In der HRweb-Serie DNA Das Neue Arbeiten beschäftigen wir uns ausführlich mit Themen und Studien rund um die Veränderung in den Arbeitswelten – heute legen wir einen Fokus auf das Thema Leadership.
Ein Buch, welches vor Jahren für großen Wirbel gesorgt hat ist das Buch „Die Durchschnittsfalle: Gene – Talente – Chancen“ von Markus Hengstschläger, der postuliert, dass das Problem nicht in unseren Genen – sondern im Bildungssystem, liegt. Denn dieses nehme nur Maß am Durchschnitt, außergewöhnliche Stärken werden häufig nicht gefördert. Wir tendieren dazu, an unseren Schwächen zu arbeiten.
Interview
Wie nun der Leitsatz „Stärken stärken und Schwächen managen“ mit Neuen Arbeitswelten zusammenhängt, darüber geht es in diesem Interview mit Dr. Markus Ebner (Foto rechts). Es freut mich sehr, dass DER Positive Leadership Pionier in Österreich mit mir darüber gesprochen hat.
Los geht’s:
Markus, dein Buch „Positive Leadership” erschien ja Ende Februar bei Facultas (Link siehe unten), mich würde aber interessieren, wie du überhaupt zu dem Thema gekommen bist? Warum „Positive Leadership“ und nicht „Charismatic“ oder „Transformative“ oder „Servant“, es gibt ja doch einige bestehende Ansätze in der Literatur?
Markus Ebner: Wie viele Dinge im Leben war es überwiegend Zufall. Ich bekam vor rund 10 Jahren einen Forschungsauftrag von einem Konzern, bei dem der Auftraggeber wissen wollte, wie stark dieser damals noch sehr neue Führungsansatz in seinem Unternehmen verbreitet ist. Es gab damals schon erste Studien dazu und somit konnte ich an etwas anknüpfen. Letztendlich fand ich diesen Ansatz dann so spannend, dass ich mich immer mehr damit beschäftigt habe. Seit nun mehr als 5 Jahren widme ich meine Arbeit, meine Forschung und auch meine Lehre an der Universität überwiegend diesem Thema. Wie du weißt, arbeite ich ja einerseits viel in der Praxis als Trainer, Coach und Organisationsentwickler aber auch als Wissenschaftler im Bereich Wirtschaftspsychologie. Und diese Komponenten kann ich bei Positive Leadership optimal vereinen, da es ein Ansatz ist, der den Anspruch hat, einerseits auf wissenschaftlich belegte Forschung aufzubauen und andererseits in der Praxis umsetzbar zu sein. Besonders den wissenschaftlich fundierten Aspekt vermisse ich teilweise bei anderen Führungsmodellen. In der Medizin wäre es wahrscheinlich verpönt, wenn sich die ÄrztInnen in Diagnose und Therapie von den jeweils aktuellen und noch nicht fundierten aber gerade hippen Modellen leiten lassen würden. Im Bereich Führung ist dieser Anspruch an überprüfte Hypothesen allerdings sehr gering, was aus meiner Sicht ausgesprochen unethisch ist, weil es dabei um Menschen und deren Lebensgestaltung geht. Positive Leadership hat diesen Anspruch – und das finde ich sehr sympathisch.
Du weißt ja, dass ich mich sehr viel mit dem Thema Neue Arbeitswelten beschäftige und natürlich stellen flexible Strukturen mit vermehrter Partizipation und einer auch viel diskutierten Enthierarchisierung veränderte Anforderungen an Führungskräfte, welche es zu bewältigen gilt. Inwiefern siehst du Positive Leadership als einen Ansatz, welcher hierfür geeignet ist und warum?
Positive Leadership versteht sich per se als ein sehr individualistischer Ansatz. Gerade in den neuen Arbeitswelten geht es stark um eine Stärkung des Individuums – auch in Kombination mit der Übertragung von Verantwortung. Ein wesentliches Element von Positive Leadership ist ja das Erkennen, Entwickeln und Einsetzen der Stärken von MitarbeiterInnen als wesentliche Aufgabe einer Führungskraft. Das bedeutet daher auch, dass MitarbeiterInnen andere Stärken als ihre Führungskräfte haben und in diesem Bereich – bei entsprechender Förderung – auch besser sein dürfen als ihre Vorgesetzten. Das mündet zwangsläufig in einer Enhierarchisierung, weil die Aufgabe der Führungskraft gar nicht mehr das Anweisen oder Kontrollieren sein kann, sondern eine besondere Funktion einnimmt – nämlich mit einer optimalen Stärkenkombination im Team oder auch bei einzelnen MitarbeiterInnen Exzellenz zu ermöglichen. Wir können hier mittlerweile eindeutige Zusammenhänge zwischen Positive Leadership und Umsätzen, Krankenständen, Burn-Out-Gefährdung, Kreativität usw. wissenschaftlich fundiert belegen.
In einer sich schnell verändernden Umwelt geht es ja auch darum, dass wir eigenverantwortlicher in dezentralisierten Strukturen arbeiten, bzw. eben auch entscheiden – denn die Reaktionsgeschwindigkeit ist ein wesentlicher Punkt im heutigen Wettbewerb. Inwiefern besteht zwischen Eigenverantwortung oder vielleicht sogar Intrapreneurship und Positive Leadership ein Zusammenhang?
Die Frage ist insofern spannend, als dass mein eigentliches Forschungsgebiet „Intrapreneurship“ war. Ich habe darüber meine Doktorarbeit geschrieben. Positive Leadership setzt da eine Stufe vorher an, nämlich welche Führung es braucht, dass aus ArbeitnehmerInnen IntrapreneurInnen werden. Die Forschungsergebnisse dazu sind eindeutig: Je mehr Positive Leadership, desto mehr Engagement und motivierte Übernahme von Eigenverantwortung seitens der MitarbeiterInnen. Die Reaktionsgeschwindigkeit nimmt dadurch natürlich zu, wenn aus der vorgegebenen Aufgabe das eigene Projekt wird. Wichtig dabei ist allerdings, dass Führungskräfte diese Erfolge auch sichtbar bei den MitarbeiterInnen verankern und sich nicht an die vorderste Front stellen wenn es darum geht, die Ergebnisse zu präsentieren.
Mich würde aber natürlich auch interessieren, wie schaut´s denn so in Österreich aus? Wo sind die größten Knackpunkte?
Für Österreich haben wir in den letzten Jahren einige spannende Forschungsprojekte gemacht und auch größere Unternehmen, wie beispiesweise Lidl, bei der Implementierung von Positive Leadership begleitet. Einerseits haben wir in Österreich oft noch eine sehr traditionelle Sichtweise von Führung – auch bei jüngeren Führungskräften. Der Wunsch, anderen „vorgesetzt“ zu sein, und das als Karriere zu definieren, ist noch immer stark ausgeprägt. Hier braucht es ein Umdenken. Andererseits sehen wir an unseren Forschungsergebnissen, dass die Selbsteinschätzung von Führungskräften und die Einschätzung der dazugehörigen MitarbeiterInnen signifikant auseinanderklafft. Spannend dabei ist, dass die Einschätzung der Vorgesetzten dieser Führungskräfte sehr ähnlich ist mit deren Selbsteinschätzung – und somit falsch. Die Lösung dafür sind gute 360-Grad-Feedbacks, die nun auch im deutschsprachigen Raum immer mehr eingesetzt werden.
In Summe mache ich erfreulicherweise die Erfahrung, dass Positive Leadership und die dazugehörigen Führungsstrategien in der Praxis ausgesprochen positiv aufgenommen werden. Besonders auch von Führungskräften mit langer Führungserfahrung.
Herzlichen DANK für das Gespräch!
Das Buch
Markus Ebner (2019): Positive Leadership. Erfolgreich führen mit PERMA-Lead: die fünf Schlüssel zur High Performance, Facultas Verlag, ISBN 978-3708916866