Im letzten Experten-Interview hinterfragten wir New Work allgemein und die Auswirkung auf Teamarbeit. Heute verlassen wir die Metaebene und gehen wir einen Schritt näher: wir werfen einen Blick auf die Sichtweise der Mitarbeiter und Führungskräfte einerseits und der Unternehmens-Strukturen andererseits. Ich freue mich auf interessante Inputs!
Experten-Interview
Mitarbeiter & Führungskräfte
Was bedeutet New Work ganz konkret für die Teamarbeit – aus Sicht der MITARBEITER?
Dr. Andrea Cerny, MAS (next level consulting): Mitarbeiter sind eingeladen, wieder mehr Zeit im Büro zu verbringen, wo eine direkte Kommunikation und Teamarbeit möglich ist. Das hat Konsequenzen für die Büroplatzgestaltung. Aber auch für die Meetingräume, denn New Work hat auch das spielerische Element wieder in den Vordergrund gerückt, also mehr Platz für Freiraum. Mitarbeiter sind auch eingeladen, Teamarbeit zuzulassen, was nicht immer für alle einfach ist.
Paul Bischofberger (TEAM|Manufaktur): Ein Trend, den wir in unserer derzeitigen Praxis sehr deutlich erkennen, ist eine verstärkte Öffnung von Organisationen zu einer flexibl(er)en Ausgestaltung der Arbeits- und Anwesenheitszeiten (Stichworte Dezentralisierung, Home Office und Teilzeitarbeit). Damit verbunden ist ein immer häufigerer Einsatz von standortverteilten Teams (was in der IT-Branche ja bereits seit langem gelebte Praxis ist).
Diese Entwicklung bietet Chancen und birgt Risiken. So ermöglicht Home Office den Mitarbeitern auf jeden Fall eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie eine Reduzierung von Pendelzeiten zwischen Arbeitsplatz und Wohnort – was von praktisch allen Menschen, mit denen wir zu tun haben, als echte Erhöhung der Lebensqualität beschrieben wird. Auch scheint gesichert, dass dadurch Krankenstände wie auch die Fluktuationsrate reduziert werden kann. Darüber freut sich dann der Arbeitgeber!
ABER: reduzierte Anwesenheitszeiten bedeuten auch reduzierten Infofluss, reduziertes Eingebundensein und als Folge eine zunehmende Entfremdung (vom Team) bis hin zur Isolation. Home Office kann super sein. Vor allem für Mitarbeiter mit hoher Affinität zu technischen Kommunikations- und Kollaborationstools. Wem das zu künstlich und unpersönlich ist, der ist am Arbeitsplatz im Büro sicherlich besser aufgehoben.
Was noch?
Mag. Petra Koinig (ITO): Die Generation Y und nachfolgende sind Spiegel und lebendiger Ausdruck dieser Entwicklung. Und obwohl diese großen Wert auf Selbstverwirklichung legen, stellen sie auch hohe Ansprüche an die Teamqualität. Sie sind oftmals geübte Teamplayer, die sich nicht nur offline, sondern auch in der virtuellen Welt durch eine exzellente Vernetzung auszeichnen. Arbeitsräume und Teamstrukturen, die diese Entwicklung unterstützen und zeitliche, räumliche sowie organisatorische Flexibilität der Teammitglieder möglich machen, sind eine strukturelle Grundvoraussetzung für die Teams der Zukunft.
Vor allem in wissensintensiven Arbeitsbereichen steigt der Anteil der auf gemeinsame, fachübergreifende Ergebnisse abzielenden Teamarbeit kontinuierlich. Die engen Grenzen der Fach- bzw. Wissensbereiche lösen sich auf.
Was bedeutet New Work konkret für die Teamarbeit – aus Sicht der FÜHRUNGSKRÄFTE?
Dr. Andrea Cerny, MAS (next level consulting): Für die Führungskräfte bedeutet das in erster Linie, Teamarbeit zu unterstützen mit allen Konsequenzen: Zeit, Infrastruktur, benötigte Ressourcen und IT-Unterstützung. Auch Führungskräfte müssen teamfähig sein, wenn sie erfolgreich bleiben möchten. Geheimnistuerei und Bereichskriege sind out. Führungskräfte der Zukunft sind absolute Menschenkenner und Teamarbeiter.
Veronika Aumaier MAS, MSc (Aumaier Consulting Training): Für Führungskräfte, die ihre Teams sehr operativ, direkt und über Kontrolle steuern, brechen herausfordernde Zeiten an. Den Überblick zu behalten, wenn das Team im ganzen Büro verstreut sitzt, oder die Mitarbeiter als Homeworker nur virtuell anzutreffen sind, ist zwar inhaltlich über gut abgestimmte Fortschritts- und Zielerreichungstools möglich. Emotional und mental sind diese Teams nicht mehr wirklich steuerbar. Das bedeutet einerseits, dass viele Führungskräfte möglicherweise die Erleichterung erfahren, für Stimmung und Klima nicht mehr zuständig zu sein (sein zu können), weil das Team nicht mehr greifbar ist. Andererseits erlebt ein Teil der Führungskräfte den Kontrollverlust als Steuerungsverlust. Denn der Anspruch, über alles Bescheid wissen zu müssen, ist nicht mehr erfüllbar. Führungskräfte werden sich verstärkt darauf verlassen müssen, dass das Team vertrauensvoll die vereinbarten Ziele selbständig und autark verfolgt. Eine persönliche Herausforderung, die eine systemisch-lösungsorientierte Haltung erfordert. Sie zu festigen braucht bewusst Übung und Training.
Unternehmens-Strukturen: Teamarbeit & New Work
New Work verändert die Arbeitswelt. Ändern sich damit zwangsläufig auch die Unternehmens-Strukturen? Ja, klar tun sie das. Daher streiche ich diese Frage noch vor dem Interview aus meiner Liste. Auf den Punkt gebracht lautet meine Frage: In wie fern ändern sich – parallel zur sich wandelnden Arbeitswelt – auch die Unternehmens-Strukturen?
Wie können und / oder sollen sich Unternehmens-Strukturen verändern im Zuge von New Work?
Paul Bischofberger (TEAM|Manufaktur): New Work ist ein unglaublich breit gefasster Begriff, und je nachdem, ob man die Organisation jetzt stärker in Richtung Demokratisierung oder aber Dezentralisierung ausrichten möchte (bzw. muss), werden die Antworten auf Ihre Frage völlig andere sein.
Außer Streit steht dabei sicherlich eines: Wollen Organisationen neue Arbeitsformen oder -Strukturen einführen, sind sie gut beraten, darauf zu achten, dass die Maßnahmen so gestaltet sind, dass sich die Mitarbeiter (auch weiterhin) als kompetent, bedeutsam, selbstbestimmt und Einfluss nehmend erleben. Gelingt das nicht, wird ein mit hohen Erwartungen und viel Engagement begonnener Aufbruch zu neuen Ufern schnell zum Schiffburch.
Beispiel: Ich denke, Zappos ist ein schönes Beispiel dafür. Zappos, ein amerikanischer Internetversandhändler, führte Holokratie ein, ein (Selbst-)Managementsystem, das auf eine höhere Demokratisierung der Organisation abzielt. Ein für viele attraktiver Gedanke: flache bzw. keine Hierarchien, mehr Mitsprachemöglichkeiten, mehr Selbstverantwortlichkeit und ein hohes Maß an Selbstorganisation. Die schöne neue Welt also.
Tatsächlich wurde bereits bei der Einführung des neuen Systems wenig auf allfällige Einwände Betroffener gehört, viele Mitarbeiter und Teams sind mit dem System komplett überfordert und in einigen Unternehmensbereichen hat man es nicht geschafft, die Mitarbeiter für das neue System „fit“ zu machen. Fazit: 29 %(!) der Belegschaft verließen das Unternehmen, und derzeit scheint es so zu sein, dass ein großer Teil der Mitarbeiter einfach einmal still hält, in der Hoffnung, dass ein neuer CEO die Organisation auf neue Beine stellen wird.
Um es also noch einmal zu wiederholen: Beschäftigte (= die von den Maßnahmen Betroffenen) müssen sich als kompetent, bedeutsam, selbstbestimmt und Einfluss nehmend erleben, andernfalls wird das eher nichts mit der schönen neuen Welt.
Wie noch?
Mag. Petra Koinig (ITO): Teamziele müssen klar, transparent und von den Teammitgliedern als sinnvoll umsetzbar anerkannt werden. Das setzt im Organisationskontext voraus, dass operative Zielvorgaben, die zur Unternehmenssteuerung überwiegend top down ausgegeben werden. Bottom up durch Feedback aus den Umsetzungsteams inhaltlich aufgefüllt, mögliche Einwände adressiert und verhandelt werden können. Die Teammitglieder müssen überzeugt sein, dass die Ziele sinnvoll und für die Organisation von Nutzen sind, dass sie Innovationen hervorbringen und einen wesentlichen Beitrag leisten. Flache Hierarchien, klare Aufgaben- und Rollenverteilungen sowie ein definierter Rahmen für Feedback und Austausch unter den Teammitgliedern ist wesentlicher Bestandteil des Teamerfolgs.
Veronika Aumaier MAS, MSc (Aumaier Consulting Training): Eigenverantwortung und Selbstbestimmung geht mit New Work Arbeitsbedingungen automatisch einher. Wenn innerhalb bestimmter, festgesetzter Rahmenbedingungen frei gewählt werden kann, wann man ins Büro kommt und wann man von zu Hause arbeitet, ist der Einzelne auf sich gestellt und selbst dafür verantwortlich, dass er in time in der erforderlichen Qualität seine Beiträge liefert. Das braucht Strukturen und Frames – wie sie beispielsweise von Scrum, Kaizen, Lean Management und weitere vorgesehen werden. Sie stellen sicher, dass das Team in einem ergebnisorientierten Miteinander agieren kann.
Teamarbeit & New Work | Aus 3 Blickwinkeln: Mitarbeiter, Führungskräfte & Unternehmen
Die Gesprächspartner
Veronika Aumaier MAS, MSc AUMAIER Consulting/Training GmbH Mag. Petra Koinig ITO Individuum Team Organisation GmbH Dr. Andrea Cerny, MAS next level consulting Österreich GmbH Paul Bischofberger TEAM|Manufaktur GmbH |