Experten-Interview: Soziale Kompetenz in der Führungskräfte-Entwicklung. Neben all der Digitalisierung ist für Führungskräfte die soziale Kompetenz weiterhin essenziell. Welche sozialen Kompetenzen sind es, die in der Management-Praxis tunlichst vorhanden sein sollten? Und wie können sie gezielt erworben werden?
Experten-Interview
Soziale Kompetenzen
Welche werden in der Management-Praxis benötigt?
Mag. Manfred Rühl (ITO): Die eigentliche Sozialkompetenz ist die Selbstkompetenz. Es zeigt sich immer mehr und deutlicher, dass gute Führung vor allem gute Selbstführung bedeutet. Das heißt im Umkehrschluss, dass die wichtigste soziale Kompetenz die Reflexionsfähigkeit ist. Wer nicht in der Lage ist, sein eigenes Handeln zu hinterfragen und zu bewerten, scheitert in sozialen Situationen bereits am Start. Selbst-Reflexion und eng damit verbunden eine positive Einstellung zu Feedback und Coaching machen Manager zu Führungskräften, die Anliegen ernst nehmen können und eigene blinde Flecken minimieren.
Corinna Ladinig, MBA (CTC Academy): Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, die Fähigkeit Feedback zu geben und zu nehmen, die Fähigkeit auf Menschen einzugehen und Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit wahrzunehmen, die Fähigkeit mit Teams und Gruppen zu arbeiten, sie zu moderieren und zu motivieren (Charisma), Durchsetzungsfähigkeit, Wertschätzung und Respekt, reflektierte Werte, wertschätzendes Verhalten – auch im Stress, Resilienz, Selbstreflexionsfähigkeit
MMag. Victor Mihalic (EBC*L): An erster Stelle steht Empathie: Nur wer sich in die gerade aktuelle Bedürfnislage seines Mitarbeiters hinein versetzen kann, wird diesen auch motivieren können. Die Herausforderung dabei ist, dass jeder Mitarbeiter anders tickt. Beispielsweise macht es einen Unterschied, ob ein 30-jähriger Mitarbeiter gerade auf Wohnungssuche ist, sich in seinem Hobby selbstverwirklichen will (Marathon & Co) oder er im Ausland berufliche Erfahrungen machen will. Den einen wird man mit Geld, den anderen mit flexibler Zeitgestaltung, den dritten mit Projekten im Ausland motivieren können.
Um zu wissen, was den Mitarbeiter antreibt, bedarf es einer guten Kommunikationsbasis.
Christian Ploy (Christian Ploy – Competence): Idealerweise werden mehrere einzelne Fähigkeiten und Fertigkeiten, die die Qualität sozialen Verhaltens erhöhen, benötigt. Dazu gehören Konfliktfähigkeit, Kooperationsbereitschaft, Durchsetzungsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit gepaart mit Selbstreflexion und Emotionskontrolle bzw. -management als wesentliche soziale Kompetenzen. Sozial kompetente Manager sind in der Lage, gegensätzlich scheinende Verhaltensweisen situativ einzusetzen zB in der Arbeit mit dem Team einerseits Durchsetzungsfähigkeit, je nach Zielsetzung des Unternehmens, als Kompetenz einzusetzen, aber auch andererseits anpassungsfähig in Bezug auf Teamgegebenheiten, Persönlichkeiten oder auch Vorschlägen seitens des Teams zu sein. Sie erhöhen dadurch die Arbeitsleistung und Motivation ihrer Mitarbeiter, ohne die Beziehungen zu gefährden.
Mag. Regina Nicham (IBG): Eine gute und gesund führende Führungskraft sollte gut zuhören können: nur wer wirklich gut zuhören kann, ist fähig wahrzunehmen, was die Mitarbeiter wirklich wollen und worum es geht. Auch nachzufragen, Interesse am Gegenüber zu haben und Techniken einer wertschätzenden und ressourcenfördernden Kommunikation zu verstehen, sind wichtige Kompetenzen einer Führungskraft. Das bedeutet auch, sich über die Erfolge seiner Mitarbeiter freuen zu können, das Wachstum anderer zu schätzen und darüber auch positive Rückmeldung zu geben, sich nicht nur auf die „Schwächen“ der Mitarbeiter zu konzentrieren, sondern sich auch mit deren wie auch den eigenen Stärken auseinanderzusetzen.
Nicht zuletzt ist es wichtig, Kritik anzunehmen (Selbstkritik) und auch in einer konstruktiven, für das Gegenüber hilfreichen Form weitergeben zu können als auch konfliktfähig zu sein und sich mit unangenehmen, manchmal auch nicht nachvollziehbaren Situationen auseinanderzusetzen. Unabhängig von Leistung, sollte die Führungskraft in der Lage sein, die Mitarbeiter mithilfe eines emotional gerechten Führungsstils durch Aufmerksamkeit sowie Interesse wertzuschätzen.
Wie können soziale Kompetenzen vom Management erworben werden?
Dr. Gerald Passath (KICK OFF): Die höchste Akzeptanz erfolgt, wenn Führungskräfte als Ausgangsbasis fundierte UND praxisrelevante Hintergrundinformationen & Modelle erhalten. Die höchste Wirkung entsteht, indem wir sehr stark mit ihren eigenen, konkreten, realen Beispielen und Führungserfahrungen arbeiten. Sie erhalten klares Feedback – von Peers oder/und Experten – und Unterstützung bei der Entwicklung von Handlungsalternativen. Diese werden in die Praxis umgesetzt („ausprobiert“) und im Idealfall abermals reflektiert. Development Center, Potential Audits, Online-Tools und qualifizierte Fragebögen können dabei unterstützen, die eigenen Führungsstärken und –schwächen besser zu erkennen. Die Wirkung steigt jedoch deutlich an, wenn das Debriefing und gegebenenfalls anschließendes Coaching professionell erfolgen. In unseren Leadership Coachings, Workshops und Programmen legen wir hohen Wert auf Praxisrelevanz und eine selbstkritische Einschätzung: „Was können Sie, was sind Ihre Stärken?“ „Was können Sie nicht so gut, was sind Ihre Limits?“
Unser Zugang ist vor allem, die Stärken zu stärken und die Limits zu begrenzen, wenn sie hinderlich werden. Um erfolgreich zu sein, brauchen wir einen „wachstumsorientierten Mindset“: Sie glauben daran, dass Sie sich weiterentwickeln können und wollen. Sie wollen Ihre Potentiale kennen und kontinuierlich lernen. Sie nehmen Herausforderungen an, konfrontieren sich mit Unsicherheiten und haben keine – allzu große – Angst, zwischendurch zu scheitern.
Vor diesem Hintergrund: Es geht uns darum, dass Sie als Führungskraft klar, kompetent und inspirierend agieren und reagieren können.
Veronika Aumaier, MAS, MSc (AUMAIER CONSULTING/TRAINING): Äußerst hilfreich und ein Muss sind ausreichendes theoretisches Wissen zum umfangreichen Thema Kommunikation. Da dies zum tagtäglichen Aufgabenportfolio im großen Ausmaß gehört, ist ein modernes, umfassendes, variantenreiches Kommunikationsvermögen das A und O im erfolgreichen Beziehungsmanagement auf allen Managementebenen. Und da auch für Manager mittlerweile lebenslanges Lernen gilt, darf das Lernsetting on the job und off the job varianten- und facettenreich sein. Coaching erfährt grade in der zielgerichteten Entwicklungsunterstützung von sozialen Kompetenzen immer mehr an Bedeutung, da es effektiv und nachhaltig Änderungen und Wachstum im Verhalten erzielen kann – die persönliche Bereitschaft des Coachees vorausgesetzt.
Insa Meier, MA, MPC (MDI): Das geht einerseits – und das ist die offensichtlichste Variante – über Training. Inzwischen wissen wir dank Brinkerhoff und anderen aber, dass nur 10% des Lernens durch Trainings passiert. Daher gilt es, vor allem auf Learning-on-the-job und soziales Lernen zu setzen. Dies kann über die Vernetzung mit Kollegen geschehen, durch Transferaufgaben, Blended Learning Zugänge, durch die Anwendung von Tools im Arbeitsalltag, zum Beispiel begleitet durch einen Coach oder eine interaktive Online Learning Journey.
Gleichzeitig haben wir sehr gute Erfahrungen damit gemacht, Führungskräfte zu einem Selbstreflexionsprozess einzuladen. Denn erst wenn ich mehr über mich selbst erfahre und mich wirklich mit meinen Stärken und Entwicklungsfeldern auseinandersetze, kann ich meine Potentiale weiter ausbauen. Das kann möglicherweise schmerzhaft sein, lohnt sich aber.
Ina Biechl (institut ina biechl): Wichtig ist vor allem, sich durch angeleitete Reflexion der eigenen Lerngeschichte und ihrer Bedeutung bewusst zu werden. Das kann im Rahmen eines individuellen Coachings oder auch in einem speziellen Training erworben werden. Eine gute praktische Ausbildung ist dabei hilfreich, um sich in einem geschützten Rahmen zu erproben und Verschiedenes an sich selbst zu testen.
Dkfm. Heinz Pechek (BMÖ): Schon in früher Jugend bzw. Kindheit werden Menschen sozialisiert und geprägt. In der Folge des Heranreifens werden die Eigenschaften und Kompetenzen, die zum Erfolg führen, verstärkt, die anderen (teilweise) abgebaut. Dies gilt dann auch in der Management-Aufgabe: was zum Erfolg und zur Anerkennung bei den Mitmenschen führt, wird verstärkt. Erworben werden die Fähigkeiten durch Einsicht, Bewusstwerden, Feedback, Arbeiten an sich. Dazu können auch Seminare und Coachings ihren Beitrag leisten.
Weshalb ist der Umgang mit Ärger, Wut und Aggressionen so wichtig im Führungsalltag?
Mag. Evelyn Summhammer: Wir sind in unseren Jobs umzingelt von Widerlingen, Fieslingen oder sogar bösartigen Tyrannen. Gerade in den Chefetagen oder in hohen Verantwortungspositionen wird sich gerne die Erlaubnis für entwertendes und niederträchtiges Verhalten gegeben, obwohl der Trend der Zeit in die entgegengesetzte Richtung weist. Macht gibt Freiraum. Wenn wir die Kündigungsstudien der letzten Jahre ansehen, dann sind es aber gerade diese Verhaltensweisen, die Experten abwandern lassen. Wer will sich schon anschnauzen, degradieren oder öffentlich demütigen lassen? Wenn Führung zu sehr am Selbstwert der Mitarbeiter schürt, dann wird sie ein Risikofaktor.
Soziale Kompetenzen im Management | Was ist das Ziel & wie kommt man dort hin?
Die Gesprächspartner
Veronika Aumaier, MAS, MSc AUMAIER CONSULTING/TRAINING GmbH Insa Meier, MA, MPC MDI Management Development International Mag. Manfred Rühl ITO Individuum Team Organisation GmbH MMag. Victor Mihalic EBCL Internationale Wirtschaftszertifikate GmbH Dr. Gerald Passath KICK OFF Management Consulting GmbH Corinna Ladinig, MBA CTC Academy OG Dkfm. Heinz Pechek BMÖ – Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik in Österreich Mag. Regina Nicham IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement GmbH Ina Biechl institut ina biechl Christian Ploy Christian Ploy – Competence Mag. Evelyn Summhammer |