Gerade weil Mitarbeiterbefragungen in Unternehmen so breite Verwendung finden, findet man auch viele schlechte Beispiele, die Zeit und Geld nicht wert sind. Welche Fragen sollten Sie in einer Mitarbeiterbefragung tunlichst vermeiden? 5 Fragen
Mitarbeiterbefragungen sind weit verbreitete Instrumente der Personalarbeit. Und alles was weite Verbreitung findet, findet sich leider auch in guten als auch schlechten Beispielen in der Praxis wieder. Einige Tipps und Empfehlungen für die Durchführung von MItarbeiterbefragungen wurden im HRweb in der Vergangenheit bereits gegeben:
Heute soll der Fokus auf den inhaltlichen Qualitäten von Befragungsinstrumenten liegen. Aber nicht in dem ein paar generische Empfehlungen gegeben werden, sondern indem wir uns 5 Worst-Practices ansehen, die leider breite Anwendung finden.
No-Go-Fragen in der Mitarbeiterbefragung: Negativ formuliert oder doppelt verneint
Negativbeispiel: „Ich fühle mich selten zu wenig informiert.“ (5-Antwortoptionen von „trifft nicht zu“ bis „trifft zu“)
Items in Fragebögen sollten klar und einfach formuliert sein um Personen jeglichen Bildungshintergrundes eine hohe Zugänglichkeit und Verständlichkeit zu bieten. Komplizierte Fragen, Suggestivfragen oder doppelt verneinte Fragen sind prinzipiell zu vermeiden. Das Negativbeispiel zeigt dabei recht deutlich wie komplex eine Frage in der Beantwortung wird, wenn Negativformulierungen auf eine Zustimmungsskalierung treffen. Was würden Sie ankreuzen, wenn Sie sich bestens informiert fühlen würden? 😉 Gar nicht so einfach!
Ich rate in Befragungen zu direkten und positiven Formulierungen die eine einfache Beantwortung ermöglichen. Und auch dem oft gelesenen Rat Fragen eines Fragebogens abwechselnd positiv und negativ zu formulieren erteile ich aus Praxissicht eine klare Absage. Denn meist stiftet dies keinen Nutzen oder methodischen Vorteil sondern erhöht die Komplexität in der Ausfüllung ohne praktischen Nutzen.
No-Go-Fragen in Mitarbeiterbefragungen: Endlos breit und unspezifisch
Negativbeispiel: „Sind Sie mit der Kommunikation in Ihrem Unternehmen zufrieden?“
Ein zweites Fettnäpfchen im Befragungsalltag sind endlos breite und unspezifische Fragen. Auf das Negativbeispiel blickend: Was ist mit „Kommunikation“ genau gemeint? Was ist mit „Zufriedenheit“ genau gemeint? Und was lernen Sie aus den Antworten?
Eine Frage sollte – um handlungsleitende Antworten zu liefern – auch in der Fragenformulierung spezifisch und konkret sein. Je nachdem was einen interessiert könnte man auf die Meetingkultur fokussieren, auf die Aktualität des Intranets, auf das Feedbackverhalten der direkten Vorgesetzten oder die Nutzung anderer Medien. Die endlose Breite der „Kommunikation“ kann aber nur unkonkrete Antworten liefern die in der Auswertung entsprechende Ratlosigkeit erzeugen.
No-Go-Fragen in der Mitarbeiterbefragung: Doppelfrage mit extremer Simplifizierung
Negativbeispiel: „Ich kenne und verstehe die Strategie meines Unternehmens.“
Am gezeigten Negativbeispiel kann man gleich zwei zu vermeidende Punkte illustrieren. Zum einen sollten in Fragen immer Doppel- bzw. Mehrfachaspekte vermieden werden („kennen und verstehen“). Frageninhalte sollten eindeutig und Antwortoptionen disjunkt sein. In der Praxis trifft man leider immer wieder auf die Situation das Unternehmen versuchen die Länge des Fragebogens zu reduzieren in dem mehrere Aspekte in einer Frage subsumiert werden. Bitte tun Sie dies nicht!
Auf der anderen Seite zeigt das Negativbeispiel auch sehr schön eine extreme Simplifizierung „…verstehe die Strategie….“. Wow! Eigentlich ein recht simpler Satz für eine extrem breite Thematik. Was ist genau „die Strategie“? Wie umfangreich ist die Strategie eines bspw. 10.000 Mitarbeiterunternehmens mit weltweiten Standorten? Wie viele Personen dieses Unternehmens kennen die Strategie WIRKLICH im Detail? Wie detailliert kann diese ein Filial- oder Produktionsmitarbeiter überhaupt kennen?
No-Go-Fragen in der Mitarbeiterbefragung: Perspektivenfrage und „halbe Wahrheit“
Negativbeispiel: „Mir ist klar, was von mir als Arbeitsleistung erwartet wird.“
Auch das Beispiel hier zeigt wie man recht einfach in ein Dilemma stolpern kann. Denn die Antwort auf diese logisch anmutende Frage ist recht trickreich. Zum einen kann man davon ausgehen, dass negative Antworten auf eine derartige Frage wohl nicht optimal verwirklichte Arbeitsplatzaspekte aufzeigen. Zumindest wenn man die Auffassung teilt dass „klare Erwartungshaltungen“ zu kennen ein förderliches Merkmal für Produktivität und Arbeitsmotivation darstellt.
Auf der anderen Seite sind positive Antworten auf diese Frage nicht in jedem Fall auch inhaltlich positiv zu deuten. Denn eine positive Antwort auf diese Frage könnte bedeuten a) ich kenne tatsächlich die objektiven Erwartungen oder b) ich kenne etwas, das ich als Erwartung subjektiv interpretiere, unabhängig davon ob es die objektive Erwartungshaltung ist.
Die Frage ist in einer Negativausprägung damit ggf. ein Alarmindikator, im positiven Fall aber kein Ruhekissen und Garant dafür, dass Mitarbeiter die Erwartungen tatsächlich kennen. Ein echtes Dilemma.
No-Go-Fragen in der Mitarbeiterbefragung: Trademark-Fragen ohne Kontext oder mit „cultural bias“
Negativbeispiel: „In meiner Firma habe ich einen guten Freund / eine gute Freundin.“
Oft findet man in Befragungen die Frage ob man „gute/beste“ Freunde im Unternehmen hat. Diese Frage stammt meiner Ansicht nach meist gedanklich aus den Arbeiten des Gallup-Institutes und deren Q12 (daher nenne ich es mal „Trademark“-Frage). Einem in sich geschlossenen, US-amerikanisch geprägten Fragebogen, den ich vor allem in der punktuellen Nutzung sehr kritisch sehe. Denn man reißt eine Frage aus einem validierten 12er Block an Fragen heraus.
Der Grundgedanke macht Sinn: er thematisiert die soziale Eingebundenheit in ein Unternehmen. Allerdings recht plump. Soziologisch gesehen ist der „Freundschaftsbegriff“ in unterschiedlichen Kulturen sehr verschiedenen geprägt. In US-Amerika bspw. wird der Begriff viel breiter und schneller genutzt als in Mitteleuropa. Wertestudien zeigen dies sehr deutlich auf. Auch die Einstellung der Arbeit gegenüber ist hier sehr verschieden: Ich kann hoch motiviert und produktiv sein und dennoch für mich beschließen in der Arbeit keine zu intensiven Freundschaften zu pflegen – im Sinne einer professionellen Abgrenzung. Entsprechend ist das Item sowohl schwierig zu interpretieren als auch in der Implikation nicht direkt handlungsleitend. Soll es nun ein Ziel der HR-Strategie in Unternehmen sein enge Freundschaften unter Mitarbeitern zu fördern?
Der Bonus: Offenes Ende
Negativbeispiel: „Was möchten Sie uns sonst noch sagen?“ (offener Kommentar)
Ich habe von 5 Negativbeispielen gesprochen. Dann ist das hiermit das Bonus-Negativbeispiel.
In vielen Fragebögen sieht man als Abschluss ein offenes Kommentarfeld, das als „Sonstiges“ oder „Was möchten Sie uns sonst noch sagen?“ tituliert ist. Offene Fragen sind gut. Absolut offene „Containerfragen“ aber nicht der Weisheit letzter Schluss. Auch hier kann ein handlungsleitender Impuls in der Fragebogenkonzeption Sinn machen. Bspw. könnte man in zwei getrennten Fragen nach Dingen die man positiv schätzt fragen oder andererseits priorisierend nach Aspekten die den Befragte besonders wichtig wären im Nachgang der Befragung zu bearbeiten.
Fragebogenformulierung ist eine Literaturgattung
Für mich ist Fragebögen zu formulieren eine Kunst und eigene Literaturgattung. Ich bitte Sie daher inständig: Vermeiden Sie den Impuls in Ihrer eigenen Mitarbeiterbefragung gut gemeint aber oft nicht optimal gemacht eigene Fragen zu erfinden. Kopieren Sie nicht in Google gefundene Fragebogenbausteine wild zueinander.
Greifen Sie auf erprobte und validierte Instrumente zurück und/oder ziehen Sie Profis hinzu, die durch Expertise und Erfahrung Sie dabei unterstützen können. Sie lassen sich ein Muttermal nicht von einem Klempner herausnehmen, die Bremsen Ihres Autos nicht vom Tischler reparieren und schicken einen Kindergartenpädagogen nicht zum Löschen eines Waldbrandes. Vertrauen Sie auch hier Profis und erprobten Konzepten.
5 Fragen, die Sie niemals in einer Mitarbeiterbefragung stellen sollten & dort keinen Platz haben