Experten-Interview: Mitarbeiter sind die besten Markenbotschafter und daher ein zentrales Element im Personalmarketing … weshalb? Worin liegt der große Nutzen – für alle Beteiligte? Ist es nicht auch ein „Ausnutzen“ der Mitarbeiter? Ich lade Employer-Branding-Experten zum Interview und stelle genau diese Fragen:
Experten-Interview
Los geht’s:
Weshalb sind Mitarbeiter als Markenbotschafter so wichtig?
Mag. Irmgard Prosinger (getbestfit): Die Entscheidung für einen neuen Arbeitgeber ist eine sehr bewusste und auch emotionale. Der Bewerber informiert sich über seinen künftigen Arbeitsplatz und hört letztendlich auf sein Bauchgefühl. Man liest Bewertungen und folgt Empfehlungen, wie bei Urlaubsbuchungen, Arztauswahl, Onlineversand etc. Wenn es zum neuen Arbeitgeber keine Informationen oder vielleicht auch einiges weniger Gutes zu lesen gibt, so wird die Entscheidungsfindung negativ beeinflusst. Somit ist es wichtig, auch ganz bewusst die Mitarbeiter ins Employer Branding Boot zu holen. Werden bestehende Mitarbeiter bei Employer Branding Aktivitäten miteinbezogen, steigert das ihre Zufriedenheit und Verbundenheit mit dem Arbeitgeber. Sie identifizieren sich stärker mit dem Unternehmen und werden daher – als Markenbotschafter – auch eher Gutes über ihren Arbeitsplatz weitererzählen. Authentische und „echte“ Informationen von bestehenden Mitarbeitern des zukünftigen Arbeitgebers sind glaubwürdig und überzeugen Bewerber.
Mag. Monika Kriwan (Identifire): Sie vermitteln ein glaubhaftes Bild des Arbeitgebers. Nur wer für seine Marke Feuer und Flamme ist, wird das Unternehmen auch weiterempfehlen. Ein Unternehmen strahlt von innen nach außen. Vor allem in Bereichen, in denen es einen starken Fachkräftemangel gibt, sind Markenbotschafter wichtig.
MÜSSEN Mitarbeiter aktiv nach außen treten, um für das Personalmarketing wirksam zu sein?
Ing. Mag. Gerd Liegerer, MBA (Bud & Terence): Wenn man rein nach der Definition des Personalmarketings geht, dann beschäftigt sich dieses ja mit dem „Verkauf von offenen Positionen“ am Arbeitnehmermarkt. Daraus ergibt sich, dass die handelnden Personen zumindest mit einem Unternehmensprofil nach außen auftreten, z.B. über Social Media und Networks. Es wird jedoch nur der gesamte Mix aus Personalmarketing-Maßnahmen zum Erfolg führen, womit Mitarbeiter u.a. auch Karrieremessen und Fachtagungen besuchen sollten, sprich nach außen aktiv auftreten.
Mag. Monika Kriwan (Identifire): Es kann jedenfalls nicht schaden. Persönliche Empfehlungen sind bei der Auswahl des Arbeitgebers Gold wert. Wir setzen hier auf Jobbotschafter-Programme, um Talente gezielt anzusprechen.
Mag. Irmgard Prosinger (getbestfit): Mitarbeiter sind das Gesicht des Unternehmens. Zahlen, Daten, Fakten und die Vision oder Strategie auf der Firmenwebsite geben einen sachlichen Einblick und eine Orientierung, wohin die Reise geht. Emotionalisieren kann ich aber nur mit Menschen und Bildern – da gilt das Sprichwort „ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. Somit empfehlen wir unseren Kunden immer, statt Stockbildern oder Fotos mit Models, ihre tatsächlichen Mitarbeiter zu zeigen und z.B. als Testimonials in der Außenkommunikation ganz bewusst einzusetzen. Hier möchten wir immer auf die Freiwilligkeit hinweisen, die Mitarbeiter sollen das mit Freude und Stolz machen. Dann sind sie wahre Botschafter, die strahlen, authentisch sind und überzeugen.
Mitarbeiter als „Markenbotschafter“ zu sehen, bedeutet das nicht ein Ausnutzen des Mitarbeiters, ein Instrumentalisieren als Mittel zum Zweck?
Mag. Monika Kriwan (Identifire): Nein, ganz im Gegenteil. Mitarbeiter sind so oder so Markenbotschafter. Die Frage ist nur: Sind sie es im Sinne des Unternehmens? Wenn Sie bewusst Multiplikatoren ausbilden, können engagierte Mitarbeiter ihr Potenzial besser ausschöpfen. Sie werden gefördert und haben die Freiheit, andere mit ihrer Begeisterung anzustecken. Das trifft vor allem auf Menschen zu, die von vornherein gerne netzwerken und sich auch auf digitalen Wegen mitteilen möchten. Umso besser, wenn dadurch auch für das Unternehmen ein Erfolg entsteht.
Mag. Irmgard Prosinger (getbestfit): Mitarbeiter sollen nie dazu verpflichtet werden, nach außen für das Unternehmen aufzutreten, das wäre wie man so schön sagt „aufgesetzt“. Der kritische Bewerber erkennt das auch sehr rasch. Leider beobachten wir immer wieder, dass Unternehmen versuchen Mitarbeiter z.B. beim Social Media Auftritt in die Pflicht zu nehmen oder sie dazu anhalten, auf Arbeitgeberbewertungsplattformen doch bitte nur positive Dinge zu schreiben. Das ist eine heikle Gratwanderung, kann in die falsche Richtung gehen und ist auch schwer steuerbar. Es gibt in jedem Unternehmen sogenannte „Fans“ die sich freuen, ja vielleicht sogar schon darauf warten, für das Unternehmen aktiv zu werden. Diese gilt es aufzuspüren und mit ihnen aktiv zu arbeiten.
Ing. Mag. Gerd Liegerer, MBA (Bud & Terence): Wir sehen dies nicht als „Ausnutzen“, denn dem Mitarbeiter wird es ja freigestellt, positiv über das Unternehmen fern des Arbeitsplatzes zu reden; der Arbeitgeber kann dieses Verhalten nur fördern, aber nicht erzwingen. Es gibt viele Unternehmen, die ihren Mitarbeiter Prämien (Kopfprämie, Reisegutscheine, Restaurantbesuche) zum aktiven Werben um neue Mitarbeiter anbieten. Jedoch kann die Prämie nur das letzte Mosaiksteinchen sein, die Initialzündung für den Auftritt als Markenbotschafter liegt beim Mitarbeiter, der sich dazu schon sehr wohl bei seinem Arbeitgeber fühlen muss – weit über das Gehalt hinaus.
Die Gesprächspartner
Danke für das Interview hinsichtlich HR Personalmarketing einerseits und Markenbotschafter andererseits.
Mag. Irmgard Prosinger getbestfit Mag. Monika Kriwan Identifire® Ing. Mag. Gerd Liegerer, MBA Bud & Terence GmbH |