Experten-Interview
Welchen Rat geben Sie einem Mobbing Opfer?
Mag. Regina Nicham (IBG): Wichtig ist, dass Betroffene sich darüber informieren was Mobbing konkret ist und, ob ihre Geschichte in diese Richtung geht und sie davon betroffen sein könnten. Sie sollen sich an Personen im Unternehmen wenden, denen sie vertrauen und die sie unterstützen können (Führungskraft, Betriebsrat, Personalvertretung, Kollegen, eventuell Mobbingbeauftragte/Konfliktlotsen, Arbeitspsychologen, Arbeitsmedizin…). Wichtig ist, sich mit Vertrauten auszutauschen und auf keinen Fall sich zurückziehen oder alles bei sich behalten. Sich persönlich stärken mit allem was einem gut tut – bezogen auch auf die Freizeit. Auch das Aussprechen und Setzen von Grenzen ist zu empfehlen.
Ein wichtiger Tipp ist, sobald man merkt da läuft etwas schief oder gezielt in die eigene Richtung, dann unbedingt ein Mobbing Tagebuch führen. Einerseits hilft das den Betroffenen das Erlebte zu verarbeiten, es sich sozusagen von der Seele zu schreiben und dadurch auch etwas Abstand zu bekommen, aber auch, um dann zu einem späteren Zeitpunkt zu wissen was wann wo mit wem und wie vorgefallen ist (auch im Sinne von Beweismaterial). Auch das Sammeln von Beweisstücken ist wichtig (z.B. Emails, beschädigte Gegenstände). Im Coaching selbst werden dann natürlich auch noch die persönlichen Handlungsmöglichkeiten und die eigenen Ressourcen reflektiert und es dient v.a. der Stabilisierung und Stärkung der Betroffenen.
Mag. Ulrike Kriener (AUMAIER & Partner Coaching GmbH): Das Mobbing Opfer sollte sich darauf konzentrieren das zu verändern, was im eigenen Einflussbereich liegt, nämlich der Umgang mit den einzelnen Situationen, in denen man sich gemobbt fühlte. Wenn man Mobbing erlebt hat kann es auch im nach hinein hilfreich sein mit einem Coach Resumee bezüglich dem Erlebten zu ziehen. Das hilft bei zukünftigen ähnlichen Situationen gestärkt anders zu reagieren und Mobbing von Anfang an zu verwehren.
Welchen Rat noch?
Mag. Renate Strommer (ASO & WiLAk): Die Notwendigkeiten für Mobbing Opfer sind vielfältig:
- kostenlose Beratungsstellen, die Ratschläge und Informationen geben
- bei gesundheitliche Auswirkungen medizinische Versorgung
- Rechtliche Beratung
- Netzwerk und Unterstützer suchen
- Aufzeichnungen führen
Ich begleite Betroffene auf dem Weg von Überforderung und Ohnmacht. Hin zu Entwicklung von Handlungsstrategien. Und zu einer Haltung „Ich sorge für mich“ je nach Eskalationsgrad und gesundheitlichen Auswirkungen.
Corinna Ladinig, MBA (CTC Academy): Unbedingt eine Mobbing-Beratungsstelle aufsuchen – Ressourcenarbeit im Coaching unterstützt hier die gemobbte Person, neben allen anderen Maßnahmen, die noch getroffen werden müssen.
Mobbing Prävention- wo soll man ansetzen bzw. in wie fern kann Coaching dabei hilfreich sein?
Mag. Regina Nicham (IBG): Im Sinn der Primärprävention sollte v.a. an der Unternehmenskultur gearbeitet werden. Das bedeutet u.a., dass ein Arbeitsklima gefördert wird, in dem offen und ehrlich über Konflikte gesprochen werden kann, und gemeinsame Wertvorstellungen betreffend die Arbeit und den Umgang miteinander bestehen. Um gegen Mobbing vorzugehen, muss in der Organisation ein Konsens darüber vorhanden sein, welcher Umgang als fair gilt und welches Verhalten als nicht fair und diskriminierend erkannt wird und v.a. sollten die Führungskräfte direkt und konkret dazu Stellung nehmen, welches Verhalten sie in ihrem Team/Unternehmen dulden/erwarten und welches nicht.
Ein offenes, wertschätzendes Unternehmensklima innerhalb dessen die Mitarbeitenden sich einbringen dürfen und in ihrer jeweiligen Arbeit gefordert werden (ohne andauernder Unter- oder Überforderung) und auch wollen (mit Interesse und innerer Motivation) ist die beste Mobbing-Prävention. Coaching kann dahingehend hilfreich sein, um Eskalationen von Konflikten zu verhindern und auch Führungskräfte sowie Unternehmen hinsichtlich ihrer Verantwortung und Rolle in Bezug auf Mobbing-Prävention zu coachen und zu beraten.
Die Gesprächspartner
Mag. Ulrike Kriener AUMAIER & Partner Coaching GmbH Mag. Regina Nicham IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement GmbH Corinna Ladinig, MBA CTC Academy OG Mag. Renate Strommer ASO & WiLAk GmbH |