Mobbing am Arbeitsplatz betrifft nicht nur den Einzelnen – die Gemobbten – sondern beeinflusst das gesamte Arbeitsklima, die Unternehmens-Kultur. Das heißt nicht, dass keine Konflikte stattfinden dürfen. Es geht um das gezielte Mobben.
Experten-Interview
Mobbing Definition:
Was ist Mobbing eigentlich? Geben Sie mir bitte eine Definition von Mobbing am Arbeitsplatz
Mag. Regina Nicham (IBG): Mobbingähnliche Phänomene sind wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selber. Überall dort wo Menschen zusammenkommen und zusammenarbeiten kann es zu Konflikten, Gruppenbildungen und Ausschluss von einzelnen Menschen kommen. Mobbing meint jedoch eine systematische Ausgrenzung von Menschen und stellt sowohl für die direkt Betroffenen wie für das gesamte Arbeitsumfeld eine massive Störung mit dramatischen Folgen dar.
Mobbing bezeichnet Verhaltensweisen, die sich gegen eine Person oder gegen mehrere Personen richten und über einen längeren Zeitraum hinweg vorkommen. Die betroffene Person kann sich immer weniger gegen die feindseligen Angriffe wehren und erlebt die Situation als zunehmend bedrückend und aussichtslos. Diese Verhaltensweisen haben das Ziel, Personen abzuwerten, zu kränken, zu demütigen und letztendlich aus der Gruppe/dem Team hinaus zu „ekeln“.
Mobbing Definition: Wichtige Kennzeichen von Mobbing am Arbeitsplatz sind die
- Zielgerichtetheit: Es trifft immer dieselbe Person bzw. dieselben Personen.
- Feindseligkeit: Die Verhaltensweisen sind negativ und werden von den Betroffenen auch als feindselig erlebt.
- Wiederholung und Dauer: Diese negativen Verhaltensweisen treten häufig und über einen längeren Zeitraum auf.
- Ausgrenzung/Entfernung: Mobbing zielt auf Ausgrenzung und/oder Entfernung der betroffenen Person ab.
Wichtig ist: Mobbing am Arbeitsplatz ist kein Kavaliersdelikt, kann krank machen und passiert nicht unbeabsichtigt und zufällig.
Aber Mobben ist NICHT…
- kein normaler Konflikt
- keine Meinungsverschiedenheit
- kein Streit oder Auseinandersetzung
- nicht manchmal ungerechte Kritik
- keine unliebsame Anweisung eines Vorgesetzten
- nicht hier und da schlechte Laune
- nicht zeitweises Hänseln oder Sticheln
Mag. Renate Strommer (ASO & WiLAk): die Mobbing Definition nach Christa Kolodej lautet „Mobbing ist eine Konflikteskalation am Arbeitsplatz, bei der das Kräfteverhältnis zu Ungunsten einer Partei verschoben ist. Diese Konfliktpartei ist systematisch feindseligen Angriffen ausgesetzt, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, häufig auftreten und zu maßgeblichen individuellen und betrieblichen Schädigungen führen können.“
Mobbing Handlungen wurden von Wolmerath/Esser (Aib 2000) in einem Katalog zusammengetragen und beziehen sich auf Angriffe auf die Möglichkeiten sich mitzuteilen, die sozialen Beziehungen, das soziale Ansehen und soziale Integration, die Qualität der Berufs- und Lebensinteressen, die Gesundheit, die Arbeitsleistung und das Leistungsvermögen, des Bestands des Beschäftigungsverhältnisses, Versagen von Hilfe.
Corinna Ladinig, MBA (CTC Academy): Immer wieder sprechen Coachees von „Mobbing“ – die Bandbreite und die Sichtweise ist sehr unterschiedlich. Manchmal wird dieser Begriff auch als synonym für „ich habe einen Konflikt mit“ oder „eine Kollegin mag mich nicht“ verwendet – wenn es sich tatsächlich um Mobbing handelt, dann verweise ich Coachees zur Mobbing-Beratungsstelle, die das entsprechende Know How in diesem Gebiet hat.
Mag. Ulrike Kriener (AUMAIER & Partner Coaching GmbH): Der Berufsverband österreichischer Psychologen definiert Mobbing wie folgt: „Unter „Mobbing“ versteht man: „Über längere Zeit andauernde gezielte Feindseligkeit in der Arbeitssituation durch Vorgesetzte, Kollegen oder unterstellte Mitarbeiter mit dem Ziel, die fachliche Qualifikation und die persönliche Integrität der davon Betroffenen herabzusetzen oder generell in Frage zu stellen.“
Hatten Sie in Ihrem Business-Coaching bereits mit Mobbing am Arbeitsplatz zu tun? Welche Erfahrungen haben Sie damit?
Mag. Renate Strommer (ASO & WiLAk): Mobbing ist ein spezieller Prozess von Konfliktaustragung mit spezifischen Dynamiken, der mit kontinuierlichen psychischen Verletzungen und in fortgeschrittener Entwicklung mit psychosomatischen Auswirkungen und Erkrankungen verbunden ist. Im fortgeschrittenen Fall meist meist ein Gehen des Betroffenen gewählt. Es ist allerdings ein Unterschied für den Betroffenen, ob er aus der Situation aus „Schwäche“ herausgeht oder aus einer inneren Stärke. Je frühzeitiger Unterstützung geholt wird, desto einfacher ist Deeskalation und Lösungsfindung möglich. Worum geht es wirklich? Die wirkungsvollste Intervention ist Präventionsarbeit von Führungskräften zum „Austrocknen des Nährbodens“ von Mobbing.
Mag. Ulrike Kriener (AUMAIER & Partner Coaching GmbH): Coaching kann bei Mobbing helfen. Der Coach sollte aber gleichzeitig Psychologe sein, um fundiertes Wissen über seelische Vorgänge zu haben, damit die richtigen Maßnahmen gesetzt werden können. Denn ein Mobbingopfer könnte bspw. bereits unter einer Depression oder unter einer anderen psychischen Erkrankung leiden. Je nach psychischer Erkrankung sind unterschiedliche Vorgehensweisen notwendig. Coaching kann unterstützen, Lösungen im Sinne von Auswegen aufzuzeigen und den Selbstwert zu stärken. Je früher Mobbing am Arbeitsplatz erkannt wird, umso besser kann der Betroffene unterstützt werden. Human Resources sollte die Führungskräfte gut darin schulen, Mobbing zu erkennen. Am besten gelingt dies auf einer Vertrauensbasis, in der Human Resources im Falle von Mobbing als Unterstützer erlebt wird, frei vom Vorwurf für die Führungskraft, unzureichende Führungsarbeit geleistet zu haben.
Welche noch?
Mag. Regina Nicham (IBG): Mobbing ist immer wieder Thema in Coachings und Beratungen und begegnet einem vielleicht öfters als gedacht. Wobei aus meiner Sicht die größte Schwierigkeit darin besteht, dass wir als Experten oft erst sehr bis manchmal fast zu spät heran- bzw. miteinbezogen werden, auch wenn es um das Thema Konflikte geht. Hier sind oft viel verbrannte Erde und ein großer Leidensdruck sowie schwere psychische Belastungssymptome und Veränderungen vorzufinden. Der rechtzeitige Einsatz von Coaching, Supervision, Mediation wäre eine wichtig Strategie hinsichtlich Mobbing-Prävention, um eine Eskalation vorhandener Konflikte zu verhindern.
Auch wird der Begriff Mobbing immer wieder falsch und inadäquat verwendet, was zu einer „Verwaschung“ führt. Ein Streit zwischen Kollegen, eine Schikane von Vorgesetzten oder die unverschämte Bemerkung eines Mitarbeiters werden leichtfertig als Mobben bezeichnet. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass Mobbing oft nicht ernst genommen und verharmlost wird. Auch glaube ich, dass es vielen Unternehmen und Führungskräften schwer fällt zuzugeben, dass Mobben bei ihnen vorkommen könnte, und deswegen dazu neigen, es zu belächeln und herunterzuspielen.
Die Gesprächspartner
Mag. Ulrike Kriener AUMAIER & Partner Coaching GmbH Mag. Regina Nicham IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement GmbH Corinna Ladinig, MBA CTC Academy OG Mag. Renate Strommer ASO & WiLAk GmbH |