliert. Basierend auf dessen Werk „Neue Arbeit, Neue Kultur“ skizziert Väth vier Säulen, auf denen eine erfolgreiche Verwirklichung von New Work in der Arbeitswelt der Zukunft ruht:
- Eine bewusste persönliche Lebensführung („Life Blending“) mit einer Neubewertung der Arbeit für das eigene Leben
- Ein systemisch orientiertes Kompetenzmodell arbeitsrelevanter Fertigkeiten, die den Anforderungen einer komplexen, dynamischen Arbeitswelt gerecht werden
- Ein Veränderungsmodell für Organisationen, das einen Paradigmenwechsel in Kultur und Organisation ermöglicht
- Eine intensive Debatte über die Rolle von Arbeit in der Gesellschaft und einen entsprechenden Auftrag der Politik („New Work Deal“)
Die Gesprächspartner
New Work | Ist es in Österreich bereits angekommen?
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