Experten-Interview
Wie oder woran kann ein Ausbildungs-Suchender erkennen, welches Ausbildungsangebot genau das Richtige für ihn ist?
Mag. Dagmar Grafeneder (KICK OFF): Die Entscheidung für die „richtige“ Coachingausbildung ist eine sehr komplexe, bei der sicherlich viele Faktoren zusammenspielen. Neben ganz offensichtlichen Themen wie Kosten, Terminen und Inhalten spielen sicherlich auch „weiche“ Faktoren eine wesentliche Rolle im Entscheidungsprozess.
Gibt es eventuell Empfehlungen von Kollegen, von denen ich weiß, dass sie ähnliche Einschätzung haben bzw. auf das Gleiche Wert legen wie ich? Ohne diese Voraussetzung haben meiner Meinung nach Empfehlungen kaum ein Gewicht. Bedürfnisse sind völlig individuell und subjektiv – was dem einen gefällt, kann für den anderen komplett verkehrt sein, obwohl es trotzdem eine sehr gute, professionelle Ausbildung ist.
Eine gute Coachingausbildung ist auch immer ein persönlicher Weiterentwicklungsprozess, der nur in einer Atmosphäre des Vertrauens und Wohlfühlens gelingen kann. Ich empfehle daher, im Vorfeld die meist angebotenen Informationsabende zu besuchen, wo die lehrenden Coaches und auch andere Teilnehmer kennengelernt werden können. Im persönlichen Kontakt erkennt man sehr schnell, ob das der „richtige“ Platz für die persönliche Weiterentwicklung ist oder ob es doch einen anderen Rahmen braucht.
Corinna Ladinig, MBA (CTC): Am besten spricht man mit der Lehrgangsleitung und stellt die für sich selbst relevanten Fragen – der Bauch sagt dann meist schon, ob es passt. Natürlich kann man auch mit Bekannten sprechen und nach einer Empfehlung auswählen – wir bieten auch immer an, dass sich eine Interessentin mit Absolventen sprechen kann.
Mag. Ina Lukl (IBG): Ich denke, hier gibt es eine Vielfalt an individuellen und demnach sinnvollen Zugängen. Wählt der Suchende einen pragmatischen Ansatz, dann stehen wohl finanzieller und zeitlicher Aufwand bzw. Vereinbarkeit mit anderen derzeitigen Anforderungen im Vordergrund. Hier empfehle ich, stets auch den zeitlichen Aufwand für Erfahrungen in der Praxis (Peergruppen, Übungscoachings, Supervision,…) zu berücksichtigen, da dieses Üben das eigentliche Erleben, Erfahren und Lernen ermöglicht. Viele Informationen zum voraussichtlichen Aufwand, den Rahmenbedingungen, der Ausbildungsleitung, den potenziellen Teilnehmenden, anerkannten Zertifikaten usw. erhält man an Infoabenden. Ein Vergleich lohnt sich: Was bietet welches Institut an und was davon stößt bei mir auf Resonanz bzw. entspricht meinen Bedürfnissen am ehesten? Inwiefern passen die Inhalte zu meinem Bild von mir als Coach?
Eventuell hilfreiche Fragen, die sich jeder Ausbildung-Suchende im Vorfeld stellen kann: Was soll am Ende dabei für mich herausschauen / welchen Nutzen verspreche ich mir? Was möchte ich mir (persönlich und/ oder beruflich) mitnehmen? Was möchte ich nach Abschluss in welchem Rahmen bzw. Kontext umsetzen können? Was bringe ich bereits mit (Qualifikationen, Erfahrungen, Interessen,…)? Was ist mein persönliches Ziel und was bin ich bereit dafür zu tun (Verhältnis zwischen Aufwand/ Konsequenzen und Nutzen)?
Mag. Renate Strommer (ASO & WiLAk): Was will ich als Ausbildungs-Suchender mit der Ausbildung erreichen, welche Erwartungen habe ich? Antworten können mit Kriterien geprüft werden. Die Kriterien von Ausbildungs-Suchenden sind vielfältig:
- Ziel des Lehrgang im Kompetenzaufbau
- Ansatz, Inhalte und Schwerpunkte zur Spezialisierung
- Ausbildungsdesign zum Kompetenzaufbau
- Praxisbezug und Begleitung in der Umsetzung
- Zeitpläne, Lokationen und Gruppengrößen und Gruppenzusammensetzung
- ein langjähriges Angebot mit kontinuierlicher Weiterentwicklung
- Lernen von Experten (nicht Trainern)
- Ö-Cert für Förderungen
- Anerkennung des Abschlusses: Listungs- und Zertifizierungsmöglichkeiten bei österreichischen Fachverbänden und Wirtschaftskammer
- Kostentransparenz, Höhe der Kosten und Zusatzkosten, z.B. bei Ausbildungszeitverlängerung, verpflichtende Hotel- und Verpflegungskosten
- Stimmung und „Wohlfühl“-Faktor
Jonas Krämer, BA (Potenzialfokuscenter): Bei so vielen Angeboten, die man derzeit finden kann, ist es durchaus knifflig einen Überblick zu bekommen. Der Schlüssel für die passende Ausbildung ist meiner Meinung nach kritisch zu bleiben und weiter zu fragen. Vieles liest und hört sich im ersten Moment gut an, aber was steckt wirklich dahinter? Ja, persönliche Gespräche mit Bekannten und KollegInnen führen, aber unbedingt mitbedenken, dass diese mit ihrem ganz individuellen Blick Erfahrungen gesammelt haben. Außerdem besteht die Gefahr, in der eigenen „Bubble“ hängen zu bleiben. Es lohnt sich den Recherchekreis zu erweitern! Ein Gespräch mit den ausbildenden Institutionen und den Veranstaltungsleitern ist auch zu empfehlen. Der wohl wichtigste Punkt ist die strenge Überprüfung, wie gut der vermittelte Approach mit der eigenen Persönlichkeit zusammenpasst. Lesen Sie sich unbedingt ein, Sie sollten sich möglichst sicher sein. Das Bauchgefühl hilft bei der Abwägung sehr gut. Je besser und ergänzender der gelehrte Ansatz ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie das Gelernte möglichst oft einsetzen und es auch zieldienlich wirkt.
Gibt es tatsächlich eine Mindestanzahl an Tagen oder Stunden, die absolviert werden müssen bzw. sollten und warum?
Veronika Aumaier, MAS, MSc (AUMAIER CONSULTING/TRAINING): Für eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema Coaching sind zwei Wochenenden zu wenig – für ein Reinschnuppern in die Materie kann es ausreichen. Wenn man die eigene Einstellung verändern/erweitern möchte, die speziellen Coachingfragen und -methoden kennen lernen möchte und die Anwendung geübt werden soll, muss die Coachingausbildung darüber hinausgehen. Idealerweise umfasst eine solide Grundausbildung 4 Module zu je 2 Tage in einem Zeitraum von 4 Monaten. Die Anzahl der Module stellt sicher, dass die theoretischen Grundlagen in der Ausbildung erlernt und geübt werden können. Der monatliche Abstand ermöglicht ein Ausprobieren in der Praxis, das im jeweils nächsten Modul zur nachhaltigen Verankerung reflektiert und nachgeschärft werden kann.
Mag. Sabine Prohaska (seminar consult): Wenn sich die Ausbildung an Berufsanfänger richtet und das Ziel lautet, selbstständig Coachingprozesse vom Erstkontakt über die Zielbestimmung bis zur Lösungsarbeit gemäß einem definierten Coachingansatz professionell zu gestalten, braucht es tatsächlich eine Mindestanzahl von Stunden bzw. Mindestdauer der Ausbildung. Eine Ausbildung über einen Zeitraum von mind. einem halben Jahr mit monatlich 2 bis 3 Ausbildungstagen plus Übungseinheiten in Peergruppen ist zur beschriebenen Zielerreichung notwendig. Eine professionelle Gesprächsführungskompetenz lässt sich, wie jede andere Kompetenz auch, nur im praktischen Tun mit Reflexionseinheiten erwerben.
Ina Biechl (institut ina biechl): Meiner Meinung nach kommt es vor allem darauf an, welche Vorbildung die jeweilige Person schon mitbringt. Je weniger Lebenserfahrung oder Routine in der Arbeitswelt vorhanden sind, desto mehr Zeit ist erforderlich, um eine gute Grundlage zu erhalten.
Jonas Krämer, BA (Potenzialfokuscenter): Eine zentrale Frage stellt sich: Wofür macht man eine Coaching-Ausbildung? Für eine Führungskraft sind mehrere Module mit etwa 6-8 Tagen bereits zielführend. Anders ist es, wenn sich jemand als Coach selbständig machen möchte. Dann sollte das Mengengerüst der Coaching-Ausbildung gängige Akkreditierungsrichtlinien für Wirtschaftscoaches erfüllen wie z.B. der WKO (180 Stunden Theorie und Praxis usw.).
Um jedoch eine „Coaching-Haltung“ zu erwerben ist in jedem Fall eine praxis- und übungsintensive Ausbildung zu bevorzugen. Coaching kann man nicht im Trockendock lernen und das Wesentliche ist die Anwendung und das Lernen aus praktischen Fällen und Erfahrungen.
Miglena Doneva-Doncheff (ITO): Damit man die Kunst des Coachings beherrscht, sollte man sich zuerst mit der Wissenschaft auseinandersetzen. Und dazu gehören nicht nur Trainingsstunden, sondern auch Praxisstunden. Wenn man ein Coaching-Training besucht hat, heißt das noch lange nicht, dass man Coach ist. Coach wird man, wenn man viel Erfahrung sammelt. Laut International Coach Federation sollte das Coaching-Training aus mind. 60 Trainingsstunden bestehen und sowohl Praxis wie auch Mentoring beinhalten.
Peter Jelinek (Jelinek Akademie): Während Weiterbildungen zu eingeschränkten Anwendungsbereichen von Coaching durchaus in einigen Tagen durchgeführt werden können, gibt es für eine Ausbildung höhere Ansprüche. Das Vermitteln der zugrunde liegenden Theorie und die Diskussion ihrer praktischen Bedeutung, das Aneignen verschiedener Techniken in ihrem Konzept, Ablauf und Steuerung, das praktische Üben unter fachlicher Aufsicht mit ausführlichem Feedback kann nicht verkürzt werden. Für einen Basislehrgang in Coaching halte ich 100 Stunden für das absolute Minimum, unser Grundlehrgang dauert 144 Stunden. Aufbauend darauf gibt es weitere Module und Supervision.
Mag. Claudia Müller (BFI Steiermark):Ja! Für professionelles Coaching braucht es neben fundiertem Wissen eben vor allem Praxis und nochmals Praxis sowie genug Zeit zur Reflexion der Erkenntnisse und Erfahrungen. Eine Coaching-Ausbildung ist keine reine Vermittlung von Wissen und Tools, sondern vor allem ein ganz persönlicher Entwicklungsprozess: Experimente werden gewagt, Gelingendes integriert und manches auch sein gelassen. Jeder Mensch ist anders und deshalb soll auch jeder angehende Coach seinen ganz persönlichen Coaching Stil entwickeln dürfen. Von Coaching Verbänden wird eine zusammenhängende Ausbildung im Ausmaß von 190 Ausbildungsstunden empfohlen. Daran kann man sich orientieren.
Die Gesprächspartner
Miglena Doneva-Doncheff ITO Individuum Team Organisation GmbH Mag. Dagmar Grafeneder KICK OFF Management Consulting GmbH Veronika Aumaier, MAS, MSc AUMAIER CONSULTING/TRAINING GMBH Mag. Sabine Prohaska seminar consult prohaska Corinna Ladinig, MBA CTC Academy OG Mag. Ina Lukl IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement GmbH Ina Biechl institut ina biechl Jonas Krämer, BA Potenzialfokuscenter Mag. Renate Strommer ASO & WiLAk GmbH Mag. Claudia Müller BFI Steiermark Peter Jelinek Jelinek Akademie e.U. |